Ab in den Freitag Schafe scheren - Die Raddatz´sche Verkommenheit des Literaturbetriebs und die protestantische Revolution der Internetliteraturforen

Essay zum Thema Literatur

von  toltec-head

Vor kurzem stieß ich auf die Online-Ausgabe der Zeitschrift "der Freitag". Deren Geschäftsmodell besteht darin, dass echte Journalisten Möchtegernjournalisten gegen Entgelt helfen, sich als Journalisten zu präsentieren. Das liest sich beispielsweise so: "Post-Kolonialistische Aspekte des Völkermords in Ruanda" von Lieschen Müller unter Mitarbeit des Freitag-Redaktionsteams. Genannt mit Namen wird wohlgemerkt nur Lieschen Müller und niemand des Redaktionsteams, das das Geschreibs der Frau aufgehübscht hat. Schließlich ist es Lieschen Müller, die zahlt, es sind die Profis, die bezahlt werden, und da als Autor genannt zu werden ein Gut ist, wäre es unverständlich, wenn die Bezahlten und nicht die Zahlenden groß in der Titelspalte ständen. Anfang der 70er mag es ja noch vielleicht Zahnärzte gegeben haben, die blöd genug waren, nicht nur ohne dafür bezahlt zu werden, mehrseitige Zeit-Dossiers von Frau Gräfin Dönhoff zu irgendwelchen Genoziden in Afrika zu lesen, sondern die dafür wahrhaft auch noch brav ihre 3 DM Fuffi jeden Donnerstag blechten. Heute weiß doch jede Lieschen Müller: Wenn schon Genozid in Ruanda, dann doch bitte mit mir selbst als Autorin. Und ist vielleicht sogar bereit, für ein Upgrade zur Qualitätsjournalistin das Doppelte zu zahlen. Allerdings fragt sich, wer so etwas dann liest? Genau, es lesen das die Leute, die in der selben Online-Ausgabe auch als Autoren gelesen, kommentiert, zumindest geklickt werden wollen und die wissen, dass das Doppelte von 3 DM Fuffi dafür noch nicht ausreicht, sondern man dafür selbst lesen, kommentieren und klicken muss. So weit also zum Geschäftsmodell von "der Freitag". 

Jetzt zu Raddatz und dessen ständigen Lamenti über die Verkommenheit des Literaturbetriebs. Vielleicht ließe sich ja Abhilfe durch ein neues Geschäftsmodell schaffen. Balzac, der mitnichten ein Zeitgenosse des heute doch etwas angekitschten Rodins war, sondern der noch der  männlicheren Epoche der Französischen Revolution entstammte, schreibt irgendwo, dass man die Leute in nicht zu ferner Zukunft dafür bezahlen müsse, richtige Literatur zu lesen. Tatsächlich ist heute ein Zustand erreicht, wo man sich fragt, wie es jemals sein konnte, dass sogenannte echte Autoren sich in quasi apostolischer Sukzession stehend präsentieren konnten und hierfür auch noch bezahlt wurden. Echte Autoren helfen Möchtegernautoren, sich als Autoren zu präsentieren, natürlich gegen Bezahlung - wäre das nicht ein neues Geschäftsmodell für die Zukunft? Schließlich weiß man doch nicht erst seit gestern, dass Lieschen Müller nicht nur was Genozide in Afrika, sondern auch was Oden angeht, unmittelbar zu Gott steht. Wenn in einer katholischen Kirche eine absolute Nullnummer wie Rolf Hochhuth, der in dem von Raddatz beschriebenen Jahrmarkt der Eitelkeiten eine der Hauptfiguren spielt, Priester werden kann, warum dann nicht auch ich, das Lieschen? Das ist doch eine vollkommen berechtigte Frage. Jeder sein eigener Hochhuth, diese Konzeption einer neuartigen Literaturhölle, lässt die Prophezeiung eines Balzacs - eine Gesellschaft wo große Literatur, wenn auch gegen Bezahlung, noch an Universitäten gepflegt würde, wäre doch gar nicht so übel - als eitles Wunschdenken erscheinen. Balzac hatte eben als Feindbild nur den französischen Bourgeois im Kopf, umnebelt von den Ereignissen der Französischen Revolution konnte er sich die vielen deutschen Protestanten und  deutschen Protestantinnen als wahrhafte Gräuel der Neuzeit nicht klar machen. Wenn jeder so wie zu Gott unmittelbar zur Literatur steht und also das Recht hat, kleine Brötchen zu backen - und man liest ja die Tagebücher von Raddatz gerade deswegen mit Genuss, weil sie zeigen, dass genau dies bereits derzeit in der sogenannten richtigen Literatur geschieht-, dann gilt jeder, der mit dem Gestus des Großbrötchenbäckers auftritt, automatisch als ein Verbrecher oder noch schlimmer als so etwas lächerliches wie ein Tebartz van Elst. Was Sie wollen Bischof sein, mein Herr? Ab in den Freitag Schafe scheren!

Werte Frau Sibylle Lewitscharoff, zur Strafe für Ihre Dresdener Rede werden Sie ab heute ohne in der Titelspalte als Autorin genannt zu werden unserem lucien mit ein wenig magischem Realismus nachhelfen! Ich gratuliere zu ihrem gestrigen Geburtstag.

