Incendium

Text zum Thema Befreiung

von  Erdbeerkeks

Wenn du mich umarmst, dann ist das, als ob du da wärst. Nicht als ob du vor mir stehst oder neben mir, das ist, als ob meine Mitte einen Schritt nach vorn macht um sich gegen deine Brust zu lehnen.
Es kommt immer ganz anders, vor allen Dingen anders als man denkt und wenn es kommt, dann mit weit aufgerissenem Maul aus dem Hinterhalt um dich von Kopf bis Fuß zu verschlingen. Das tut es.
Und nun sitzen wir hier, mein Arsch ist kalt und ich hab dir meine Handschuhe gegeben und du mir Ehrlichkeit.
Alles, was du sagst geht direkt und ohne Umwege von dir zu mir. Je mehr Worte du um dich wirfst,  desto mehr fügen sie mehr zusammen als dass sie zertrümmern, obwohl sie schwer sind wie Steine, die dir vom Herzen fallen und ins Rollen gebracht werden. Phrasen längst beendeter Möglichkeiten erschließen sich mir, wie eine zerbrochene Vase setze ich mein Bild Stück für Stück zusammen. Ich schaue hinein und sie ist so tief, dass ich den Grund nicht sehen kann.
Du möchtest mir keine Steine in den Weg legen, also verteilst du sie um mich herum, weil ich noch keinen Platz habe, um mir ein Haus daraus zu bauen. Schon gut, lass sie erst mal liegen. Ich nehme sie schon mit, irgendwie. Soll ja niemand drüber stolpern.
Wie monochrome Gewichte hänge ich mir deine Worte um den Hals.
Licht aus, Wasser an.
Wie kleine Tiere wühlen sich die Worte aus meiner Kleidung, schauen verunsichert über den Rand meiner Badewanne und flüchten in die Ecken des dunklen Raums, setzen sich in die Fugen zwischen den Fliesen und beobachten mich mit ihren winzigen Augen, bis die Enge mich erdrückt. Ich schließe meine.
Ich fühle ihre kleinen glühenden Körper brennend an meinem Ohr, auf meinem Oberarm. Doch auch 500 Tropfen auf dem heißen Stein sind nur heiße Luft, die ich bis tief in meine Lungen aufsauge und mich leergebraucht wieder von ihr befreie.
Angeekelt schüttel ich sie irgendwann ab, als meine Lungen überflutet und nass sind, ich huste und ich erhebe ich mich tropfend und jede nasse Fußspur, die ich auf dem Laminat hinterlasse wird nur Bruchteilsekunden später zischend gefressen. Sie brüllen und brennen mir Spuren in die Haut als wären sie kleine Ausgeburten der Hölle und je tiefer sie graben, desto mehr füllt ihr Kreischen meinen Kopf aus, jede Synapse wird gekappt und jede Leitung kurzgeschlossen durch diese hohe Frequenz die mir Denken unmöglich macht.
Qualm steigt auf und bevor ich zu glühenden Kohlen werde, anstatt nur auf ihnen zu laufen, reiße ich sie mir gewaltsam vom Körper und hinterlasse verödete Löcher. Ich weine vor Wut, meine Tränen verdampfen noch auf meinen Wangen, als ich sie packe und zertrümmere, zermahle. Stille.
Es sieht aus, als hätte es Asche geregnet, meine Vase wird zur Urne, indem ich sie mit bloßen Händen fülle. Meine Beine geben nach und endlich komme ich zu Atem.
Ich vergaß. Das Schlechte schreibt man in Stein, das Gute bloß in Staub.

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Kommentare zu diesem Text


 TrekanBelluvitsh (23.06.14)
Hm...
Mag sein, dass man das auch anders sehen kann, aber mein Eindruck ist, dass es hier weniger um Befreiung (Thema) als um die Angst vor der Befreiung geht. Lieber Chaos als Klarheit, weil die Gefahr besteht, dass diese Klarheit nicht dem entspricht, was man sich ausmalt.
(Aber ich bin mir bewusst, dass man diesen Text auch ganz anders sehen kann...)

 Erdbeerkeks meinte dazu am 23.06.14:
Danke für die kleine Interpretation.
Metulskie (32)
(23.06.14)
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 SunnySchwanbeck (24.06.14)
ich mag das, kann gar nicht direkt sagen was genau. das ist wie ein kaleidoskop irgendwie.
allerdings finde ich es komisch, dass es am anfang noch so klar wirkt und zum ende hin wirklich teilweise ins wirre übergeht. wahrscheinlich soll dass diesen gedankenstrudel veranschaulichen oder war einfach dein impuls, da du im schreibfluss warst. - stört nicht, ist mir nur aufgefallen.

schön, dass du wieder da bist.
sunny.
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