Der "mein Buch" Fetisch

Kritik zum Thema Literatur

von  toltec-head

Während die Kulturelite seit gut fünfzig Jahren schon den Tod des Autors predigt und sich in der Dekonstruktion von Schriftlichkeit übt, scheint die Botschaft beim Fußvolk noch nicht so richtig angekommen. Nicht immer weniger sondern immer mehr Menschen möchten Autor mit großem A sein und "ihr Buch" in den Händen halten bzw. im Bücherregegal neben den anderen Großen stehen haben. Obwohl gerade das Internet die Mittel für eine keineAutoren-Existenz liefert und eine Plattform wie keinVerlag wie geschaffen dazu ist, die Buchform zu unterlaufen, bleibt der Run aufs "eigene Buch" ähnlich wie der zum Eigenheim ungebrochen. Titel wie "Ich kann auch Prosa" oder ein kursorischer Besuch auf den Seiten von bookrix könnten einen dazu verleiten, das Phänomen als bloße Ich- und Geltungssucht abzutun. Da wir es aber ganz offenkundig mit einem Herdentrieb zu tun haben, hilft der bloße Verweis auf Egoismus eigentlich nicht weiter. In diesem Punkt gleichen sich ja gerade alle Autorenprofile auf bookrix und erscheinen für den Außenbetrachter wenig individuell und vollkommen unegoistisch: Alle wollen sie als etwas ganz besonderes, als kreativ und originell erscheinen. Alle folgen sie brav dem, was nicht nur die Malborough-Werbung predigt: "Don´t be a maybe!", "Be someone special!".

Man muss sich klar machen, dass das Christentum über Jahrhunderte die Erlösung durch das Buch predigte. Gemeint damit war ursprünglich natürlich Erlösung durch das eine Buch, die Bibel, die ja gar keinen richtigen Autor hat. Bereits im Protestantismus fand aber eine Versubjektivierung dieses Glaubens statt ("Jeder steht unmittelbar zu Gott"). Offenbar schuf die protestantische Ethik dadurch  nicht nur die geistigen Grundlagen des kapitalistischen Wirtschaftens (Max Weber) sondern auch die des modernen Autorseins. So gesehen sind die Buchichlinge, die uns auf den Seiten von bookrix anlächeln, nichts anders als verkappte Christen. Auch die "one size fits all"-Ideologie passt wunderbar zum Christentum, das ja den Zugang zu Himmel und Hölle standardisierte.

Und du, lieber Leser, hast du es denn schon? Das "eigene Buch"? Oder tappst du immer noch in der Vorhölle der keinAutoren? Du mußt dich beeilen. Die Zeit ist knapp. Du hast doch nur dieses eine Leben. Und es sind zwar viele berufen, es werden aber nur wenige auserwählt!

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Kommentare zu diesem Text


 TassoTuwas (26.04.13)
Äh, Ja.
Mein Buche (ho ho, deren zwei) steht in meinem Bücherregal zwischen Schopenhauer und Goethe.
Was sagt uns das??

 niemand meinte dazu am 26.04.13:
... tja, und warum sollte jemand kein eigenes Buch haben wollen? Ist doch praktischer seine Elaborate gebündelt
zu haben, mit Deckel drauf, als immer wieder nach einzelnen Verdichtungen suchen zu müssen, sofern man sie abrufen möchte. Ich finds praktisch, wenn man sich das privat gestattet. Wenn jemand jedoch darauf spekuliert, seine kleine "Bibel" zu verscherbeln, vielleicht sogar mit Gewinn, dann hat der Ärmste blaue Äugelein. Und blaue Äugelein kommen auch vom "Bumm-ich will-deinen Schrott-
nicht" des Käufers. Ein indirektes Veilchen
LG niemand

 toltec-head antwortete darauf am 26.04.13:
Warum immer so bescheiden, TassoTuwas? Ich tät meins zwischen die Bhagavad Gita und das kürzlich von mir erworbenene, ganz famose Werk von niemand stellen.

 TassoTuwas schrieb daraufhin am 26.04.13:
Man muß mit seiner Umwelt Kompromisse eingehen. Den Goethe habe ich neu hingestellt, da stand vorher Dante.
Ich konnte die Frage nicht mehr hören, "und bei welchem Verein spielt Schopenhauer?"

 niemand äußerte darauf am 27.04.13:
@ Toltec
niemand hat keins geschrieben!
eilika (33)
(26.04.13)
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 toltec-head ergänzte dazu am 26.04.13:
Es wird soweit kommen, dass man die Leute für das Lesen von Literatur bezahlen muss. Es ist ja jetzt schon beinah so weit. Danke für deinen Kommentar.
KoNimkabus (1)
(26.04.13)
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 toltec-head meinte dazu am 26.04.13:
Ach, KoKa nehm ich von meiner Kritik natürlich aus. Ich sehe ihn als große Literatur Diva in Drag, von Forum zu Forum hoppend, nach einer Weile immer die Geduld verlierend, die Türen laut zuschmeissend, in seinem Zimmer hockend und rauchen und flüstern: "Die blöden Tucken, die blöden, blöden Tucken."
(Antwort korrigiert am 26.04.2013)

 niemand meinte dazu am 27.04.13:
*hihihihihihi*....
Jack (33)
(26.04.13)
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Nimbus (37) meinte dazu am 26.04.13:
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 Dieter_Rotmund meinte dazu am 26.04.13:
Auffällig ist der Typus der gelangweilten Hausfrau Ende 40, die ein Buch schreibt (Inhalt eigentlich egal) und sich den Rest des Lebens im vermeintlichen oder vor mir aus auch tatsächlichen (Achtungs-)Erfolg sonnt: Ich, die Künstlerin, ich hab's "geschafft".

