Von Geistern und Wänden

Brief zum Thema Mensch (-sein, -heit)

von  Arawn

Liebster Freund,

du weißt, dass ich schon lange nach einer Möglichkeit suche, den bedrängenden weißen Wänden meiner Wohnung zu entfliehen.
Es ist, als würden sie schreiend und mit voller Inbrunst auf mich zurasen und mir jede Glückseligkeit abverlangen, obwohl sie mir, seitdem ich in diesen verfluchten Ort gezogen bin, eine Festung war, die meinen Geist vor der Grausamkeit der Wesen schützte, welche schon an der Türschwelle auf einen lauern.
Niemand hatte sich bisher über meine plötzliche Abwesenheit beschwert, was mir nur recht sein konnte, da ich diese Isolation freiwillig angetreten bin, doch hat es schon einen bitteren Nachgeschmack, wenn man sich darüber im Klaren wird, dass man niemandem fehlt.
Aber zum Teufel mit ihnen! Ich bin es Leid, diese Menschen ertragen zu müssen, bin es Leid, ihnen immer aufs neue „Einen guten Tag“ zu wünschen und sie anstandshalber nach ihrem Wohlergehen zu befragen, obwohl es mich keinen Deut interessiert.
In dieser Gesellschaft, mein Freund, da bin ich mir sicher, ist nichts, aber auch gar nichts ehrlich und das Befinden anderer nicht von Belang. Man erfragt dies doch nur, damit man einen Grund hat, mit seinen eigenen Problemen anzufangen, was die Person wiederum auch nicht mit Interesse würdigt.
Also, sag mir, was ist das? Eine Geisterwelt, in der wir nur um den Anderen herumschweben und blind für dessen sorgenschweres Gesicht sind? Ist es der Hades vielleicht, mit seinen drei Ebenen, welcher jedem Bewohner des Elysions den Blick auf das Leid der armen Seelen im Tartaros verwehrt? Sind wir Tote, mit intakten Organen doch verwesend im Geiste?

Glaube mir, je intensiver man sich mit den Menschen beschäftigt, desto größer ist die Trauer, die einen umfängt, schleichender die Verzweiflung und lustloser das Leben selbst.
Denn, was lehrte man uns denn von Kindesbeinen an? „Teile, sei freundlich, sei höflich, sei hilfsbereit...“, obwohl unsere Lehrer zu diesem Zeitpunkt wohl selbst nicht mehr an diesen Tugenden festgehalten haben. Leere Lehren von leeren Lehrern sozusagen.
Als Kind, ja, da waren wir noch enthusiastisch bei der Sache, strebten Idolen nach, von denen wir glaubten, sie würden die erstrebenswerten Ideale verkörpern, die man uns lobgepriesen hat.
Was davon übrig geblieben ist, sind egozentrische Profilierungen der eignen Person, um sich einen Vorteil bei anderen zu verschaffen und schamlose Lügen, die wir als Ausreden deklarieren, um bei anderen nicht in Ungnade zu fallen.
Im Grunde fußt unsere gesamte Identität doch nur auf andere, denn ohne Freunde ist man ja bekanntlich nichts.
Aber die Menschen machen mir nur noch Angst, vermögen mir weder Freude noch Trost zu spenden, nicht mal mehr du, der du meiner Seele doch manchmal näher bist als ich selbst und meine Mundwinkel zum Zucken bringst.

Im Schreiben habe ich mein Heil gefunden, das Lebenselixier, welches mich mit dem kleinen Burschen von damals noch verbindet, dem Burschen, der durch Felder ritt, auf der Suche nach dem Schatz im Nirgendwo und dem Sehnen in der Abenddämmerung.
Und manchmal ist es mir, als wäre ich auf einer Lichtung, wie damals, wenn die Worte meinen Fingern entspringen und die süße Unschuld würde erneut das Blattgrün besingen.
Du ahnst gar nicht, wie viel Kraft in Worten steckt. Sie können dir schlimmere Verletzungen zufügen, als ein Messerstich und dich weiter tragen, als einer der Wright Brüder es sich je zu träumen gewagt hätte.
Das und die Tatsache, dass es gelesen wird ist, was mich am Leben hält, mir einen Sinn gibt. Vielleicht von einem ungeschliffenen Schöngeist, der sich darin verliert, das würde mir sehr gefallen.
Polemiker sind herzlich dazu eingeladen, meine Texte auseinander zu nehmen und höhnisch zu rezitieren, ich werde es mit einem wohlwollendem Lächeln vergelten. 

Denn, obwohl mein bisheriges Schreiben wenig optimistisch war, so hoffe ich dennoch, dass da draußen weitere Träumer sind, die die Menschheit als Ganzes vielleicht schon aufgegeben, aber die Hoffnung an den Einzelnen bewahrt haben, Künstler, die die Freiheit jenseits von Schablonen zeichnen und sie neu erfinden - Ja, dafür möchte ich einstehen, dazu will ich meinen Beitrag leisten!
Aber dann, mein Freund, dann müssen wir auch verzweifeln und uns der Melancholie ganz ergeben, müssen fürchten, wehklagen, denn das ist es, was uns von den anderen Menschen abheben kann, denn kein Besitztum ist heiliger und wertvoller, als die Emotionen, die uns daran erinnern, dass wir noch nicht die Schwelle zur  Geisterwelt überschritten haben.
Und auch wenn dies bedeuten würde, dass wir uns für Wochen in unsere Häuser einschließen und uns die Wände zu zerquetschen drohen, weil wir uns vor den Bestien jenseits der Türe fürchten, so würde ich dennoch rufen:

Lasset uns fürchten und zerquetschen lassen!
Denn wir sind die Knospen am Zweig der Sehnsucht und Erben der Hoffnung, welche in der lebensfeindlichsten Gegend erst zu voller Pracht erblühen.

M.


Anmerkung von Arawn:

Dieser Brief ist an all jene gerichtet, die aus der unfruchtbarsten Erde die schönste Blume zu erwachsen lassen wissen.

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Kommentare zu diesem Text


 Dieter_Rotmund (01.01.19)
Typischer Depressionstext, den hier offenbar auch niemanden je interessierte...?

Nichts für ungut! Rein handwerklich gut gemacht, nur halt inhaltlich recht langweilig, sorry. Bitte nicht persönlich nehmen, ich kann ja nur den Text beurteilen, sonst nichts.
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