Durs Grünbein - immer für ein Kreuzworträtsel mit klassischem Bildungsballast gut -, könnten Sie nicht unserem ollen lo ein wenig auf die Sprünge helfen?

Wirklichkeitszertrümmerer Daniel Kehlmann, darf ich vorstellen: ParkfüralteProfs. Zetrümmern Sie Mal!

Biedermann und die Handys Martin Mosebach, ich verbinde: Ekkhard Mittelberg. Eh voila! Wenn das mal nicht eine gnostische Messe wird.

Das große Los aber haben Sie, Frau Ulla Hahn, gezogen! Sie werden ab sofort bis an ihr Lebensende den vielen tausend Menstruationslyrikerinnen in allen Internetliteraturforen dieser Welt den letzten Schliff verpassen. Als Strafe für Ihre Gedichte?  Ach was, dieselben dürfen Sie zur Belohnung dann, wenn auch im Dichterinnen-Chor, in einem Fußballstadion in Ruanda protestantischen Negern vortragen. Und Zubin Mehta spielt dazu Mahlers Zweite. Quel bonheur!

Möchtest Du einen Kommentar abgeben?
Diesen Text kommentieren

Kommentare zu diesem Text

lucien (26)
(17.04.14)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 toltec-head meinte dazu am 17.04.14:
Aber auch magisch?
lucien (26) antwortete darauf am 17.04.14:
Diese Antwort ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 toltec-head schrieb daraufhin am 17.04.14:
Da muss dann aber schon eine Cindy Sherman dran!
lucien (26) äußerte darauf am 17.04.14:
Diese Antwort ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 toltec-head ergänzte dazu am 17.04.14:
Krass. Wikipedia-Eintrag über die Gute gibt´s nur auf Französisch. Die wär doch mal ein Interview wert. Sei ein guter Junge und wechsele dein Profilbild. Der Webmaster ist kein böser Mann, sondern unterliegt selbst Regeln, die er beachten muss, wie dem Urheberrecht. Do it for me, Darling.
parkfüralteprofs (57)
(17.04.14)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 toltec-head meinte dazu am 18.04.14:
Was ich sagen möchte, ist dass die Schreiber auf Internetliteraturforen mir wie Protestanten vorkommen und die richtige Literatur wie die katholische Kirche. Natürlich war die katholische Kirche schön und sind die Protestanten hässlich. Aber ist Tebartz noch schön? Ist es Hochhuth? Dass Hochhuth nun dafür abgestellt wird, die protestantische "Kirchen" aufzuhübschen, doch eine Groteske. Und letztlich stimmt ja doch nicht, dass man für Geld alles haben kann. Du kannst für Geld ebensowenig Autor wie Escort werden. Offenbar lässt sich für Geld immerhin wenigstens Autor spielen. Hingegen: selbst für Geld lässt sich Escort nicht spielen; die Erektion ist nie käuflich. Hieraus ein Argument für Sex und gegen Literatur doch wohl de iure ableitbar. Aber im Grunde weiß das ja jeder.
parkfüralteprofs (57) meinte dazu am 18.04.14:
Diese Antwort ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 toltec-head meinte dazu am 20.04.14:
Bücherschreiben mit Rollstuhlfahren zu vergleichen klingt als hättest du zu viel Genazino in letzter Zeit gelesen. Ne pas céder sur son désir. Mit Geld und Zeit, wobei du dir mit Geld auch Zeit kaufen kannst, sollte es doch möglich sein, Physiker zu werden. O.K, muss man schon auch etwas fleißig sein. Für ne Stelle am CERN brauchste dann auch noch ein Quentchen Glück. Bezweifel, dass du so aber Escort werden kannst. Aber wahrscheinlich sind dies romantische Vorstellungen und du hast Recht. Die ewig währende Minute der Kulturgeschichte ist gut und wird spätestens mit dem Tod ihrer biologischen Träger tatsächlich, was recht gruselig ist, wenn man es sich klar macht, ewig währen.
parkfüralteprofs (57) meinte dazu am 21.04.14:
Diese Antwort ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 toltec-head meinte dazu am 21.04.14:
Ich les dich schon immer aufmerksam, nur wie in einer guten Ehe halt immer auch etwas kreativ. Schließlich sind wir jetzt so ziemlich genau 3 Jahre verheiratet. Eine lange Zeit. Ostern vor 3 Jahren, erinnerst du dich... Heute beim Crémant schlürfen deiner gedacht. Aufgrund einer Verletzung am Meniskus wollte ich mir vor einem Jahr kurzfristig mal einen Rollator anlegen. Das muss jetzt doch noch warten. Wäre aber bestimmt sehr pittoresk und Genazino-like gewesen, mit dem Ding durch Hannover zu kurven.
parkfüralteprofs (57) meinte dazu am 22.04.14:
Diese Antwort ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.
michaelkoehn (76)
(18.04.14)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 toltec-head meinte dazu am 18.04.14:
Liest du immer noch auf dem Klo?
michaelkoehn (76) meinte dazu am 18.04.14:
Diese Antwort ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.
Möchtest Du einen Kommentar abgeben?
Diesen Text kommentieren
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram