Einführung, VII

Text zum Thema Allzu Menschliches

von  bluedotexec

Mr. Mellencamp, vor drei Tagen, 8:00 Uhr

„Guten Morgen, Vic.“
„Das hatten wir doch schon, Detective.“ Sagt Victor gelangweilt.
„Ich bekräftige mich gerne.“ Sage ich. Er kratzt sich an seiner Narbe. Normalerweise lassen Narben auf eine bewegte Vergangenheit schließen, aber bei Victor nicht. Nein, trotz der alten Verletzung, die seine rechte Wange ziert, sieht er immer noch aus wie ein Zirkusclown. Der alte Bastard hätte sich das Ding auch selbst in die Visage schneiden können, das ließe ihn nicht weniger lächerlich erscheinen.
„Die einen nennen es 'bekräftigen', ich hingegen 'wiederholen'.“
„Ach du meine Güte.“ Seufze ich. „Kommen wir gleich zur Sache. Es ist früh, ich bin schon angetrunken, mein Frühstück war beschissen. Ich habe keine Lust auf das übliche hin und her, und du weißt, dass du meine Fragen beantworten wirst. Sonst sitzt du.“
„Aber Sie haben doch gar nichts in der Hand gegen mich.“ Sagt er unschuldig – und grinst.
„Ich warne dich. Reiz' mich nicht.“
„Sonst was, Detective? Sonst nehmen Sie mich mit?“
Meine Hand schießt vor. Ich packe ihn seitlich am Hals, übe mit der Linken an seiner Schulter noch etwas zusätzlichen Druck aus und donnere seinen Kopf mit sanfter Bestimmheit in die Backsteinmauer des Tittentempels. Er sackt etwas zusammen, ohne jedoch das Gleichgewicht zu verlieren.
„Was ist los?“ Knurre ich leise. „Nichts gewöhnt?“
„Sind Sie irre, Matt? Das ist Polizeibrutalität!“
Ich ziehe meinen Dienstausweis vom Gürtel ab, das Holster mit dem Revolver unter meinen Armen hervor und werfe beides beiseite.
„Ich habe Zwangsurlaub. Ich bin im Moment quasi nur ein Zivilist. Erstatte doch Anzeige, du weißt ja, wo ich wohne. Mal sehen, im Moment dürftest du Mr. James Furtado an die Strippe bekommen.“ Ich ziehe mein Mobiltelefon aus dem Mantel, drücke auf Kurzwahl und warte.
„Hey, James.“ Ich warte seine Antwort hab. „Ganz gut, ich schlag' mich so durch die Urlaubszeit, du weißt ja, wie schwer mir sowas fällt. Und, wie geht’s Frau und Kind?“ Er erzählt mir eine längere Geschichte über eine Mathelehrerin und einen Frühstückskaffee.
„Ja, hör' zu. Hier ist ein Türsteher, der sich gern über meine Befragungsmethoden beschweren würde.“

James Furtado, vor drei Tagen, 8:04 Uhr

Dieser verfluchte Mistkerl. „Du bist im Urlaub, du kannst doch niemanden vernehmen!“
Ich warte seine Antwort ab.
„Ja, ist mir ja im Prinzip auch egal. Gib' ihn mir.“
Eine Sekunde vergeht, eine zweite folgt.
„Er sagt, er hat es sich überlegt.“
Ich liebe diesen Gag.

Mr. Mellencamp, vor drei Tagen, 8:05 Uhr

„Also, Vic. Dann erzähl' mir doch mal, warum Angie heute nicht zum Arbeiten ins 'Teds' gekommen ist.“
Victor verdreht die Augen.
„Das ist alles? Scheiße, Matt!“
„Mister Mellencamp.“ sage ich.
„Du hättest das einfach gleich fragen können!“
„Das wollte ich auch. Nach einer formellen Begrüßung und vor einer nicht durch den Inhalt der Frage zu rechtfertigenden Diskussion über Drogenhandel. Aber darauf wolltest du dich ja nicht einlassen. Und jetzt hast du, wie man so schön sagt, den Salat.“
„Fuck, Matt.“
„Mister Mellencamp. Ich warne dich.“
„Okay, Mister Mellencamp. Angie war gestern Abend zu ihrer Schicht hier und ist, wie jeden Tag, pünktlich um drei Uhr Morgens nach Hause gegangen.“
Ich rechne, schnell.
„Dann schläft sie nur drei Stunden, bevor sie wieder ins Diner geht?“
„Das ist mir egal. Sie kommt zur Arbeit.“
„Kein Wunder, dass sie Kokain braucht, um ihr Pensum auszufüllen.“
„Oh, ja, genau... Also, soweit ich mich erinnere, hat sie gestern Abend keines gekauft.“
„So, ihr habt hier also einen Dealer?“ Frage ich trocken.
„Nein,“ er beginnt zu stottern, „sie kauft es vorher.“
„Vorher, soso.“ Ich grinse ihn an. „Dann will ich mal von einer offiziellen Ermittlung absehen. Vielen Dank, Vic.“
„Gern, M...“ Ich ziehe die Augenbraue hoch, „Mister Mellencamp.“

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