Fresien blühen im Januar, deine Welt ist schwarz.

Erzählung zum Thema Leere

von  SunnySchwanbeck

Am nächsten Morgen, etwa nach zehn Jahren, lag der Brief in meinem Briefkasten. Es war schweres, weißes Papier und dunkle Buchstaben luden mich auf deine Party ein. Ich muss zugeben, ich habe gelächelt. Ich steckte den Umschlag in meine Jackentasche und ging die Treppe hoch, schloss meine Haustür auf und ging in meine kleine Einzimmerwohnung. Den Geruch von den billigen Zigaretten von der Tanke gegenüber kriege ich nicht mehr aus meinem Leben. Er hängt in allem was ich trage, sogar in meinen Haaren, die mittlerweile wieder meine Naturhaarfarbe haben. Ich überlegte mir, was ich anziehen sollte und wie viele Leuten kämen. Eigentlich, warst du nie ein Mensch der viele Freunde hatte. Aber zu solch einem Fest wird schließlich auch die Familie eingeladen und deine Mutter sah ich das letzte mal vor dreizehn Jahren. Ich setzte mich an meinen Schminktisch und tuschte mir die Wimpern, sorgfältig puderte ich mir mein Gesicht und zog meine Augenbrauen nach. Ich legte sogar etwas Rouge auf und bemalte meine Lippen. "Es waren immer deine Lippen. Nichts anderes. Nur diese herzförmigen Lippen." Ich probierte Kleider an und drehte mich vor meinem großen Spiegel hin und her, abschätzend strich ich mir über den Bauch und hielt die Luft an. Meine Haare fielen in schweren Locken über meine Schultern und der Geruch meines Parfums stieg mir in die Nase. Ich war so aufgeregt, du ludst mich noch nie zu dir ein und ich würde all jene Menschen sehen, die dir einmal wichtig waren.

Die Zugfahrt dauerte nicht lange, ich hörte Musik und überlegte mir, ob ich Blumen mitbringen sollte, immerhin hattest du vor kurzem Geburtstag und Fresien blühen im Januar. Ich entschied mich dafür, am Bahnhof welche zu kaufen und trank einen Marzipancappucino bei Starbucks. Ich ging durch deine Stadt und die Sonne schien, in dem Brief stand, das ganze wäre nicht weit weg vom Bahnhof, also fragte ich mich durch und landete irgendwann an einem kleinen Tor, hinter dem ein schmaler Weg zu dir führte.
Die Menschenmassen um dich herum erkannte ich gleich. Deine Mutter trug ein schwarzes Kostüm und hatte ihre silbrigen, langen Haare mit Klammern als Knoten auf ihrem kleinen Kopf befestigt. Als ich mich so durch die anderen schob und meinen Blick über die Gesichter gleiten ließ, merkte ich wie mich große, grüne Augen anstarrten. Sie trug einen schwarzen Rock mit passender Bluse und das Lederband an ihrem linken Handgelenk schnürrte schon in ihr weißes Fleisch. Mit geballten Fäusten musterte sie mich und versuchte Tränen zu unterdrücken, wie all die anderen um mich herum. Ich senkte den Blick und hielt ausschau nach der einzigen Person, dessen Kleid Kirschen zeigte, auf grauem Hintergrund. Sie hielt die Hand ihres Freundes und trug ihre langen Locken offen. Sie standen vor dir, betrachteten dich und flüsterten irgendetwas, dass ich nicht verstand, oder einfach nicht verstehen wollte. Sie erkannte mich, versuchte sogar mich zu begrüßen und anzulächeln, aber ich stoß sie nur beiseite um dich endlich zu sehen und blendete alle um mich herum aus.
Dein schwarzes Hemd war faltenfrei, deine weichen, Pfotenartigen Hände hattest du auf deinem flachen Bauch verschränkt und jemand hatte dir wohl die Haare gebürstet, so glatt sahen sie noch nie aus. Deine Lider waren geschlossen und irgendetwas merkwürdig ruhiges lag in deinem Gesicht und in diesem drogenfreien Lächeln. Als ich dich küsste verstummten alle. Ich lachte und weinte gleichzeitig und hoffte halbherzig in mir würde ein Regenbogen entstehen. Als sie deinen Sarg schlossen und jeder sich in die Arme fiel und schrie und weinte warf ich ein paar Zweige von unserem Baum in das Loch das für einige Zeit dein Zuhause sein würde und drehte mich um. Sie stampfte auf mich zu und schlug auf mich ein, ich hatte sie mir viel kleiner vorgestellt und ihre Schläge härter. Sie schrie und schrie und fragte mich ob ich nun glücklich sei.

Ich nickte
und
ging.


Anmerkung von SunnySchwanbeck:

2401.

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Kommentare zu diesem Text


 ViktorVanHynthersin (02.01.13)
Manche Party sollte man auslassen (können). Gut geschrieben gefällt mir.
Ich wünsche Dir ein gutes und erfolgreiches Jahr 2013.
Herzliche Grüße
Viktor

 SunnySchwanbeck meinte dazu am 02.01.13:
Wünsche ich dir und deinen lieben auch. Danke Viktor, ja, manche partys sind eben nicht vermeidbar.

 NenntMichIsmael (02.01.13)
hmm. getroffen.

 SunnySchwanbeck antwortete darauf am 03.01.13:
Ach isma.
cooori (20)
(05.01.13)
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