Das Gelbe vom Ei. - Version 2.

Erzählung zum Thema Alltag

von  franky

*

Das Gelbe vom Ei.

Für die Zubereitung eines grünen Salates, verwände ich gerne ein hartgekochtes Ei. Habe ich schon unzählige male erfolgreich durchgeführt. Der Zufall wollte, dass gerade an diesem Tag keines vorrätig im Kühlschrank vorhanden war. Kein Problem. Ich öffne mit der rechten Hand den Kühlschrank einen Spalt und nehme mit der linken das rohe Ei in meine Finger, nicht zu fest, sonst gibt es „Rührei“. Ich ziehe meine linke Hand mit dem Ei aus dem Kühlschrank und stoße
unvorsichtiger weise an den Türrahmen des Schrankes. Da begann mein Horrorszenarium!!!
Das Ei entglitt meinen Fingern und fiel auf den Boden. Vor meinen Augen wurde es blitzartig noch dunkler als es sonst schon war. Ich fühlte, dass das Ei erst auf meinen Hausschuh knallte und dann auf den Teppich und den Parkettboden.
Davon hat es in unserer Wohnung 90 Quadratmeter. Blitz blank geputzten Parkettboden! Dazu noch viele kostbare Teppiche.
Ich stand zur Salzsäule erstarrt und ließ alles durch meinen Kopf gehen. Die Feuerwehr konnte ich nichtalarmieren;. Mein Nachbar war nicht zu Hause. Meine Frau 50 km in der Schweiz in
der Arbeit. Langsam begann ich den Schaden in seinem Ausmaß zu erfassen und einzugrenzen. Erst bücke ich mich und suche die Eierschalen mit Rest vom Eiklar aufzulesen und in das Waschbecken zu werfen. Zum Glück ist das Waschbecken in meiner Reichweite. Dann fühle ich meinen Hausschuh an! Da schwabbelt das Eigelb auf der Schuhspitze, ein Teil auf dem Teppich, zum Glück nur auf den Franzen. Der Rest verteilte sich auf dem Parkettboden. Mit diesem bekleckerten Schuh konnte ich keinen Schritt machen, ohne die Sauerei um das
vielfache zu vergrößern. Der zweite Schuh an meiner Prothese war sauber geblieben. Ich überlegte sehr genau, wie ich nun vorgehen werde! Ich ziehe den beschmutzten Hausschuh ab und werfe ihn in das Waschbecken. Dann einen beherzten Schritt mit dem gesunden rechten Bein über meine Prothese direkt vor das Waschbecken.

Das war der erste Schritt zu meinem unwahrscheinlichen Erfolg.

Mit Lumpen und Waschmittel säubere ich den Hausschuh. Die Farbe des Eigelbs soll ja recht intensiv sein; Da muss ich besonders Intensiv putzen. Die Schuhsohle trockne ich dann mit Tüchern und Küchenpapier. Es dürfen ja keine Abdrucke am Parkett sichtbar sein. Dann mache ich in einem kleinen Plastikbecken heißes Wasser parat, gebe etwas Spülmittel hinein und setze meine eigentliche Putzexpedition fort. Ich kniee mich auf den Boden und nehme erst die groben Teile vom Ei, wie Eierschalen und noch etwas Flüssiges in ein Küchenpapier und entsorge es im Abfallkübel. Das ist alles in Reichweite. Das Gelbe vom Ei muss nun aus dem Teppich gefegt werden. Auch der Parkettboden muss gesäubert werden. Nach einiger Zeit wechsle ich das Wasser und mache frisches, heißes Wasser mit Putzmittel parat. Die Fegerei geht weiter!
Mein knie schmerzt vom langen Knieen. Als ich mir dann ziemlich sicher war, nach menschlichem Ermessen sollte kein Rest mehr vom Eigelb zu sehen sein. Sicher bin ich mir aber erst dann, wenn meine Frau Abends nach Hause kommt und nichts davon merkt. Tatsächlich konnte Claudia nicht die geringste Spur meines Unfalles entdecken. Meine Arbeit war aus dieser Sicht von Erfolg gekrönt.
Claudia betrachtet mich nicht als blinden; Ich bin ein normaler Mensch, der
nicht sehen kann. Das ist ein grundsätzlicher Unterschied. Sie vergisst im Alltag öfters, dass ich nicht sehen kann, ich muss es ihr ins Bewusstsein rufen, manchmal etwas heftiger. Diese Einstellung ist jedoch für mein Leben viel hilfreicher als ein Mitleid, welches mich nicht aufbaut, nur in Lethargie versetzen würde.
Also! nun! Mein Mittagessen musste ich damals ohne Eigelb im Salat verzehren. Ich denke heute noch mit leisem Schaudern an diesen Vorfall (Eierfall) zurück.

*
© by F. J. Puschnik


Anmerkung von franky:

Vor 3 Tagen ist Claudia genau das selbe passiert, da ist mir diese Episode in den Sinn gekommen.

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Kommentare zu diesem Text

chichi† (80)
(05.05.13)
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 AZU20 meinte dazu am 05.05.13:
Heute ist ja auch der Welttag des Lachens. LG

 TrekanBelluvitsh (05.05.13)
Das Ende hat mich ziemlich aus den Socken gehauen. Das nennt man wohl eine Tragikomödie. Und obwohl ich mir sicher bin, dass dieses Wort auf diesen Text passt, komme ich mir vor, als würde ich dadurch Mitleid verschenken. Dabei will ich das gar nicht. Ich will die Menschen nur ernst nehmen (können).

Probleme und Menschsein auf den Punkt gebracht. Sehr berührend, sehr gut!
gaby.merci (61)
(13.05.13)
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