Ein Land ohne Sprache

Prosagedicht zum Thema Sprache/ Sprachen

von  EkkehartMittelberg

Wie froh war ich, endlich dort zu sein.
Worte können Menschen schlimmer demütigen
als Schläge
und in einem Land ohne Sprache sollte es um die Menschenwürde
besser bestellt sein,
dachte ich.

Ich war ja nicht so naiv anzunehmen,
dass es in dem Land ohne Sprache keine Aggressionen gäbe.
Die kann man auch mit Körpersprache ausdrücken.
Das wusste ich wohl.
Aber die Umwelt würde nur feststellen, dass jemand bedroht ist,
herabsetzende zynische und sarkastische Worte würden fehlen.

Ich war aber naiv,
denn das habe ich in dem Land ohne Sprache gelernt:
Die Summe der Aggressionen ist überall gleich.
Dort versteht man das feinste Mienenspiel zu deuten,
mit dessen Hilfe Menschen genauso niedergemacht werden
wie in den Ländern mit Sprache.

Doch hat mich diese Erfahrung nicht pessimistischer gemacht,
denn Zuwendung und Liebe sind in dem Land ohne Sprache nicht geringer
als in den Ländern mit Sprache.
Welche Kräfte man für stärker ansieht
und worauf man vertraut,
ist eine Frage der Persönlichkeit und
hat mit Sprache nichts zu tun.

© Ekkehart Mittelberg, Januar 2013


Anmerkung von EkkehartMittelberg:

Inspiriert durch das Gedicht "Punkt Still" von MarieM

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Kommentare zu diesem Text


 susidie (31.12.13)
Ein toller Text. Ein Hoch auf die nonverbale Kommunikation, mit der man sogar oft mehr ausdrücken kann, als mit Worten. Im positiven wie im negativen. Manchmal ist Stille die einzige Möglichkeit sich selbst Ausdruck zu verleihen. Wortlos grüßt dich, Su :) ----------------------

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 31.12.13:
Grazie. "Manchmal ist Stille die einzige Möglichkeit sich selbst Ausdruck zu verleihen." Damit ist dir eine wunderschöner Aphorismus gelungen, Su.
Die Erforschung der nonverbalen kommunikation ist erst in ihren Anfängen. Sie geht einher mit Fortschritten in der Hirnforschung.

 TrekanBelluvitsh (31.12.13)
Ja, Menschen sind überall und immer gleich. Das ist bedrückend. Aber wenn man die Augen offen hält, wird man auch immer Menschen finden, die einem etwas Wert sind, ganz gleich in welcher Sprache man sich unterhält.

Noch ein denn das Netz macht meine Mimik sonst sprachlos.

 EkkehartMittelberg antwortete darauf am 31.12.13:
Merci, Trekan. Man spricht vom schweigenden Einverständnis. Das sagt alles.
Zweifler (62)
(31.12.13)
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 EkkehartMittelberg schrieb daraufhin am 31.12.13:
Vielen Dank, Zweifler. Beste Grüße zurück und auf belebenden Austausch in 2014.
Koka† (46)
(31.12.13)
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 EkkehartMittelberg äußerte darauf am 31.12.13:
Dem widerspreche ich nicht und behandle Raubtiere mit wacher Aufmerksamkeit. Auch dir einen guten Rutsch in die neue Manege 2014.
Abulie (45)
(31.12.13)
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 EkkehartMittelberg ergänzte dazu am 31.12.13:
Grazie, ich freue mich, dass dir der Text gefällt, Abulie, und grüße dich mit den besten Wünschen für 2014 herzlich zurück.
MelodieDesWindes (36)
(31.12.13)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 31.12.13:
Gracias, ein bedenkenswertes Plädoyer für die Sprache mit ihrer Kraft der Sublimierung und Aggressionsdämpfung, MedeWi. Ich möchte gerne nur diesen Aspekt sehen. Aber ich denke, dass Sprache viele Agressionen, die sie später abbaut, vorher mit ihren Giftpfeilen geschaffen hat, sodass die Summe für mich + - 0 ausgeht. Aber auch dieses Ergebnis wird nur erreicht, wenn sich genügend Sprachmächtige bewusst für die Entgiftung entscheiden. In diesem Sinne wünsche ich dir ein kreatives 2014!
MelodieDesWindes (36) meinte dazu am 31.12.13:
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 niemand (31.12.13)
Sprache ist oft ein Ventil um Aggressionen nicht in
körperliche Totschläge ausarten zu lassen. Natürlich kann/ist Sprache eine Keule, aber man kann einen "Totschlag" durch selbige wieder gut machen, so man hierzu bereit ist. Einmal echt totgeschlagen ist jedoch für immer. Dir einen guten Rutsch wünschend, grüße ich herzlich, Irene

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 31.12.13:
Gracias. ich stimme zu, Irene. Also, was ist Sprache? Sie ist ethisch gesehen indifferent. Erst der Sprecher mit seinen Intentionen kannn sie zur Keule oder zur Wundsalbe machen.
Wer sich für die heilende Seite entscheidet, muss oft Schläge einstecken, aber er weiß das und lässt sich nicht beirren.
Komme sanft ins neue Jahr, in dem ich mich auf weiteren Austausch freue.
Herzliche Grüße
Ekki