 toltec-head meinte dazu am 26.04.13:
Ich bin nicht KoKa, sitz nicht in meinem Zimmer rauchend und flüstere: "Die blöden, blöden Tucken". Mir sind solche Bewertungen egal.

Dieter: Shades of Grey lässt sich wohl kaum als Achtungserfolg abtun.
Nimbus (37) meinte dazu am 26.04.13:
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 Dieter_Rotmund meinte dazu am 27.04.13:
Gerade vorhin hat eine alte Freundin mir am Telefon gesagt, dieses "Shades of grey" sei ein Hausfrauenporno. Das ist mein gesamter Wissenstand über "Shades of grey".

Liebe Nimbus-Heike, von diesen selbstgefälligen Einbuch-Autorinnen Ende 40 sind mir auf Lesungen und Messen schon so viele begegnet, das ist wahr gewordenes Vorurteil...

 Dieter Wal meinte dazu am 27.04.13:
@ Dieter_R.: Holte die Meinung über "Shades of grey" bei einer SM-Autorin ein, die auch kaum ein Klischee auslässt, aber deutlich besser schreibt. Sie fand es unterirdisch. Was den Erfolg des Buches ausmacht, ergäbe eine interessante Analyse. Aber dazu müsste man es lesen. Kein Interesse.
parkfüralteprofs (57)
(27.04.13)
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 toltec-head meinte dazu am 27.04.13:
Was ich nicht verstehe, wenn "Shades of Grey" zig Millionen Mal verkauft wurde, warum speisen uns unsere Frauen hier bei kV immer mit Jahreszeitlichem und Naturbeschreibungen ab. Ich wär selbst mit einem schlechten Imitat mal glücklich :)
parkfüralteprofs (57) meinte dazu am 27.04.13:
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 Dieter Wal (27.04.13)
Meine ersten "Bücher" hatten als Zielgruppe immer genau eine Person. Die Gewidmete. Daher bin ich mehr der Verfechter des Buchmarketings "Zauberbuch". Es ist handgeschrieben, sehr selten, also wertvoll, findet genau einen Leser, der sich idealerweise die Inhalte praktisch aneignet und sein Leben lang damit arbeitet, bis er es weitervererbt oder weitergibt. Noch Fragen?
(Kommentar korrigiert am 27.04.2013)

 toltec-head meinte dazu am 27.04.13:
Ja klar, hab ich da eine Frage: Wenn du dich also mal in diesem Paraides befunden hast, beschreib doch mal den Weg, den man zurücklegen muss, um sich auf einmal in diesem Darkroom der Literatur, kV, wiederzufinden :)

 Dieter Wal meinte dazu am 27.04.13:
War zu intelligent für mich. Bitte versuch es nochmal für normal intelligente. Danke. :)

 toltec-head meinte dazu am 27.04.13:
Naja, wollte sagen, von der Beatrice zur Promiskuität ist es doch ein weiter Weg. Wie hast du den denn zurückgelegt?

 Dieter Wal meinte dazu am 27.04.13:
Von deinem vorigen Kommentar her wäre ich nie auf diese klaren Gedanken gekommen. War nie promiskuitiv. Mein Psychologielexikon zählt häufigere voreheliche sexuelle Kontakte auf, die dort nach meinem Psych namens Giese psychosexuelle Lernrozesse darstellen. Hatte nie Sex mit Menschen, zu denen ich keine Verliebtheit verspürte. Meine das nicht moralisch. Verhält sich so. Unter Promiskuität verstehe ich Sex mit rel. beliebigen Partnern. Ditte kenn ich nicht. Für mich wäre das sinnlos. Halte sexuelles Interesse für eine letztlich geistige Offenheit für Menschen, die auf Lerntrieb basiert. Wer einen Menschen tiefer kennenlernen möchte und größere Zuneigung verspürt, könnte ev. mit ihm Sex haben.
(Antwort korrigiert am 27.04.2013)

 toltec-head meinte dazu am 27.04.13:
Mein Lieber, ich meinte natürlich die literarische Promiskuität bei kV. Ich sprach doch auch von kV als Darkroom. Schon Paulus unterschied die Promiskuität im Fleische und die im Geiste. Nach deinem Kommentar war doch klar, dass ich nur die im Geiste meinen konnte, welche übrigens nach allgemeiner Ansicht keineswegs besser ist als die im Fleische.

 Dieter Wal meinte dazu am 28.04.13:
Promiskuität in einem Literaturforum spielt sich wohl asexuell ab. Meinst du die?
michaelkoehn (76) meinte dazu am 02.05.13:
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