Die Kurgantheorie und die Rematriarchalisierung Europas

Essay zum Thema Nihilismus

von  toltec-head

Die Tage erzählte mir ein Freund, der sich auf eine Reise in die Ukraine vorbereitet, von der sogenannten Kurgantheorie, von der ich noch nie etwas gehört hatte. Sie besagt zweierlei: 1. Das Ursprungsgebiet der Indoeuropäer liegt in der Ukraine, ihre Keimzelle ist die sogenannte Kurgankultur. Diese war eine halbnomadische, kriegerische Kultur, die ab 4.500 v. Chr. das gesamte "Alteuropa" überschwemmt und die alten Kulturen verdrängt. 2. Die vorindoeuropäischen Völker waren friedfertig, sesshaft und matriarchal. Die Kurganvölker hingegen kriergerisch, patriarchal und hierarchisch. Einige Forscher gehen davon aus, dass im "Alteuropa" die biologischen Grundlagen der Vaterschaft sogar noch völlig unbekannt waren. Daher der Mutterkult ("Venus von Willmersdorf").

Auch die ganze neuere Geschichte Europas muss von der Kurgantheorie her neu erzählt werden. Nicht nur am Anfang steht das Matriarchat. Es wird wohl auch am Ende stehen. Die Vaterfigur als mühsame zivilisatorische Errungenschaft wird wieder verschwinden, ja ist es beinah schon. Und mit der Vaterschaft auch alle unsere übrigen "alten" Ideale, die indoeuropäischer, das heißt  kriegerischer, patriarchaler und hierarchischer Natur waren.

Während die Kurganvölker das Individualgrab in Form eines Hügels für verherrlichte tugendsame, große Männer kannten, war in den vorherigen, matriarchalen Kulturen die Massenbegrabung von Frauen und Männer gleichermaßen in einem Erdloch die Regel. Die Werte der Indoeuropäer waren individualistisch, die des Matriarchats kollektivistisch.

Das 20. Jahrhundert bereits war das Jahrhundert des Kollektivs. Ein Vorgeschmack auf das, was kommt.

Könnte es sein, dass das, was Nietzsche Nihilsmus nannte, also die Entwertung der höchsten Werte, nichts anderes als eine Rematriarchalisierung ist? Die Entindoeuropäisierung Europas? Ein langsamer Prozess, der im 19. Jahrhundert aber schon sehr weit fortgeschritten war, und dessen Vollendung wir jetzt erahnen:

1. Es gibt keine Kriege mehr sondern nur noch Polizeieinsätze ("Blauhelme").

2. Vaterschaft ist ein soziales Konstrukt also eine Lüge ("Gender-Theorie").

3.  Auch der Kult tugendsamer, großer Männer war eine Lüge, es sind am Ende alle gleich, die Verherrlichung von Toten kann man sich sparen (moderne, entindividualisierte Bestattungsriten; Religion nur noch ein Wellnessphänomen).

Ein letztes Reservat kriegerischer, streng phallozentristischer und hierarchischer Natur scheint das schwule Cruising zu sein. Doch viele der wackeren Recken gammeln derzeit nur noch im Internet rum, verfetten wie die übrige Bevölkerung auch und dank neuer Pillen sterben sie auch keinen heldenhaften AIDS Tod mehr. Früher meinte man, eine totale Verschwulung könne die Welt vielleicht noch retten. Heute sind die Schwulen zum Teil des mittels Östrogenen klimatisierten Alptraums geworden.

Die neue Welt ist also gar nicht neu, sondern ganz, ganz alt, und sie ist auch nicht "brave", sondern vor allem dies: weichgespült.

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Kommentare zu diesem Text


 Lala (20.03.13)
Eine mit großem Aufwand inszenierte, durchweg unterhaltsame pseudopopulärwissenschaftliche Satire voller Aktion und Tempo. Die Klischees der Handlung werden durch ausgefeilte, nicht ohne Witz dargebotene literarische Attraktionen, vor allem aber die formalen Mittel der Ironie überspielt: ausgetüftelter Satzbau, Zeichensetzungseffekte, effektsichere Aufzählungspunkte und vor allem der Zeilenumbruch schaffen einen schillernden literarischen Text, der die Logik des Raum-Zeit-Gefüges reizvoll aufhebt.

[s. a. Kurgan, der Kurgise: http://de.wikipedia.org/wiki/Highlander_%E2%80%93_Es_kann_nur_einen_geben]

 toltec-head meinte dazu am 20.03.13:
Danke für diesen einfühlsamen Kommentar, Lala.
(Antwort korrigiert am 20.03.2013)

 Lala antwortete darauf am 20.03.13:
Dafür nicht.

 Sanchina (20.03.13)
Schau, schau, der angeblich frauenfeindliche Autor bringt hier die große Hoffnung aller weit voraus denkenden Feministinnen gekonnt und greifbar nah zum Ausdruck. Sehr gut geschrieben!
Gruß, Barbara

 toltec-head schrieb daraufhin am 20.03.13:
Dank dir. Dein Kommentar hat mich zu einer Klarstellung am Ende veranlasst :)
MelodieDesWindes (36)
(21.03.13)
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 toltec-head äußerte darauf am 21.03.13:
die ILIAS ist der männlichste aller texte, mit der odyssee bereits beginnt die verweiblichung der literatur.

 RainerMScholz (15.06.13)
Zum ersten Abschnitt: quasi Sexualität nicht begriffen als Zeugungsakt und die Geburt einzig aus dem Körper der Frau entspringend? Das klingt faszinierend. Und nach viel Spaß. Und göttlich verantwortungslos, jedenfalls was mich betrifft.
Grüße,
R.

 toltec-head ergänzte dazu am 15.06.13:
Für uns ist es selbstverständlich, weil man es in der Schule eingebleut bekommt. Auf der Hand liegen die Dinge keineswegs. Eher unglaublich als real, wenn man zuerst davon hört. Malinowski hat darüber auch anhand der Trobiander (Südseevolk) geschrieben. Hier im Forum schreibt AlmÖhi auch darüber.
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