Vom Schreiben und Reden

Erörterung zum Thema Schreiben

von  loslosch

M. Tullius stilum optimum effectorem ac magistrum dicenci vocat (Qintilian, 35 n. Chr. bis ~96 n. Chr.; De institutione oratoria). M. Tullius (Cicero?) nennt die Schreibübung die beste Quelle und Lehrmeisterin der Beredsamkeit.

Quintilian war kein sonderlich schöpferischer Geist. Ob er sich nun auf den berühmten Rhetor Marcus Tullius Cicero bezieht oder einen anderen Tullius, in einer ausdifferenzierten Gesellschaft hat dieser Gedanke keine Gültigkeit mehr. Welcher Redenschreiber eines Staatsmannes der Moderne wurde später ein mitreißender Redner? Den Weg Richtung Macht und Einfluss gehen Bürovorsteher des Chefs oder persönliche Referenten. Sie entwickeln früh ein affines Denken in den festen Koordinaten ihres Vordenkers.

Schreiben ist in der Tat eine besondere Kunst, die durch Training geformt und perfektioniert werden kann. Von einer ausgefeilten Rede profitiert aber nur jener Redner, der nicht am Konzept klebt, wie das abschreckende Beispiel des weiland demenzkranken Bundespräsidenten Lübke zeigt. Ob Barack Obama ein guter Redenschreiber war (oder ein solcher hätte werden können), ist eher zweifelhaft. Ein brillanter Redner aber ist er unbestritten. Mag er seine wichtigen Reden, gestützt auf Berater, memorieren und präparieren, er ist und bleibt ein Meister der äußerlich freien Rede ohne Teleprompter, immer erfolgreich mit der Devise: Nicht am Konzept kleben, sich von der Resonanz (inklusive Gestik und Mimik) im Auditorium tragen und beflügeln lassen. - Noch einmal: Schreiben und Reden sind zwei Paar Stiefel.

Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Kommentare zu diesem Text


 TrekanBelluvitsh (22.01.14)
"Sehr cheehrte Damen und Herren, liebe Neger" - hey, auch darauf muss man erst einmal kommen!

Aber eigentlich ist es ganz einfach: Es kommt eben auf die Betonung an!

 loslosch meinte dazu am 22.01.14:
weitab vom thema, aber ich nehm den ball gern auf: im TGV zwei fahrgäste. gast1 sortiert sich zum aussteigen: che skerche mon skapeau. gast2: kommen Sie auch aus meskede? gast1: nein, aus lüdenskeid.

 EkkehartMittelberg (22.01.14)
Es gibt geborene Redner ung gute Schreiber, die jedoch, wenn sie den Mund aufmachen kläglich versagen.
Aber einige sind auf beiden Feldern gleich gut, zum Beispiel Gaius Julius Caesar oder Marcus Tullius Cicero. Bei solchen Talenten befruchten sich Schreiben und Reden wechselseitig, und keine der beiden Künste hat die Priorität.

 loslosch antwortete darauf am 22.01.14:
fast verhält es sich wie mit sprintern (rednern) und maraton-läufern (schreibern). cicero ist wohl ein ausnahmetalent. ebenso demosthenes im athen des 4. jhs. v. chr. caesar war kein guter, sondern schlichter schreiber: geringer wortschatz, einfacher satzbau. wir durften ihn schon in der quarta (mit 12/13 jahren) holpernd lesen. außerdem war er ein aufschneider. im de bello gallico rühmte er sich wahrer blutbäder. da wurden mehr germanen als zahlenmäßig vorhanden niedergemetzelt.

 EkkehartMittelberg schrieb daraufhin am 22.01.14:
Da muss ich energisch widersprechen, Lothar. Zugegeben, Caesar als Schullektüre ist und bleibt ein leidiges Kapitel. Aber "De bello Gallico " und "De be bello civili" sind glänzende Rechtfertigungschriften, in denen sich Caesar mit dem Wortschatz begnügt, der zweckdienlich ist.
Einer der besten Kenner der römischen Antike, Hans Dieter Stöver, nennt ihn einen "brillanten Schriftsteller" (Die Römer: Taktiker der Macht, Econ-Verlag: Düsseldorf, 2. Auflage 1976, S. 340 ff)

 loslosch äußerte darauf am 22.01.14:
dann war adenauer auch ein brillanter schriftsteller. er hat 2 memoirenbände verfasst, beim schreiben des 2. bandes verstarb er. adenauer benutzte pro tag einen wortschatz von 900 wörtern.

ich bitte jetzt graeculus um ein "fachgutachten".

 loslosch ergänzte dazu am 22.01.14:
de bello gallico ist stilistisch dünn. aber caesar konnte auch anders:

"In einem deutlichen Understatement seiner Redekunst bat der Diktator (also Caesar) darin, seine grobe, soldatische Ausdrucksweise nicht kritisch mit der bezaubernden Sprache eines begnadeten Redners zu vergleichen." caesars ironie gegenüber cicero. laut wiki, basierend auf plutarch.

schade, dass wir de bello lesen mussten, ohne sinn und verstand.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 22.01.14:
Hiltbrunner (Kleines Lexikon der Antike, Francke Verlag Bern und München) schreibt über Caesars Stil: "C's Stil ist von unübertrefflicher Klarheit des Ausdrucks, die Darstellung so geschickt, dass seine Maßnahmen immer ganz natürlich, folgerichtig und berechtigt erscheinen. Es wirkt hier jene innere Überzeugungskraft des souveränen Geistes fort, die auch dem Lebenden die Herzen gewann."
Graeculus (69)
(22.01.14)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 loslosch meinte dazu am 22.01.14:
ja, ein faktor. kannst du mal im thread weiter oben bitte stellung nehmen zu caesars qualität als schriftsteller? bei EkkehartMittelberg. (ob ich meine bitte bitter bereuen muss?)
(Antwort korrigiert am 22.01.2014)
Graeculus (69) meinte dazu am 22.01.14:
Diese Antwort ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 loslosch meinte dazu am 22.01.14:
er, caesar, hatte mehr bandbreite, als de bello vermuten lässt. der haudegen hat ja mit seinem knappen schreibstil politik gemacht. er konnte auch anders, soll sogar liebesgedichte geschrieben haben!

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 22.01.14:
@Graeculus: Ich teile deinen Eindruck von Caesar als Schullektüre. Aber er war ein hervorragender Stilist.
Siehe oben Hans Dieter Stöver und neu hinzugefügt: Hiltbrunner.
LottaManguetti (59)
(22.01.14)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 loslosch meinte dazu am 22.01.14:
was sind denn das für (fall-)stricke? troff ihm das wasser aus allen poren?
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram