Au revoir, J. C.

Kurzprosa zum Thema Wissenschaft

von  RainerMScholz

Jacques Cousteau fährt über die Meere, auf seiner weißen Yacht, mit seinen Sauerstoffflaschen und Taucherbrillen, in Begleitung devoter und eloquenter Meeresbiologieassistenten und Hilfswissenschaftler und den zahlreichen Kameraleuten und deren Ausrüstung. Die Sonne scheint. Das Meer ist blau. Der Schiffskoch kocht Meereszunge. Alle essen in der engen Kombüse. Und lachen. Weil es so eng ist. Der asiatisch aussehende Schiffskoch lacht auch. Er hat eine beschmutzte Schürze an. Mit seiner runden Brille schaut Jacques Cousteau in die Kamera und gibt irgendetwas Wissenschaftliches zum Besten. Er ist braungebrannt, drahtig, sehnig, eher klein von Statur. Er rennt an Deck, schnallt sich seine Froschmannmaske um und springt mit den anderen Flossentauchern über die Reling. Ins blaue Meer. Da sind Delphine. Die scheinen immer da zu sein. Und Fische und bunte Korallen. Cousteau macht unter Wasser das Zeichen, dass alles in Ordnung ist. In die Kamera. Die Sonne scheint. Unter Wasser. Muränen, Seeigel und Clownfische verstecken sich unter Fels- und Korallenvorsprüngen. Ein Seeigel wird mit einem riesigen gezackten Messer lebendig aufgeschnitten. Kleine Fische kommen aus allen Winkeln angeschwommen, um den Seeigel zu verputzen. Jacques Cousteau macht das Zeichen, dass alles in Ordnung sei. Wie ein kleines Arschloch mit den Fingern geformt. In die Kamera. Haie ziehen ihre Kreise. Jacques Cousteau hat eine Harpune. Damit wird der Hai harpuniert. Der schwimmt zuckend und im Todestanz fort ins unendliche trübe Blau. Die Sonne scheint. Jacques Cousteau macht das Zeichen in die Kamera. Alles in Ordnung. Einstellungswechsel. Jacques Cousteau will am Korallenriff Fische zählen. Warum? Keine Ahnung. Cousteau erklärt etwas Wissenschaftliches in die Kamera und gibt seinen Assistenten Anweisungen. Seine Assistenten fangen im seichten Wasser an Fische zu zählen. Eins, zwei, drei, vier, fünf... Ein Hilfswissenschaftler hat eine Kladde in der Hand und macht kleine Häkchen. Das findet Jacques Cousteau nicht gut. Zu wenig eloquent, erklärt er in die Kamera. Dann erklärt er es noch einmal seinen Assistenten und Hilfswissenschaftlern. Er gestikuliert. In die Kamera. Mit der kleinen Brille in der Fresse. Jacques Cousteau schickt seine Hiwis los, um Dynamit zu kaufen. Er hat eine Idee. Jacques Cousteau sprengt den Meeresboden. Die Kamera filmt den sich abrupt hebenden Meeresspiegel und die exaltierte Fontäne. Vor dem blauen Himmel. Jede Menge tote Fische schwimmen jetzt im Wasser. J. C. schickt seine Hiwis los zum Fischezählen. Und Artenbestimmen. Was von der Art noch übrig ist eben. Bunte Stücke von etwas Undefinierbarem werden an den Strand gespült. J. C. weiß jetzt, wieviele Fische um das Korallenriff geschwommen sind. Alle gehen wieder an Bord. Die weiße Yacht fährt weiter. Die Sonne scheint. J. C. ist braungebraunt. J. C. verschwindet auf seiner Yacht am Horizont.
Der Kameramann bleibt vergessen am Strand zurück. Jahre später werden sie seine Leiche finden.


© Rainer M. Scholz

Möchtest Du einen Kommentar abgeben?
Diesen Text kommentieren

Kommentare zu diesem Text

mannemvorne (58)
(30.01.14)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.
Möchtest Du einen Kommentar abgeben?
Diesen Text kommentieren
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram