Schreiben-on-Tour 24.04.2014

Skizze zum Thema Landschaft

von  blauefrau

Schreiben - on - Tour Gönningen

Tulpenstempel, die Blütenblätter, die grünen Blätter ... Geradeso bekam ich für mein Bioheft eine drei.

Wilde Tulpen, Papageientulpen mit den aufgerüschten Blättern, gefüllte Tulpen u.a., prächtige Blumenbilder, die sich beim Wort Tulpe in meinem Kopf aufblättern.

Tulpen lassen mich an Gebärmütter denken, besonders die dunkelroten und schwarzen Tulpen. Ihre Undurchdringlichkeit, ihre Form eines Gefäßes, ihre Äderung und die Zähigkeit der Blätter. Die Schlauchform, aber auch ihre Dehnbarkeit und die Möglichkeit, sich prachtvoll zu öffnen, dann wieder die Verschlossenheit. [Wie wäre es mit einem Baum aus lauter Gebärmüttern, Ausdruck höchster Fruchtbarkeit? Unendliche Lebensmöglichkeiten.
Eine solche Skulptur ist aber bestimmt politisch nicht korrekt.]

Um mich herum kardinalsrote, blassgelbe und zartviolette Tulpen, dahinter kardinalsrote Hyazinthen. Ganz nett soweit. Warum noch mal kardinalsrot? Ach ja … Und warum überhaupt Hyazinthen? Ich denke Tulpen? Um die Bank herum, auf der ich sitze, sind die Tulpen  im Halbkreis angeordnet. Die Tulpen werfen Schatten auf den Teil der Bank, auf dem ich nicht sitze. Ich unterbreche das Muster.
Der flache Brunnen läuft an einigen Stellen über und hat außen eine Abflussrinne.
Am Rand vor der Rinne wächst genau eine Kuhblume, ansonsten Gras. Auf der Wasseroberfläche bilden Algen die Form eines großen Frosches. Eine Ameise läuft die Ritzen zwischen den Brunnensteinen hoch und runter. Sie trifft auf eine Fliege. Der Schatten eines Vogels bewegt sich über das Wasser. Vogelscheiße auf den oberen Teilen der Skulptur zeugt von anderen ,,Überfliegern”. Das Wasser aus der Skulptur läuft in fünf parallelen Strängen in das Wasserbecken. Ein sechster Strang tröpfelt parallel. Parallel tröpfeln? Gibt´ s das? Der Klang der Tropfen ist gleichmäßig; im Hintergrund höre ich Geräusche eines anhaltenden und abfahrenden Busses.

[Wen schauen die Tulpen an? Die Tulpen sehen, wenn sie dies überhaupt können,] Eine Skulptur aus grauen steinernen Tulpen,  die über- und nebeneinander nach oben weisen. Man könnte die Skulptur in einen Quader legen. Bilden sie eine Skulptur, die genau diese Maße hat: 3m x 3m x 4m. Mehr Platz hatte die Stadt nicht zu bieten, oder der Künstler hatte keine größere Kiste.  Sei´s drum. Ein Tulpenkletterbaum. Ein Totem aus Tulpen. Eine Ähre, deren Körner aus Tulpenköpfen bestehen.  Zwischen Wasser und Sonne die Währung, auf die es ankommt. Fruchtbar, die Nahrung für die nächste Generation liefernd. In Stein gehauen. Ewig gilt dieses Gesetz.

Wegen der Tulpenzwiebeln hat es vor einigen hundert Jahren den ersten Bankencrash gegeben, Tulpen als Spekulationsobjekt. Tulpen als Wert. Eine Stadt, die stolz auf die Tulpen ist und ihren Wert zu schätzen weiß. So stellt sich die Stadt dar.


Ich bin trunken von der Sonne …
Was soll es, dass dies alles eine künstlich angelegtes Areal ist, Tulpen, die hier nie wachsen würden, eine Skulptur, die auf Tulpen hinweist, die davor auch wachsen. Warum dann ein Wahrzeichen. Alles sehr mariniert und affektiert. Scheiß auf die Tulpen.. Andererseits wie oben beschrieben …

Die Ameise krabbelt nun durch die Abflussrinne. Ein hellgelber Schmetterling erhebt sich aus einem Busch und trudelt über das Wasser, fliegt dann über die nebenstehenden Bäume davon.
Dreck zeichnet die Form einer schwimmenden Ente, die Ameise folgt dieser Spur. Blütenblätter und kleine Holzstücke wie Muscheln und Strandgut. In Kreisen bewegt sich das Wasser zum Rand. Unterschiedlich große versenkte Steine durchbrechen die Sicht  Eine Wasserrinne führt vom Abflußring des Beckens die kleine Anhöhe herab.. Die Rinne führt in einem großzügigen Schlenker zu einem Abfluss mit Gitter. Sie umschließt ein Rasenstück., das dicht bedeckt mit Marienblümchen und Kuhblumen, eine profanen Eindruck hinterlässt. Warum die Mühe?  Eine Spirale aus Wasser, ein Labyrinth, in dessen Mitte der Tulpenstrunk steht. Das Wasser mäandert zwischen versetzten Steinen herab. In der Sonne bewegt sich ein glitzerndes Band in die Unterwelt, in der Ratten und Maulwürfe das bewegte Wasser entgegen nehmen müssen.

Ein etwa sechsjähriger Junge mit einem gelben Fahrrad läuft am Brunnen vorbei. ,,Ich hoffe, der Rucksack ist zu”, ruft er, stoppt und greift in den Fahrradkorb. ,,Der Rucksack ist zu!”, ruft er, lacht und fährt davon. Nimm mich mit, kleiner Junge.

Gegenüber die Kulturkneipe ,,Schwan“, deren Wahrzeichen an einer Wandskulptur festgehalten ist.
Zwei rote und zwei gelbe Klappstühle um einen braunen Klapptisch angeordnet, leuchten vor der grauen Wand des Lokals wie Blütenblätter.

Ein Haus mit schrägem Wandverlauf, Irritation durch Vorsprünge. Fachwerk nachgezeichnet, nicht echt. Oben nimmt die Wand einen geraden Abschluss.

Ehemalige Schildwirtschaft ,, Zum Fuchsen” mit Samenhandlung. Ursprünglich Bauernhaus mit Samenhandlung, danach Schankwirtschaft ,,Zum Gassenwirt”. Gassenjunge wäre mir lieber gewesen.  Ursprünglichkeit, eingängige Musik, Hosen mit Löchern, schrilles Pfeifen.

Ein Haus, auf einen Sockel gestellt, die linke Seite des Daches kürzer as die rechte. Auf der anderen Straßenseite eine wehende Deutschlandflagge vor einem verwunschenen Haus. Stränge von Pflanzen laufen über die ganze Wand auf ein kleines Fenster zu. Wer wirft sein Haar herab? Neben der Flagge ein metallener Wetterhahn. Das Zwitschern übernehmen nicht sichtbare Vögel.


Ecke Samenhandelstraße

Die Samenhandelsstraße beginnt mit einem Haus, an dem ein Zigarettenautomat an der Wand hängt. Die Währung von heute. Hatten Schulkinder früher Tulpenzwiebeln oder Blumensamen in der Hosentasche so wie heute Zigaretten? Links davor ein schmutziger Stromkasten. Aus der Ritze vor dem Haus wächst eine grüne Pflanze, auf einem Sockelvorsprung finden sich unregelmäßige gelbe Flecken. Neben dem Haus eine breite Rinne, durch die Wasser schräg nach unten unter dem Gehweg entlang läuft.

Das Haus gegenüber hat einen mit Plastikostereiern und Blumen geschmückten Vorgarten. Eine rotschwarze Fahne mit dem Aufdruck ,,Königreich Baden-Württemberg”.  Wo sind wir hier?

Auf der Straße ein weiße 30, die 3 ist an einigen Stellen unterbrochen.


Im Reich der Vögel/Hofgut Alteburg

Lieblich die Kerzen der Kastanien, widerlich der durchgehende Gestank. Unter der Kastanie ein Auto mit Sitzen, die die amerikanische Flagge tragen.
Stars and stripes unter einer Blätterwucht. Auf einer langgezogenen Mauer wird die Idylle des Hofes dargestellt: eine Kuh mit dem Kopf eines Hundes; ihr Euter mehrfach geädert und prall gefüllt, weist auf ihre Aufgaben hin. Die Kuh überragt Anhöhen und Berge der Umgebung um einiges. Hinter ihr liegen bewaldete Streifen und eine Siedlung mit roten Häusern, die zugleich die Hinterlassenschaft eines Elefanten und Reste eines Kuhfladens darstellen könnten. Der Tank www.eisele.de ist mit Dreck zugespritzt. Im Hintergrund tuckert ein Generator. Vor dem Stall, im eingezäunten Außenbereich, stehen zwei Kühe, etwa 10 andere liegen in Boxen. Eine der beiden Kühe schlägt mit dem Kopf gegen ein Gitter. Vögel fliegen ein und aus; ihr Zwitschern begleitet die Geräusche des Generators. Die Kuh schlägt ein weiteres Mal gegen das Gitter. Im Hintergrund ein Knacken.
Auf unsichtbaren Bahnen fliegen die Vögel hin und her, aus allen umliegenden Gebäuden, Tanks und Gefäßen dringen ihre Töne. Ein Baum bildet sein Laubwerk auf der Kuppel eines Silos ab. Hinter dem Silo ein rundes schwarzes Riesenbecken mit dem weißen Aufdruck: Flieg! An der Stalltür ein Schild mit der Skizze einer Kuh und dem Aufdruck: Wertvoller Tierbestand.
Hinter dem Stall liegen nebeneinander fünf kleine  Hütten mit der Aufschrift Flix Box, in dreien liegen Kälbchen mit gelben Markierungen an beiden Ohren. Hush Puppies. In einem Drahtkorb vor dem Stall Heu, vor der Umzäunung jeweils ein Eimer mit verschmutztem Wasser. Fliegen umkreisen die fünf Käfige.
In einer Art Tank mit großer Öffnung weiter fünf Kälbchen stehend und liegend. Sie sind nicht durch ein Gitter getrennt. Warum sind diese Kälber da? So da. So. Geht es schon um ihren Abtransport? Ich bin ratlos.
Der Direktverkauf öffnet erst um 17.00 Uhr. Ich muss weg hier, weg von dieser Ansammlung von Kälbchen, weg von den heimlichen wie unheimlichen Vögeln.

Am Hofausgang steiler Abflug der Vögel aus dem Stand und Landung auf der anderen Seite des Weges.
Möchte ich auch mal können. Auf einer Tafel am Wegeingang Gekritzel, das fünf Wanderwege darstellen soll.


Fortsetzung folgt[Auf dem Wanderweg]

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 AZU20 (27.04.14)
Ein lesenswertes Protokoll einer Landschaft. LG
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