. die Gewalttat auf der Brautschau .

Erzählung zum Thema Heimat

von  kirchheimrunner

In der Halledau ging zweiter alles seinen Gang, als wäre nichts geschehen. Über die meineidigen Lügen hatten alle ganz schön brav das Maul gehalten; - genau so wie es der Kopfhammer Franz den anderen eingebläut hatte.

So Ende September, Anfang Oktober, als auch die Kartoffelernte und der Futtermais im Silo war, wurden die Bauernburschen gamstig.
Sie hatten nichts zu tun.

Den ganzen lieben langen Sonntag hockten sie sinnlos und schwatzend in der Wirtstube von Attenkirchen herum. Es war die Zeit der Brautschau; - wie die Söhne der Großbauern sagten.

Vom schwarz verdienten Hopfengeld hatte sich der Weinzierl Schorsch ein Auto gekauft.
Einen Viersitzer. Einen Leukoplastbomber; -
Einen Lloyd Goliath mit 18 PS; - was für ein Renner!

Nach Pfaffenhofen fahren wir hinauf, zu dritt,
dort ist immer was los: Im Tanzkaffee zur Mokka - Bar; - zum Schwof; - zum Bräute aufgabeln; - „auf geht’s, Burschen!“

Sichtlich angetrunken, aber bester Laune -  fuhren die drei Hallodris nach dem Frühschoppen los: Der Weinzierl Schorsch, der Kopfhammer Franzi und der Stangassinger Hans; - aufgekratzt waren sie, wie junge Kater; - weil: a bisserl was geht immer ....

Aber heute, am 26.September 1956 war es auch in Pfaffenhofen fad. Nichts war los. Die zwei aufgetakelten Weibsbilder, die im Kaffee herumhockten hatten Ami - Zigaretten im Mundwinkel und waren auffällig und grell geschminkt; - Kriegsbemalung, wie man so schön sagt!.

So eine wie die Gassner Elli und die Margrandner Mitzi schielten scheel nach feschen und spendierfreudigen Bauernburschen.
Ihre tief geschnittenen Blusen ließen tief blicken und ihr Schlafzimmerblick versprach genau das, nach dem sich die Bauernburschen so sehr sehnten.

Aber für so ein Abenteuer, hatten sie trotz allem keine Schneid!

„Armhäuslermatratzen und Amischlampen“,
meinte der Franz abschätzig; - „für zwölfmarkfuchztig ein Geschmus´; -
des is nix für uns, da fahr’n wir lieber weiter ...
Die anderen lachten; - kicherten aus Verlegenheit; - denn so richtig was erlebt mit den Mädchen hatte noch keiner von ihnen...
Zeit aber wird's...

Das Wetter war prächtig: Goldener Oktober, so sagt man in der Halledau, wenn die Sonne im Herbst die Stoppelfelder nochmals zum glühen bringt.

Heiß war es an diesem Nachmittag, fast sommerlich schwül. An solchen Tagen sind auch die Gemüter aufgeheizt, besonders die von jungen übermütigen Bauernburschen.

Dem Weinzierl Schorsch, stach als erster das Plakat in die Augen, das an die Anschlagtafel vor dem Pfaffenhofner Gemeindehaus geklebt war:

O´zapft ist
beim Erntedankfest
der Klosterbrauerei Scheyern
bei schönem Wetter
Blasmusik im Klosterhof.
Es spielen auf:
Die Moosburger Tanzbodenmusi

„Burschen, da müss´ma hin, da geht was z’amm;
und wenn’s bloß a anständige Rauferei ist!“

Eine halbe Stunde später tuckerte der Lloyd mit den abenteuerlustigen Bauernburschen bergauf, - bergab die kurvige Landstraße nach Scheyern hoch.

Dort oben auf dem Klosterberg thronten sei Jahrhunderten feierlich weiß und mächtig die beiden Türme der Münsterkirche über der verträumten Bauernlandschaft.

Vom Tal der Ilm aus, stieg Abendnebel hoch.
Die Felder waren braun und aufgebrochen, umgepflügt für die Aussaat der Wintergerste. Das letzte Fuder Heu war längst in den Scheunen. Die Hopfengärten lagen brach und vergessen hinter den zahlreichen Dörfern und Einödhöfen. Rote Ziegeldächer brannten im Abendlicht.

Zünftig war es schon beim Erntedankfest.
Die Stimmung war lustig und ausgelassen.
Die Blaskapelle spielte auf, der Tanzboden war überfüllt von jungen Paaren die sich näherkommen wollten.

Das war gerade das Richtige für unsere drei Haderlumpen.

„Daher, Fräulein, setz dich zu uns her“,
forderte der Stangassinger Hans die jungen Bedienungen auf, die dutzende von Maßkrügen daher schleppten, damit der würzige Gerstensaft durch die durstigen Kehlen der Gäste rinnen konnte.

Die Lehrmädchen der weiterführenden, klösterlichen Land- und Hauswirtschaftsschule hatten den hungrigen Gästen aufzuwarten.
Die Marie war im 1. Ausbildungsjahr.
Hauswirtschaftsmeisterin und Diätköchin sollte sie werden.

Glücklich war sie in Scheyern aber nicht;
sie war traurig, hatte Heimweh und furchtbaren Liebeskummer. Seit fast 4 Wochen hatte sie von ihrem lieben Lenz nichts mehr gehört; - außer das Getratsche von seiner Verhaftung in Freising.
Von Diebstahl und Raub. Sie konnte das alles gar nicht glauben.

Zuerst bemerkte gar nicht, dass sich ihr Bruder und seine Saufbrüder unter den Gästen befanden.

Überhaupt hatte sie keinen Blick für die feschen Burschen, und keine Lust zum Scherzen und  Anbandeln. Immer wieder wischte sie sich mit der Schürze verschämte Tränen aus den Augen.

Der Kopfhammer Franz - Xaver hatte sie aber gleich wieder erkannt. Auf die Gelegenheit hatte er lange gewartet. Mit ihr hatte er noch eine Rechnung zu begleichen;- teuer würde es ihr zu stehen kommen, dass sie ihm beim Hopfenfest in Willertshausen einfach stehen gelassen hatte; - wegen dem Küblböck Lenz.

„Ja da schau her, mein lieber Schorsch!
Wer meinst,  macht da den Gästen schöne Augen? Die Marie, deine Schwester!“

Und ich dachte, dein Vater hat die falsche Schmusekatz’ nach Scheyern geschickt, damit sie das Sünden fürchten lernt?

Der Franz hatte so laut gespottet, dass sich alle Köpfe nach ihnen umdrehten.

„Schrei net so laut herum du besoffenes Wagscheitl, du, sonst zerreißen sich wieder alle Leute über uns das Maul; - und dann geht das Theater mit meinem alten Vater wieder los.
Seit der G’schicht mit meiner Schwester und dem Kübelböck Lenz, geht er sowieso nicht mehr aus dem Haus und versinkt aus Scham mindestens dreimal am Tag im Boden.“

Der Stangassinger Hansi versuchte die Gemüter zu beruhigen:
„Na, den Ehrabschneider und Häuselschleicher sind wir für eine Zeit lang los, der schnauft erst mal gesiebte Luft und klebt Tüten bis er schwarz wird.“

Aber für Beschwichtigungen war es schon zu spät.
Zwischen Freising und Wolnzach gab es keinen Bauernhof und kein Pfarrfest, auf dem man sich nicht genüsslich und voller Schadenfreude über die Weinzierls das Maul zerrissen hat. Darum spitzten die Bauersleut’ und die anderen Zecher im Bierzelt ihre Ohren und stießen sich gegenseitig mit den Ellbogen in die Rippen.

„Habt ihr’s gehört? So eine Schande aber auch.
Gibt’s vielleicht was Neues in derer G’schicht?

