Vom Warten

Text zum Thema Warten

von  larala

Als ich klein war, wohnte ich in einer Stadt.
Die Stadt hatte einen Park und in diesen Park
kam Jahr für Jahr
für einen Tag

ein Karussell.

"Wann kommt das Karussell?"
fragte ich meinen Vater;
meine Mutter ging nie mit mir in den Park.

„Im Sommer“, erwiderte er.
Oder: „Das dauert noch“.
Oder: „Ganz bald“,
und dann gab es den Abend,
diesen samtenen Abend an dem er plötzlich sprach:
„Morgen, morgen kommt das Karussell.“

Ich war vier als wir an diesem großen Tag,
diesem großartigen Tag gemeinsam zum Park gingen
(er ging, ich rannte)
und an der Wiese ankamen,
der Karussellwiese,
und da ein weißes Pferd lag

und zwei Männer damit beschäftigt waren,
auch den Rest
schweigend abzubauen.

Ich erinnere mich noch,
dass ich nicht traurig war.
Und an die Hand meines Vaters.

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Kommentare zu diesem Text

ues (34)
(02.02.14)
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 larala meinte dazu am 02.02.14:
Ja, das hätte so sein können.
Ich glaube, die Vierjährige hatte entdeckt, dass im Warten etwas Magisches wohnt, etwas Wertvolles. Eine Karussellfahrt dagegen war so schnell vorbei.
Danke fürs Mitgehen in den Park und liebe Nachtgrüße zurück!
ues (34) antwortete darauf am 02.02.14:
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 larala schrieb daraufhin am 02.02.14:
Manchmal möchte ich wieder vier sein. ;)
ues (34) äußerte darauf am 02.02.14:
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 susidie (02.02.14)
Wunderbar in und zwischen den Zeilen zu lesen ist diese Vorfreude, die einem die Tage versüsst. Oft mehr, als das Ereignis als solches, was so schnell vergeht. Das Warten hat einen besonderen Zauber.
Aber auch den Kommi von Ues kann ich gut nachvollziehen. Die Priorität des Kindes an der Hand des Vaters diesen Tag zu verbringen (meine Mutter ging nie mit mir in den Park). Das Karussell als Auslöser aber nicht als Hauptgrund.
Alles in Allem ein sehr gelungener Text, den ich mit Kinderaugen wieder und wieder las.
Und immer - schön, von dir zu lesen.
Lieben Gruß von Su :)

 TassoTuwas (02.02.14)
Der Weg in die Welt des Erwachsenwerdens beginnt ohne dass es uns bewußt wird.
Du erzählst diesen ersten sachten Schritt, gekonnt und, es ist zu spüren, voller Dankbarkeit und Liebe.
Herzliche Grüße TT

 Isaban (05.02.14)
Ein Bild von der Sehnsucht und davon, dass die Erfüllung manchmal nicht das Wichtigste ist, sondern das Bewusstsein, dass da etwas war, nach dem man sich sehnen und auf das man warten wollte/durfte/ auf das man sich freuen konnte.

Liebe Grüße

Sabine

 Theseusel ergänzte dazu am 29.05.14:
Hm...die Hand des Vaters kann auch zügeln.

 Irma (23.01.15)
Für das Kind war es gar nicht so schlimm. Aber mir treibt das immer die Tränen in die Augen, wenn ich weiß, mein Kind hat sich so sehr auf etwas gefreut, was ich ihm versprochen habe und was dann doch nicht in Erfüllung ging!

Irgendwie möchte man seinem Kind das verhießende Glück erfüllen, am liebsten das Karusell mit den eigenen Händen wieder aufbauen, wenn auch nur für eine einzige Runde.

Aber anscheinend er-warten Kinder so etwas gar nicht von uns Eltern. Die gute Absicht ist das, was zählt. LG Irma
(Kommentar korrigiert am 23.01.2015)
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