Klattke beim Bewerbungstraining: Der erste Tag!

Geschichte zum Thema Gesellschaft/ Soziales

von  Klattke

Nun war für Klaus Klattke die Zeit des sechswöchigen Bewerbungstrainings gekommen. Zehn Minuten vor acht betrat er das Seminarzimmer und setze sich, noch arg verschlafen, schließlich war er das frühe Aufstehen nicht mehr gewohnt, auf einen Platz. Die anderen Teilnehmer trudelten nach und nach ein, es waren neunzehn, zählte Klattke leise mit.

Kurz nach acht sprang die Tür auf. Ein Mann Mitte vierzig, gut gekleidet mit Anzug, kam fröhlich in den Raum und sagte laut "Guten Morgen!". Die Teilnehmer erwiderten nur zögerlich, was den Herren noch mehr in Schwung brachte. Nun riss er alle Fenster auf, rief dabei abwechselnd "Aufwachen" und "Ab heute geht die Zukunft los". Dabei ruderte er mit den Armen und hatte auch einen Fenstergriff kurzzeitig abgerissen, den er schnell wieder aufsteckte. Die Teilnehmer waren natürlich erschrocken und plötzlich hellwach. Der Mann verteilte im fliegenden Tempo Zettel und Stifte, so dass sich jeder ein Namensschild anfertigen konnte. Er selbst stellte sich als Nils Sturm vor und schrieb hastig seinen Namen auf einen Flipchart.

Dann fing er an zu erzählen: " Also Leute, bevor wir hier loslegen, eins vorweg, dies ist kein gewöhnliches Bewerbungstraining, bei mir werden Horizonte und Visionen eröffnet. Chancen und Möglichkeiten verstecken sich überall, man muss sie nur nutzen. Der Blick schweift weit, und zum Schluss werden wir gelernt haben, über glühende Kohlen zu gehen." Dabei wechselte er ständig die Gesten, reckte die Fäuste in die Höhe, stand einmal sogar auf einem Stuhl und versuchte, die Teilnehmer zu animieren. Klattke saß nur da und pfiff leise den alten Schlager "Wochenend und Sonnenschein" in sich hinein.

Plötzlich sah er, wie aus Nils Sturms Mund Seifenblasen kamen, eine größer und schillernder wie die andere. Klattke musste grinsen und dachte bei sich: "Na, der Eumel hebt ja janz schön ab." Dann erschrak er aber, denn eine Seifenblase wurde größer und größer, umschloss schließlich Nils Sturms Körper und schwebte mit ihm durch den Raum.
Zunächst zog sie einen langen Kreis und stieg dann immer höher in Richtung Decke. Dabei war eine wohlklingende Hintergrundmusik zuhören. Manchmal streifte die Seifenblase die Wand und prallte dann wie ein Flummi zurück. Ihre Farben leuchteten, je näher sie dem Lichtschein der Deckenbeleuchtung kam, immer bunter und greller. Innen saß Nils Sturm, der weiter redete und dabei kleine Steifenblasen ausstieß, die dann durch die Hülle der großen Blase traten und ebenfalls durch den Raum schwebten. Plötzlich gab es einen lauten Knall. Die Seifenblase war einer Deckenleuchte zu nahe gekommen und geplatzt. Nils Sturm stand vor Klattke.

Dieser hatte geträumt und seine Phantasie war mit ihm durchgegangen. Nun stand der Trainer leibhaftig und ohne Seifenblase vor ihm. Er nahm Klattkes Namensschild kurz in die Hand, um den etwas dünn gezeichneten Namen lesen zu können. "Guten Morgen, Klaus," fing Nils Sturm an, "Klaus, Sie sind nicht bei der Sache, Sie hören nicht zu", sagte er vorwurfsvoll. Dieser errötete und stammelte: "Na ja, Meester, ick habe eben ne Vision jehabt, ne fliejende sozusajen!" "Ach ja, teilen Sie sie uns mit, dass das so schnell geht, hätte ich ja nicht gedacht", sagte Nils Sturm mit bewusst erstaunten Ton. "Na, dit iss nun nen bissken schwierich, weeß nich so recht, wie icke dit aklären soll." Glücklicherweise ging in diesen Moment die Tür auf und ein verspäteter Teilnehmer betrat das Zimmer und krähte mit heiserer Stimme und gestelltem Schweizer Dialekt: "Grüzi, alle miteinander"!

Damit war Nils Sturm erst einmal abgelenkt und wandte sich dem verspäteten Teilnehmer zu. Klattke war erleichtert, um die Erklärung seiner Vision herum gekommen zu sein und dachte bei sich: "Männe, dit fängt ja jut an, hab ick ja noch ma Jlück jehabt, dess der vermeintliche Kolleje aus der Schweiz rechtzeitich rin jeplatzt ist. Bin icke doch ma jespannt, wie dit so iss uff heißen Kohlen und mit nem Sturm im Jesicht."

Schließlich war der erste Unterrichtsblock zu Ende. Nils Sturm verabschiedete sich schnell mit den Worten "Bis in 15 Minuten" und verließ so schnell, wie er gekommen war, den Raum. Klattke blieb sitzen und sprach in sich hinein: "Na, der Herr Sturm jeht jetz bestimmt nen Tässchen Spülmittel ufftanken. Wat soll's? Wer weeß, villeicht jeht ja jetz die Post richtich ab. Heute arbeetslos, morjen Vorstandsvorsitzenda! Ma kieken wie dit hier so weita jeht…"

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 Lluviagata (18.02.13)
[Dieser hatte geträumt und seine Phantasie war mit ihm durchgegangen.]
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