Zwischen Welten

Text zum Thema Leben

von  shinai

Hier nicht. Da auch nicht. Nirgends – eigentlich. Und doch irgendwie da. Zwischen allem, wie hingespuckt. Aber nicht am Boden klebend, eher schwebend, schwerelos frei – so ist es zwischen den Welten. Allein gewiss und manchmal einsam. Aber unterwegs. Immerzu auf der Reise zwischen oben-unten, hier-dort.

Sei nicht geizig, rufen sie von der einen Seite. Sei sparsam von der anderen. Glaube hilft, sagen sie. Glaub’s bloss nicht, sagen die anderen. Sei auf der Hut; hab keine Angst. Sei gut; sei du.

Was kümmert’s den Reisenden? Er ist noch nicht angekommen, weil er nie abgereist ist. Er sitzt im Lebenszug und schaut zum Fenster raus. Die Welten rattern vorbei wie Landschaften. Manchmal einladend schön mit hübschen Wäldern und aufblitzenden Seen. Manchmal einsam leer. Wintersteppen. Manchmal alles auf einmal und nichts davon.

Die Haltestellen sind hart. Wenn man aus dem Wagon klettert und sich die Füsse vertritt. Dann kommen sie, begrüssen ihn, als wäre er nie fort gewesen. Als sei er einer der Ihren. Was er nicht ist. Weil er die andere Welt kennt. Die ihn an einer anderen Haltestelle erwartet, wo sie ihn begrüssen, als sei er nie fort gewesen. Als sei er einer der Ihren. Was er nicht ist. Weil er doch unterwegs ist. Immer auf der Reise zwischen oben-unten, hier-dort. Schwerelos. Und sie fordern ihn auf, mit ihnen zu gehen, was er nicht kann. Die Schwerelosigkeit macht die Muskeln klein, schwächt die Sehnen. Der feste Boden ist ungewohnt. Physikalisch. Wie eine Fussfessel mit Gewichten dran. Endgültig.

Zum Glück pfeift die Lok. Zum Glück geht es weiter. Niemand merkt, wie er wieder einsteigt und weiterfährt. Weil er nicht gegangen ist. Weil er nie angekommen ist. Die Weltenbewohner sind heimatschwer, träge vom Geschichten getränkten Boden. Starr, weil sie den immergleichen Fussstapfen folgen. Weil sie die Reise nicht kennen.

Ankommen wäre schön – manchmal. Schwer werden, Masse zulegen, gehen lernen. Das hat was. Aus dem Zugfenster betrachtet. Festwerden, stillstehen – das wünscht der Reisende sich oft. Aber Ankommen heisst bleiben. Den Zug ziehen lassen. Physikalisch sein. Heimat. Manchmal stellt er es sich vor. Es wäre leicht, nicht wahr? Das Bleiben. Es wäre schwer, nicht wahr? Das Ziehen lassen.

Drum bleibt er sitzen, Weltengeschichten sammelnd an den Haltestellen im hier und dort.

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Kommentare zu diesem Text


 Sternenpferd (03.01.15)
finde ich klasse geschrieben :)

grüßli
m.
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