Die Straßenbahn

Skizze zum Thema Wahrnehmung

von  blauefrau

Die Frau saß in der Straßenbahn, ihr Laptop vor sich und schaute einen Film: dieser Film wurde von den Schatten, die die Straßenbahn beim Entlanggleiten an Häuserzeilen und Wänden warf und die sich auf der Scheibe des Laptops spiegelten, befilmt und beleuchtet.

Ihr Film war schwarzweiß, und ich sah vor der Frau ein sich drehendes Konglomerat aller Schatten, in dem sich die Schatten der Schauspieler und die Außenschatten vereinigten. Der Raum vor der Frau wurde erhellt durch dieses Lichtspiel, und es entstand ein sich bewegender Geist, der ihren Wunsch, gerade diesen Film zu sehen, mit der Notwendigkeit der Straßenbahn, gerade diesen Weg entlang zu fahren und diese Schatten zu werfen, vereinte.

Die Frau, kräftig, mit kurzgeschnittenen Haaren, breitbeinig, starrte reglos, stoisch auf den Film. Neben ihr stand eine Reisetasche mit weit heraus gezogenem Griff. Schließlich bewegte sich die Frau und legte ihren rechtes Bein über ihr linkes, so dass ihr rechter Fuß sich nach innen wendete und in den Innengang zeigte: ein Zugeständnis an den Inhalt der S-Bahn, an die Leute und ihre Taschen, ihre Stimmen und ihre Augenblicke.

Wir waren ebenfalls Schauspieler dieses Films, Statisten, die sich in den Augen der anderen und in dem Geist widerspiegelten, lebendig und virtuell, Hybride.

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Kommentare zu diesem Text


 AZU20 (24.03.13)
Spannende Schilderung. LG
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