Der beabsichtigte Zufall- Einbildung oder Realität? -2-

Essay zum Thema Schicksal

von  Bluebird

Illustration zum Text
(von Bluebird)
Ich möchte in dem Zusammenhang eine kleine Begebenheit aus meinem eigenen Leben erzählen. Es war während meines Studiums in den 80iger Jahren, als ich dringend eine neue Wohnung suchte. Es begab sich, dass ich von einer Freundin einen Tipp erhielt: „Ruf doch mal bei Frau M. an. Ich habe gehört, dass in ihrem Haus eine Wohnung frei geworden ist und sie einen neuen Mieter sucht!“
  Ich kannte Frau M. von meinen Schachunterrichten her, und so bestand sicherlich eine gewisse Aussicht auf Erfolg. Aber am nächsten Morgen, einen Donnerstag, verspürte ich recht große Unlust, bei ihr anzurufen. Und so ließ ich die Sache bis zum Samstagmorgen „schleifen“.
  Aber an jenem Morgen verspürte ich auf einmal ein starkes inneres Drängen. Und obwohl ich dachte, dass es vielleicht schon zu spät sei, rief ich bei Frau M. an. Die schien überrascht und sagte nur: „Da haben sie aber Glück! Am besten kommen sie gleich vorbei und schauen sich die Wohnung an!“ Eine Stunde später saß ich in ihrem Wohnzimmer und unterschrieb den Mietvertrag.
  Wie sich herausstellte, war der mich begünstigende Zufall immens gewesen. Frau M., eine siebzigjährige Pensionärin, hatte nämlich mittwochs in einer auflagenstarken Düsseldorfer Zeitung inseriert und gleich mit dem ersten Anrufer einen Besichtigungstermin für samstags vereinbart. Den zahllosen weiteren Anrufern hatte sie immer die gleiche Botschaft zukommen lassen: „Nein, die Wohnung ist schon so gut wie vergeben!“
    Hätte ich, wie es eigentlich logisch gewesen wäre, direkt am Donnerstagmorgen angerufen, hätte sie mich ähnlich beschieden. Am Samstagmorgen hatte der erste Anrufer dann urplötzlich abgesagt, und kurz darauf hatte ich dann, auf ein inneres Drängen hin, angerufen.

Damals war ich wohl ein „Agnostiker“, den religiöse Dinge nicht sonderlich interessierten. Aber erinnere mich, dass ich damals schon das Gefühl hatte, dass hinter diesem großen, mich begünstigenden Zufall schon so etwas wie eine höhere Absicht gesteckt haben könnte. Ohne mir dann aber weiter Gedanken darüber gemacht zu haben.
  Interessant wäre es in dem Zusammenhang ja vielleicht mal, sein ganzes Leben in Hinblick auf solch „absichtliche Zufälle“ hin zu untersuchen. Inwieweit sie vielleicht zu entscheidenden Weichenstellungen oder Wendepunkten im Leben beigetragen haben.

Abends erhielt ich von Heinz eine Email: „Nicht uninteressant, dein Artikel. Hast Dich wohl gestern Nacht über mich geärgert. Na ja, du weißt doch, dass ich manchmal etwas hart formuliere, wenn ich etwas getrunken habe. Bis bald."

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Frühere bzw. ältere Kommentare zu diesem Text


 TrekanBelluvitsh (22.10.13)
Zunächst einmal:
"Damals war ich wohl ein „Agnostiker“, den religiöse Dinge nicht sonderlich interessierten"
Ein Agnostiker weiß, dass er weder die Existenz einer göttlichen Wesenheit beweisen noch ihre nicht Existenz beweisen kann, weshalb eine im Bereich des Möglichen liegende Existenz ebenso wie die denkbare Nichtexistenz für den Menschen unerheblich ist. Dazu muss man sich aber mit religiösen Fragen beschäftigt haben.
Darum warst du damals kein Agnostiker, du warst jemand, der sich nicht für Religion interessiert hast und das ist ein himmelweiter Unterschied.

Zum Text:
Das Problem mit dem "begünstigten Zufall" hinter dem so etwas wie "eine höhere Absicht" ist:
1.) Eine grundsätzlich positivistische Deutung. Wenn jemand in einer Kneipe mit jemandem in Streit gerät und halb tot geprügelt wird, wo liegt da die höher Absicht? Und warum hat sie nicht eingegriffen und ihn z.B. auf dem Weg zur Kneipe stolpern lassen, so dass er eine Bänderdehnung bekam und wieder nach Hause ging, so die Kneipe nie erreicht, nie mit jemandem in Streit geriet und nie halb tot geprügelt wurde?
Und das führt uns zu
2.) Wenn ich mit dem Auto eine längere Strecke zurücklege, kommt es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vor, dass ich die Grünphase einer Ampel nicht nutzen kann, weil ich eine Bummelanten vor mir habe. Wenn ich nun unfallfrei mein Ziel erreiche, war da dann auch eine 'höhere Absicht' am Werke, weil ich so dem Geisterfahrer entgangen bin?
Oder
3.) Das Gegenteil von dem eben Beschriebenen. Ein Geisterfahrer kommt mir entgegen und ich werde schwer verletzt. Auf dem Weg zu dem Unfall habe ich mich gefreut, weil ich als letzter eine Grünphase noch erwischt habe. Hätte ich anhalten müssen, wäre ich dem Geisterfahrer aber entgangen. War das der "begünstigende Zufall" der "höheren Absicht"?

(Mein) Fazit: Es ist eine simplifizierende Erklärung. Dahinter steckt der Wunsch, eine direkte Verbindung zwischen einer Ursache und einer Wirkung zu suchen, wo es keine gibt. Das könnte man dann Zufall nennen. Besser passt jedoch der Begriff des komplexen Systems, dass sich jedoch einfachen Schlussfolgerungen widersetzt.

 Bluebird meinte dazu am 22.10.13:
Bezüglich des "Agnostikers" stimme ich dir zu . Mir fiel kein passender Begriff ein ... "Gleichgültiger" vielleicht.
Den Rest muss ich mir später noch einmal in Ruhe durchlesen.
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