„No ja,“ kicherte der alte Kreitmayr aus Pfettrach, der dabei war als man den Lenz am Bildstöckl von Sillertshausen gefunden hatte:
„Kehrt’s doch erst einmal vor eurer eigenen Haustüre, ihr Pharisäer ihr leibhaftigen, bevor ihr andere Leut’ an den Pranger stellt’s:

Wie heißt es doch so schön:

„Heiliger Sankt Florian,
verschon unser Haus,
zünd andre an.“

Das Getuschel und Gerede war jetzt nicht mehr aufzuhalten. Auch die Winzierlmarie merkte, dass hinter ihrem Rücken über sie getratscht wurde.
Mit dem Finger zeigte man auf das Mädchen
Die alten Bauern steckten ihre Köpfe zusammen, die scheinheiligen Dienstmägde tuschelten zweideutig und frech.

Sie würde diesem Spott ein Ende machen:
Und zwar jetzt gleich:

Plötzlich stand die Marie mit zornroten Kopf hinter ihrem Bruder und seinen Spezis und knallte drei Maß auf den Tisch.

„Trink’s euer Bier, und dann schaugt’s, dass ihr weiter kommt’s. Macht’s bloß keinen Stunk hier.“

Aber grad, als sie sich weg drehen wollte, packte sie der Stangassinger Hans beim Kittel.

„Der Franz will mit dir reden, der hat dir was zu sagen, also, spiel’ jetzt nicht die unschuldige Ursula.“

Aber mit der Marie war heute nicht gut Kirchen essen! „Wenn ihr reden wollt,  bittschön, meinetwegen; -  in fünf Minuten hinter dem Bierzelt; - aber macht euch auf etwas gefasst:
ich hab euch auch was zu sagen; ihr meineidigen Brüder, ihr!“

Dunkle, schwarze Wolken zogen vom Westen auf. Ein Unwetter braute sich zusammen. Gedämpft drang die Blasmusik nach draußen,
zuerst der bayerische Defiliermarsch, dann ein Landler und ein Zwiefacher spielte auf zum Tanz.

Der Franz hatte gar keine Lust zum Reden,
er wollte etwas ganz anderes von der Marie.
Er wollte sie anfassen!

Ihr Bruder, der Schorsch war verschwunden; -
auf dem Pissoir, nur für ein paar Augenblicke.

Länger dauerte die Schandtat auch gar nicht.

Hinter dem Bierzelt bei den Fässern auf einem Biertisch war es passiert! Zeugen gab es keine,
und die, die vorbei kamen, genierten sich und schauten weg.

„Zier dich nicht so du Schickse, du hinterkünftige;-  hast dich beim Lenz auch so kratzbürstig aufgeführt?

Auf den Jammerlappen brauchst nicht zu warten, weil, - wenn der aus dem Knast raus kommt, traut sich der Verbrecher nicht mehr in die Halledau zurück, dafür sorgen wir schon; - der geht zur Fremdenlegion, des hat auch sein Vater g’sagt!

Und jetzt mach mit, du Zwiderwurzen, - du tust es doch net das erste Mal - oder magst es grad a bisserl grob?“ „Komm her du Hopfenzupfenschlampe.“

Kaum fünf Minuten später, war alles vorbei.
Das Mädchen wehrte sich verzweifelt,
kratzte, stieß mit den Beinen zu.
Aber es nutzte nichts!
Der Stangassinger Hansi, packte ihre Arme und drehte sie auf den Rücken; - der Kopfhammer Franz hielt der Marie den Mund zu, dann tat er ihr Gewalt an. Er nahm sie sich! Und es ging sehr schnell ...

Beschämt wischte er sich nachher das Gesicht ab,
es war blutig gekratzt, und knöpfte sich die Hose zu. „Sapparament noch einmal. Halt bloß das Maul, Hansi!

Des Weibsbild war noch Jungfrau, die hat nichts mit dem Lenz gehabt, gar nichts! Wenn das einer von den Weinzierls erfährt, erschlagen die uns!“

Marie aber lief heulend davon, weg, hinauf auf ihre Kammer in der Klosterschule.

Als die drei Burschen nach Attenkirchen zurückfuhren regnete es schon in Strömen.
Keiner redete eine Silbe. Ahnte der Weinzierl Schorsch, was passiert war? Kein Sterbenswörtchen seines Verdachts kam jemals über seine Lippen!

Freude blieben die drei trotzdem.

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