Flucht

Kurzprosa zum Thema Tod

von  Regina

Dieser Text gehört zum Projekt    Texte vom Tod.
Dann kroch ich aus dem Keller und wandte mich nach links, wo viele rannten. Überall lagen Haufen von Steinen. Nun befand ich mich in der Gruppe der Rennenden. Hinter uns hörte ich Metall klirren und ab und zu pfiff eine Kugel zischend durch die Luft. Manche der Flüchtenden stürzten, fielen der Länge nach hin und blieben liegen, die anderen stolperten über sie und eilten doch weiter. Der Schnee knirschte unter den Sohlen der Stiefel.
Plötzlich fühlte ich einen Schlag im Rücken und einen Schock, als ob ein Gegenstand in meinen Körper eindringen würde. Da fiel auch ich hin. Aber ich schlüpfte aus meiner Hülle und lief weiter. Weiter, immer weiter. Vorne in der Ferne sah ich einen Schlagbaum, neben mir waren andere Gestalten, die in Richtung dieser Grenze eilten, wo vier Uniformierte vor einer Schranke standen. Sie hatten lange, doppelreihig geknöpfte Militärmäntel an, die durch breite Gürtel in der Taille zusammengehalten wurden und Schirmmützen auf den Köpfen. Irgendwo musste ein Scheinwerfer sein, der hin und wieder angeschaltet wurde. Dann lag die Szene im glänzenden, blendend-weißen Licht, die Schranke wurde geöffnet und die Soldaten deuteten durch Handzeichen an, dass ein paar von uns passieren dürften. Andere mussten umkehren. Alle waren wie ich in dunkle Decken, Tücher und Kapuzenmäntel gehüllt.
Nun fiel mir auf, dass ich die Kälte nicht spürte, obwohl doch um mich herum weit und breit Schnee und Eis zu sehen war.  Auch hörte ich den Schnee nicht mehr unter den Stiefelsohlen knirschen. Die Gestalt neben mir hatte ihre Kapuze tief ins Gesicht gezogen, schien aber keine Augen zu haben, obwohl sie sich wie alle anderen nach vorne der Grenze zuwandte. Nun sah ich an mir herunter und stellte fest, dass ich keine Beine mehr hatte. Nicht nur das, keinen Körper. Gewissermaßen war ich nur noch der schwarze Mantel, den ich bei der Flucht getragen hatte. Was war passiert? Und was würde geschehen, wenn ich über diese Grenze im weißen Licht hinüberschreiten würde.  Mein Land lag hinter mir, im Schutt, von Kämpfen verwüstet. Was würde mich drüben erwarten?

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