Die Aufgabe des Dichters

Witz zum Thema Abgrenzung

von  Lala

Kürzlich hat es wie aus Kübeln gegossen. Keine Ahnung ob das jetzt an der Klimaerwärmung oder an der fehlerhaften Justierung des Thermostats der Nachtspeicherheizung lag. Ist auch egal. Ich hab auch keine Nachtspeicherheizung. Aber es hat geschifft. Und zwar richtig. So sehr, dass ich des Nachts davon aufgewacht bin.
Scheiße, habe ich gedacht, denn meine Blase war voll voll und mein Schlauch besonders  lastig. Aber statt intelligenterweise auf die Toilette zu gehen, drängte es mich trotz der winterlichen Kälte auf den Balkon. Warum? Ja, fick mich doch! Weil ich erwacht bin! Aber nicht weil meine Blase voll, sondern weil draußen vor meinem Haus, mitten im fettesten Regen, mitten auf der Straße ein Vollspast mit zerrissenem Hemd vulgo entblößtem Oberkörper im Straßenlaternenlicht stand und den Mond anheulte:

"Zerrissene, zerschlissene Zwetschgendichter,
zerstörte, entzweite Zirbeldrüsenzwillinge!:
Spürt Zeus Strahl! Zwingt Zehnfinger
zusammen: zeugt Zeilen!
Die himmlische Gabe zu reichen.


So ähnlich jedenfalls. Die letzte Zeile ist eindeutig scheiße. Aber ich stand nun so ungeschlacht auf meinem Balkon. Bekleidet nur mit einem T-Shirt. Mein Gemächt hatte gefühlt die Größe wie  in diesen Crumb Comics. Sehr penismäßig, sehr groß, sehr haarig. Meine Blase war voll und schien sich ungeniert weiter voll zu saugen. So stand ich da. Unter Schmerzen.
Unten auf der Straße heulte der Typ rum, als käme er zum Abdecker. Kein Schwein außer mir hatte ihn bislang bemerkt. Er schrie lauter als der Schmerz in meiner Prostata, er schrie nach des Vaters Strahl, er war schlimmer als ein tropfender Wasserhahn. Mein Gemächt hatte C-Rohr Qualitäten erreicht und ich beschloss, dass meine Geduld endlich ist.

Mit beiden Händen hob ich meinen Schlauch über das Geländer und schrie innerlich: Wasser marsch.
Ein güldener Strahl schoss gen des silbernen Monds und tausendfacher Sprenkel und Glitzer prasselte auf das Haupt des nächtlichen Ruhestörers hernieder. Und Scheiße: Er spreizte seine Arme, strich sich die Pisse immer wieder und wieder  über seine Zopffrisur und zeigte seine Zähne.
Armer Irrer dachte ich, schüttelte meinen Rüssel ab und ging wieder ins Bett.

Am nächsten Morgen, beim Frühstück, fragte ich mein Weib ob sie meine Heldentat wenigstens im Halbschlaf mitbekommen hätte.
Welche Heldentat?, erhielt ich als Antwort.
Als ich ausführlich wie Odysseus oder Homer von meinen Taten berichtete, schaute sie zunehmend erstaunter. Ich hätte die ganze Nacht lang geschnarcht, erhielt ich als Antwort auf meinen Nachtreisebericht.
Seltsam sei allerdings, dass ich mitbekommen hätte, dass irgendein Freak  vor unserer Bushaltestelle ganz schlechte Alliterationen versucht hätte.
Ja, scheiße, antwortete ich ohne Esprit und Können, aber wagte noch zu fragen, wie es denn wirklich ausgegangen wäre.

Der pensionierte Lehrer, der mal einen Schuh in einem See bei einem Landschulausflug verloren hatte und den anderen Schuh, - Oh my God! - obwohl am Fuß behalten, großherzig in den Teich hinterhergeworfen und der Lektor oder, nein, nicht der Lektor, jedenfalls, der, der … habe ich leider vergessen, vielleicht mal einen Delphin, Fisch oder Wal gerettet hat?  Die Beiden jedenfalls haben den Irren auf der Straße eingefangen.  Sagt meine Frau.
Die seien nach unten gegangen, hätten den Zopfträger beruhigt und eingefriedet. Dann sei ein Wagen gekommen und endlich sei alles vorbei gewesen.

Und ich habe nicht vom Balkon auf diesen Typen, auf diesen Hölderlin gepisst?, fragte ich zaghaft meine Frau?
Nein.
Nein, erhielt ich als knappste aller Antworten und mein Penis, der nicht mehr die höchsten Längen, Breiten und Weihen eines Mr. Snoid Crumb Comics besaß, verschrumpelte  vollkommen.

Epilog:

Ich lebe noch immer mit meiner Frau zusammen, trage nur T-Shirts und meine Nachbarn sind immer noch der halbtote Lehrer mit seiner bedeutungslosen Pension und seinen Rückert Liedern – habe ich gar nicht zu Ende erzählt, oder? -  und der andere Nachbar, der na!, der, der Norbert, Walter, Dieter oder fuck you Dichter ist es auch noch, bzw. ist Mieter in meinem Haus.

