Gewissenhaft

Sonett zum Thema Freiheit/ Unfreiheit

von  Irma

Gestehen muss ich, als Geheimnisträger
bin ich gebunden an die Schweigepflicht.
Doch ich will mich beklagen, geh als Kläger
heut knallhart mit mir selber ins Gericht.

Ist schuldig des Verbrechens, so die Frage,
wer ohne Vorsatz ein Versprechen bricht?
Dann schwöre ich, dass ich es mir versage,
mich gnadenlos verurteil zum Verzicht.

Gesetzt den Fall, ich wollte nicht mehr lügen
und nähme mir die Freiheit und das Recht,
mich selbst nicht zu verraten, zu betrügen:

Vielleicht wiegt nichts das Glück auf. Wahrlich schlecht
wär nur, mich meiner Träume zu berauben! -
Ich richte mich - gewiss - nach Treu und Glauben.

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Kommentare zu diesem Text


 AZU20 (03.06.13)
Der letzte Satz beruhigt mich. LG

 Irma meinte dazu am 05.06.13:
Das freut mich, Armin. Und die Empfehlung natürlich auch! LG BirmchenIrmchen

 Lluviagata (03.06.13)
Liebe Irmi,
Dein sehr gut geschriebenes Sonett lässt mich ob seiner Dichte etwas ratlos zurück.
Als Geheimnisträger mit sich selbst als Kläger ins Gericht zu gehen, hmm, das verstehe ich nicht. Ein Geheimnisträger, der nichts verrät und auf Grund seines Schweigepflichtgelübdes lügt, lügen muss, wird niemals vor Gericht müssen, noch nicht einmal vor sich selbst.
Kann sein, dass ich jetzt etwas falsch interpretiere. Das ist auch nicht bös gemeint, Irmi, ich hoffe, du weißt das, nur bleibe ich etwas ratlos zurück.

Liebe Grüße
Llu ♥

 Irma antwortete darauf am 05.06.13:
Liebe Llu, zunächst einmal herzlichen Dank für Deinen Kommentar. Du brauchst Dich für nichts zu entschuldigen. Es gibt keine falsche Interpretation. Es kommt immer auf die Wirkung an, die ein Text beim Leser hat. Und wenn der Leser ratlos zurück bleibt (und anscheinend bist Du da ja nicht die einzige), dann kann das durchaus auch eine Schwäche des Textes sein. Deswegen bin ich für jegliche Art von Rückmeldung dankbar.

Als Geheimnisträger mit sich selbst als Kläger ins Gericht zu gehen, hmm, das verstehe ich nicht.
Jemand, der ein Geheimnis mit sich herum trägt und es aus Rücksicht auf andere nicht kundtut, kann meiner Meinung nach trotzdem mit sich selbst hadern. Als Kläger kann ich mich beklagen (im Sinne von meinen Unmut über etwas äußern und im Sinne von mich selbst anklagen). Ich kann mein eigener Kläger sein, also Kläger und Angeklagter in einer Person.

Das eigene Gewissen ist für mich die Instanz, vor der wir uns rechtfertigen müssen. Auch für Dinge, die nach außen hin noch keine eigentliche Schuld darstellen (die Gedanken sind frei, heißt es ja bekanntlich). Insofern finden wir dort unseren strengsten Richter.

Ein Geheimnisträger, der nichts verrät und auf Grund seines Schweigepflichtgelübdes lügt, lügen muss, wird niemals vor Gericht müssen, noch nicht einmal vor sich selbst.

Es geht mir hier eigentlich nicht um das Brechen des Schweigepflichtgelübtes, sondern um das des Treueversprechens (siehe auch letzer Vers). Und damit um die Frage, ob Betrug bereits im Kopf beginnt. Um gestehen und sich selbst etwas eingestehen. Um treu sein und sich selbst treu bleiben.

Ich hoffe, damit konnte ich für Dich ein bißchen Licht in den Fall bringen. Viele liebe Grüße, BirmchenIrmchen
(Antwort korrigiert am 05.06.2013)
Anne (56)
(03.06.13)
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 Irma schrieb daraufhin am 05.06.13:
Ich danke Dir, liebe Anne. Nachdenklich zu bleiben ist ja nicht das Schlechteste. So gewinnt man doch die ein oder andere Erkenntnis. Grüße Dich herzlich zurück! BirmchenIrmchen

 EkkehartMittelberg (03.06.13)
Llu hat zwar Recht mit ihrem Einwand, doch möchte ich noch einmal betonen, wie gut dir das Sonett metrisch und rhythmisch gelungen ist, Eve
LG
Ekki.

 Irma äußerte darauf am 05.06.13:
Vielen herzlichen Dank für das Lob, Ekki. Ich habe versucht, die Sache etwas aufzuhellen. Aber vielleicht würde etwas weniger Dichte tatsächlich für mehr Klarheit sorgen. LG BirmchenIrmchen

 franky (03.06.13)
Hi liebes Irmchen,

Ich bewundere dein toll geschriebenes Sonett.

L-G Franky

 Irma ergänzte dazu am 05.06.13:
Dankeschön, lieber Franky, für Lob und Doppelklick! LG BirmchenIrmchen

 plotzn (06.06.13)
Mich fasziniert, wie viele Doppeldeutigkeiten (beklagen, verraten, etc.) Du in einem Gedicht unterbringen kannst, Irmchen.
Man muss sehr genau lesen, um sie aufzuspüren. Die letzte Zeile ist für mich der Höhepunkt. Die Pause durch den Einschub nach "Ich richte mich" mit der Auflösung "nach..." ist klasse!

Liebe Grüße, Stefan

 Irma meinte dazu am 13.06.13:
Danke schön, Stefan. Ich tue mein Bestes! ) Dein Urteil bezüglich der letzten Zeile freut mich ganz besonders. Hier sollte er so recht hörbar werden, der Gerichtshammer ... LG BirmchenIrmchen
Schrybyr† (67)
(17.09.13)
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 Irma meinte dazu am 17.09.13:
Danke schön! Freue mich natürlich sehr über so viel Lob. Das geht runter wie Öl! )

Nichtsdestotrotz gebe ich zu bedenken, dass auch ich immer geneigt bin, an die Grenzen dieser strengen Formen zu gehen, um sie zu neuem Leben zu erwecken. Sich in das enge Korsett zu pressen und dieses dennoch gezielt und gekonnt zu sprengen - das stellt für mich eine Herausforderung dar. (Im Extremfall darf es dann auch mal ein Sonett mit sechs Hebungen und einem überzähligen Quartett sein, wenn es um das Thema Messie bzw. das Versinken im Vielzuviel geht.)

Lieben Dank und Gruß für die doppelte Würdigung, Irma
Schrybyr† (67) meinte dazu am 17.09.13:
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