Eleos

Text

von  Akzidenz

[..] Der Himmel ist der Erden Tod!
Alles Erkennen ist es! Grenze und Haupt! Und kein Haupte seines Heiles froh, dessen Sterben es nicht gibt; denn dies Leben wird hinter sich, was es schon vor der Geburt war, und es müsste ein ganzes und ein selbes immer ewig sein und bleiben, ob in des Johannes Offenbarungen oder güldenes Zeitalter, wie lang es kein Vergehen gegen die Schönheit gibt, als Spiegel.
Gedenke bei Zeiten Deines Heils, wolange der Schmerze es nicht zwingt.
Und besinn Dich des Schmerzes, der Dir nicht zu Leide tut - nichts entfaltet der Tod, bis auf das Leben.



Ich verkenne die Gebrochenen; noch halte Ich keinen Götzendienste zur ewigen, persönlichen Verdammnis! Denn der verdammt sein will, aus dem klagt erst die Versessenheit - gleich einem Gotte vollendet - mit allem im Gebet zu stehen.
Der Gebrochene horcht, der zeit seines Lebens von der Spitze und der Höhe aller ersten großen Leiden wehte: stets Erleiden des Lebens, ein Drohen und Schicksal - jeder Hügel, der ihn hebt, ist ihm Vollstreckung. Verschicksalung: es wird viel Reihenfolge und Drange, ja ein stetes Dornengewächse darin stecken, derart alleingläuberisch zu sein, das ganze Hinarten der Mitwelt zur eignen Beschädigung entwertet sein zu lassen und auch am Schmerz noch einer Lust zu eilen, die nur des Lebens süßer Atem gibt.

Und Erlösung, spricht ihm das Dasein, durch Vernichtung aller Existenz. 
Ohnehin ist es die Länge eines allzu langmütigen Daseins gegenüber eines kurzen, welches die vorwichtige Prämaturiat jugendlicher Suderanten dem Tattergreise gegenüberwirft: die Jugend ist erste, große Erschütterung des Lebens, ein ganzes Possenspiele scheuer Schatten und gequälter Lichter, ein ganzes Freisein, Zu-Frei-Sein zum Tragischen und Interessanten, der sich mit Flammen brüstet, wenn er brennt, der, wie eine Prahlerei der Tränen, wohl mit dem Anwurf kongruiert, dass das menschliche Drama nimmer von erschöpften Menschen auf die Bühnen getragen werden konnte. Was willst Du, Leben? Leichenzähler musst Du sein, wenn das Fest der Armen vorüber ist; nicht wähnend, noch sehend, wie sehr erbärmlich doch der ganze Schmerz ist: der kaudinische Krieger, von Lanzen gestreckt, vollblutbadend sich des letzten Hiebes mit dem Dolche bemühend: das geschieht jenen, deren glühendes Gemüte schließlich auf den Brandstifter getroffen ist: je länger seine Flammen in der Verbissenheit der Stille lodern, umso wunder ihre roten Kohlen und der ersten Funken stets vergehend: unsichtbar wird solche Seele, wenn sie mit sich selber ringt. Doch jene, die Tragödien schreiben, einem Reiter gleich, stolz: an einer Lichtung zur Bataille stehend, mit Flaggen aufwartend und in Golde gerüstet, das nächste Strategem sich in silberner Geduld erlaubend.


Dies will Ich dem Malisten sagen, denn es bedarf einer hohen, aber hochnäsigen Lust dazu, sich in Abgründe zu verlieben; ja eine Härte wird es sein, und Rinde, wenn nicht der Tod die letzten Würden fortträgt, sondern das Leid- und Leibhaftigerwerden aller Lustbarkeit zum Tode selbst. Siehe die an, denen das Leben schweift und harmlos ist: ihre Würde wird alle Härte mit dem Tod und alles Schwache mit Verschonung verlieren. Rinde seid ihr: die, deren Empfinden gleich immer stärkeren Erschütterungen ausgesetzt sein muss! Je freier ihr seid, desto wahlloser wurdet ihr und des Überflusses vergesslich!

Eines scheinet auch der festesten Impetuosität, der geradezu schwangersten Stürme nicht über das eigene Leiden hinaus zu verhelfen, wofern die Stimmungen zum Schicksal einst leis genug mit ihm geflüstert haben: wo wir die Wohltaten, die wir anderen erweisen, ebenso langsam zu vergessen pflegen, als die uns erwiesenen schnell, dort tarnt auch sich das Übel, welches wir andern tun und es geradeso rasch zu vergessen lernen als die uns zugefügten nachtragend langsam. Für die uns zugefügten Übel ist ihr Gelingen ein Schmerz: der Schmerze die Verneigung vor der Liebe gegen sich selbst. Noch ist er: ein Kampf der Würde - in die Höhe eines Grolles gestiegen, verschwindend in der Welt. Er steht in jener Muße zur Vollstreckung, wiebald sich kummervollen Momentes uns die wohl hinrichtbarsten Gäste in die Hände legen lassen, wie das Ungestraftsein lauter Massen vor dem Scharfrichter am Schafott!

Wut ist schonend, sage Ich euch, wenn die Reue finster wird!
(Das Gegenteil der Begierde - ist die Scham.)

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Kommentare zu diesem Text

LottaManguetti (59)
(06.04.14)
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 loslosch meinte dazu am 06.04.14:
ich denke, hier schreibt einer über den schmerz, der ständig an ihm leidet.
LottaManguetti (59) antwortete darauf am 06.04.14:
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 Georg Maria Wilke schrieb daraufhin am 08.04.14:
Sprache will immer wieder erobert werden - ob "alt" oder "neu" - sie sollte eine Herausforderung für den Leser sein wie jegliche andere Form der Kunst, ansonsten bräuchten wir nur Sprachschablonen und eine Einheitssprache. Ebenso kann jeder Inhalt in die unterschiedlichsten Sprachebenen transponiert werden und so eine Erweiterung des gewöhnlichen und artifizierten Sprachverständnisses sein.
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