Wer warst du einmal?

Skizze zum Thema Familie

von  Butterblume

Nach meiner Weltreise betrete ich das Haus meiner Kindheit. Das Haus, das ich so geliebt habe. Ein Haus voller Leben, Lachen und Musik. Ein goldener Käfig. Es klingt abgedroschen, aber so ist es. Hier wohnen zwei Fremde, die ich länger kenne als sonst niemand. Hier wohnen zwei Vertraute, die ich nie kennen lernen konnte.

Ich betrete dieses Haus und ich weiß heute ist es so weit – ich weiß ich möchte alles ändern, meine Eltern kennen lernen, Ihnen entgegen schreien, wer ich bin. Und sie müssen mir endlich ihre Geschichten erzählen

Ich betrete mein Zuhause und höre es schon, sie spielt ihr Lied. „Just the way you are“ von Billy Joel. Der Raum ist von Sonne durchflutet. Die frühlingshafte Stimmung haut mich fast um. Mir wird es ein wenig schwindelig, so dass ich mich an den Türrahmen lehnen muss. Sie hat mich noch nicht bemerkt und ich kann sie einfach nicht unterbrechen.

Ich beobachte sie, meine Mutter. Die da so sitzt, wie sie immer saß. Blond, schlank, groß. Ihr wahres Alter erkennt man nicht. Zerbrechlich sieht sie aus. Von hinten, sehe ich, dass sie ihr rotes Kleid trägt, von dem sie sich seit ihrer Jugend nicht trennen will.
Was für Geschichten dieses Kleid wohl erzählen kann?
Und warum singt sie immer wieder dieses Lied?
Ich brauche gar nicht ihr Gesicht sehen, denn ich weiß es wird eine einzelne Träne aus ihren olivgrünen Augen fallen. Und ich weiß, wenn sie mich entdeckt, wird ihr Mund wieder lachen, so breit, und glücklich, wie eh und je.

„Oh Mum, wer warst du einmal?“


Anmerkung von Butterblume:

Beim durchstöbern meiner Textdokumente habe ich diesen Text gefunden, vor 5 Jahren wollte ich eine lange Geschichte erzählen ... weit bin ich wohl nicht gekommen

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Kommentare zu diesem Text


 TrekanBelluvitsh (06.08.17)
Man ist diesen Menschen viel zu nahe, um unbefangen ihre Geschichte hören zu können. Fällt es einem selbst nicht leichter, einem Fremden alles zu erzählen? Oder umgekehrt: Glaubt man einem Fremden seine/ihre Geschichte nicht viel eher, weil man ihm/ihr gegenüber unbefangen ist - und es gleich ist, ob die Geschichte stimmt oder nicht? Denn es ist ja bloß die Geschichte eines Fremden, die man nicht nach ihrem Wahrheitsgehalt beurteilt, sondern einfach danach, ob sie eine gute Geschichte ist...

 Dieter Wal (26.09.18)
A. Tarkowskij zeigt vergleichbare Szenen in "Solaris". Diese Prosa ist sehr intensivm empfunden. Das mag ich.

 Butterblume meinte dazu am 16.11.18:
Vielen Dank für deinen Kommentar und die beiden Sternchen. Bitte entschuldige meine späte Reaktion, ich war schon lange nicht mehr hier
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