 ViktorVanHynthersin (31.12.13)
Die Aussage, lieber Ekkehart, "Worte können Menschen schlimmer demütigen als Schläge" stimmt. Die weitaus größere Demütigung erfahren Menschen durch permanente Mißachtung ihrer Person.
Zunächst dachte ich beim Lesen Deines Gedichts an die Zustände in der Türkei. Mir kamen aber beim Thema erste Zweifel. So oder so, ich finde es gelungen.
Kommt gut ins Neue Jahr
Viktor

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 31.12.13:
Merci, Viktor, ja, sprachlose Missachtung ist vielleicht das Schlimmste. Ich habe an kein bestimmtes Land gedacht, sondern mir vorzustellen versucht, wie es sein würde, wenn die Sprache ganz fehlte.
Ich wünsch euch beiden auch einen heiteren Übergang ins neue Jahr.

 Fuchsiberlin (31.12.13)
Aber würden in einem solchen Land deren Bewohner dann nicht mehr "gezwungen" sein, Emotionen über Gestik und Mimik zu zeigen? Mehr in dem Sinne, da es vielleicht im Land der Sprechenden manchmal zu wenig der Fall ist?

Liebe Grüße
Jörg

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 31.12.13:
Ja, Jörg, das ist das Interessante an dieser Vorstellung. Die Verhältnisse würden eine äußerst differenzierte Gestik und Mimik erzwingen, mit denen man in der Lage wäre, böse und liebevolle Gedanken auszudrücken, sodass die Summe der Verhältnisse wohl nicht anders aussähe wie in einem Land mit Sprache.
Ich danke dir und wünsche dir einen zuversichtlichen Übergang ins neue Jahr.
Liebe Grüße
Ekki

 loslosch (31.12.13)
lieber ekki, dir und den deinen alles gute im neuen jahr. t.t. lo

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 31.12.13:
Das wünschen Rosi und ich dir auch, Lothar.
t.t.
Ekki

 irakulani (31.12.13)
Sowohl Zuwendung, Verständnis als auch Achtung, Respekt oder die gegenteiligen Emotionen wie Aggression oder Demütigung bedürfen nicht der Sprache, nicht der Worte. Sie können allenfalls dadurch unterstrichen werden.

Worte sind nur eine von vielen Ausdrucksmöglichkeiten um unsere Gefühle Anderen gegenüber mitzuteilen, da hast du völlig Recht, lieber Ekki. Sie bereichern unsere Möglichlkeiten, sind aber keineswegs unabdingbar.

Im Gegenteil: Mit Worten zu lügen ist viel einfacher, als durch Körpersprache, durch Gesten. Vertrauen wir besser auf die Vielfalt unserer Ausdrucksmöglichkeiten. Und die erleben wir im persönlichen Gegenüber, weniger im "Netz", denn hier müssen wir uns auf das, was uns per Sprache vermittelt wird, verlassen.

Nachdenkliche Grüße,
Ira

PS. Dir und Rosi alles Gute für das neue Jahr!

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 31.12.13:
Grazie, Ira, "Mit Worten zu lügen ist viel einfacher, als durch Körpersprache, durch Gesten."
Das ist eine neuer Aspekt in dieser Betrachtung, der unterstreicht, dass der Sprache Fluch und Segen zugleich innewohnen.
Wir sollten aber, wie du schreibst, dankbar sein, dass uns die volle Skala der Ausdrucksmöglichkeiten zur Verfügung steht und sie verantwortlich nutzen.
Nur das Beste im neuen Jahr auch für dich und Harald.
Pocahontas (54)
(01.01.14)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 01.01.14:
Sehr nachdenkliche Worte, Sigi. Nein die Menschheit wird sich nicht ändern. Aber sie wäre ganz verloren, wenn nicht eine große Zahl von Menschen immer wieder so handeln würde, als könne sie sich ändern.
Herzlichst
Ekki

 moonlighting (01.01.14)
Frohes neues Jahr 2014


LG
Moon

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 01.01.14:
Vielen Dank, euch ebenso.
MarieM (55)
(01.01.14)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 02.01.14:
Vielen Dank für die Anregung, Marie. Von solchen Inspirationen lebt ein Forum.
Herzliche Grüße
Ekki
Graeculus (69)
(03.01.14)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 03.01.14:
Vielen Dank, Graeculus, genau das ging mir vor der Formulierung durch den Kopf.
Graeculus (69) meinte dazu am 03.01.14:
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Scrag (28)
(05.01.14)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 05.01.14:
Gracias, Markus, ja, darum geht es mir: Die Welt ohne Sprache ist nicht besser. Das heißt aber nicht, dass das in Sprache verpackte Gift deswegen weniger Achtsamkeit erforderte.
LG
Ekki
Festil (59)
(09.10.16)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 09.10.16:
Gracie Festil, ich denke, dass du in der Fußgängerzone die richtige Entscheidung triffst, denn es steigert die Aggression des Agressiven, wenn man ihn länger anschaut.
Liebe Grüße
Ekki
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