Kurzum: Wir sind alle Mieter geblieben und der Typ im Regen wird sich wahrscheinlich mit einer Zwangsbehandlung auseinandersetzen müssen.

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Kommentare zu diesem Text


 Dieter Wal (15.02.13)
Nicht nur die wunderschönen Alliterationen gefallen mir total, wobei das dazumontierte Hölderlinzitat sich dort auch bestens macht + dem Witz, es sei total scheiße. Die Alliterationen haben eindeutig was Zischendes und passen perfekt zur Pisse.

Weil mir deine Mr. Snoid Crumb Comics vielleicht bedauerlicherweise als Kind nicht begegneten: Sollte ich diese prachtvolle Erfahrung unbedingt nachholen? Äußerst witzige Geschichte. Hau noch ein paar Kommas rein.

Magst du nicht wenigstens ein ganzes Alliterationsgedicht posten? Bitte!!!

 Lala meinte dazu am 15.02.13:
Danke für das Lob. Aber leider kann ich nicht dichten. Und ja: Du solltest unbedingt Crumb und sein Universum von Arschgeigen lesen. Lohnt sich.

 Dieter Wal antwortete darauf am 16.02.13:
Mach ich wirklich. :)) Danke.

 Isaban (15.02.13)
Schwer zu kommentieren. Drücken wir es mal so aus: Das Lesen war mir ein Vergnügen!

Liebe Grüße

Sabine

 Lala schrieb daraufhin am 15.02.13:
Das freut mich. Danke.
AronManfeld (43)
(15.02.13)
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 Lala äußerte darauf am 15.02.13:
In Furzwitzen war ich immer schon sensationell gut, mein Kleiner.
AronManfeld (43) ergänzte dazu am 15.02.13:
Diese Antwort ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 Vaga (16.02.13)
Köstlich, im Sinne von äußerst vergnüglicher HirnKost, die nicht absättigt, sondern appetized .

 Lala meinte dazu am 17.02.13:
Das freut mich sehr und ich nichts wünsche ich mir mehr, dass mich ein weiterer Strahl trifft ;)

 Dieter Wal (16.02.13)
Wer sich bisher fragte, was diese witzige Story eigentlich soll, kann hiermit vielleicht besser nachvollziehen, was Lala konkret unternahm. Seine parodistische Strophe wandelt folgende ab.

"Doch uns gebührt es, unter Gottes Gewittern,
Ihr Dichter, mit entblößtem Haupte zu stehn,
Des Vaters Strahl, ihn selbst, mit eigner Hand
Zu fassen und dem Volk, ins Lied gehüllt,
Die himmlische Gabe zu reichen."

Hölderlin


Damit beantwortet er auf seine Weise den Themenordner  "Was haltet ihr von Hölderlins Gedanken über die Aufgabe des Dichters?" und führt eine in meinen Augen großartig gelungene Parodie des Gedichtes und Parodie über die Aufgabe eines Dichter durch, die, nimmt man Hölderlins Position ernst, sinnvoll ist und (für manche) notwendig sein könnte.

Seine pissend klingende Parodie der Hölderlin-Verse halte ich für genial.

"Zerrissene, zerschlissene Zwetschgendichter,
zerstörte, entzweite Zirbeldrüsenzwillinge!:
Spürt Zeus Strahl! Zwingt Zehnfinger
zusammen: zeugt Zeilen!
Die himmlische Gabe zu reichen.

Welche Motive darin er wie für die Story verwendet, könnte man exemplarisch unter Germanistikstudenten als Lehrbeispiel einer mehr als geglückten Parodie anwenden.

 Lala meinte dazu am 17.02.13:
Was auch immer Dieter Wal.
Du hast natürlich recht, dass diese Schtorry, sich unmittelbar aus dem Hölderlin Faden gespeist hat. Alles richtig erkannt. Aber kein Grund aus dem Kleister zu gehen und diesen Text zu mehr machen als er ist und er aushalten kann. Ein Jux und - verdammich, wenn's nicht so ist - kein ganz dummer Jux. Aber mehr auch nicht.

 Dieter Wal meinte dazu am 17.02.13:
Jetzt lach ich schon wieder. :))) Host recht.

 Lluviagata (24.02.13)
Warum fand ich diesen Witz noch nicht?! Hmhm.
Liegt wahrscheinlich daran, dass ich bis vor kurzem wegen einer Lungenentzündung darniederlag, an der ich nur deshalb erkrankte, weil ich in einer regnerischen Nacht einem Besoffenen das Notizbuch geklaut habe ... Strafe muss sein.

Großartig! :D

Liebe Grüße
Llu ♥
(Kommentar korrigiert am 25.02.2013)

 Lala meinte dazu am 25.02.13:
Hallo Llu,

die Du schon als literarische Figur - oder auch nicht? - auf kV fröhlichen Einstand gefeiert hast. Ich danke herzlich für Dein : Großartig. Das geht immer runter wie Öl. Aber: Wie Du auch erkannt hast: es ist nur ein kleiner Joke. Aber trotzdem, auch Kurzfilme können Preise gewinnen.

Gruß

Lala

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