Vom (Ver)fangen und Erlösen

Text zum Thema Ende

von  Erdbeerkeks

„Es ist nicht schlimm.“
„Was?“, als hättest du nicht zugehört.
Das ist eine Variation des erdrückenden Gefühls von weinen müssen und nicht können. Eine stark verkommene Art von tiefer Liebe, die dir den Hals emporsteigt und sich zu einem pechschwarzen klebrigen Klumpen formt, der widerlich schmeckt wenn du schluckst. Widerlich wie dein arglos neutraler Gesichtsausdruck, widerlich wie deine Augen, die ich damals aus dem Gedächtnis hätte malen können und die nun reglos in ihren dunklen Augenhöhlen sitzen.
„Dass es nicht schlimm ist, wenn ich nie wieder schreiben kann“, schreie ich die in dein Gesicht geklebten Züge an, speie die Worte auf die getrockneten Stellen wie Lösemittel als könnte es irgendetwas ausrichten. Einen kurzen Blick ist dir das wert.
Mit den abgemagerten Schultern zuckend verziehst du dann dein Gesicht, als hättest du nicht mehr dazu zu sagen als „Hmpf, ja und?“ und von deinen Wangen blättert heute in unschönen transparenten Fetzen Ignoranz, wo früher weiche Lügen und letzte Weisheiten lagen.
Ich erinnere mich dich vor Jahren etwas sagen zu hören -
Wir seien alle Teile eines Plans.
Ein Stück von etwas größerem, das wir vielleicht noch nicht verstehen konnten und wann immer wir uns darüber den Kopf zerbrachen merkten wir erneut, dass wir den Sinn dieses Seins nicht begriffen.
Der Plan war ein kleines Experiment, ein kleines Mädchen mit großen Augen, ein heroisches Idol mit abscheulichen Intentionen. Das Überleben des Verlustes der Basis des eigenen Lebens. Nicht das aus der Bahn geworfen werden sondern das Ändern des Kurses. Die Fähigkeit die eigene Anziehung trotz gesprengten Mittelpunkts zu bewahren. Die Oberfläche bis in die tiefsten Schichten umzugraben und sie schützend um die hohle Hülle zu schlagen wie Arme um ein erfrierendes Kind.
Nie war ich mir dieser unabdingbaren Notwendigkeit bewusst. Dass wir manchmal zerbrochen werden müssen um die Splitter zusammenzutragen zu einem destruktiv ästhetischen Mosaik, das wir „Ich“ nennen dürfen. Ein unregelmäßiges Muster aus Erinnerungen, zu Stein gebrannten Gedanken, geleimt mit fließenden Erkenntnissen, die uns zu einem Kunstwerk machen, das in Tönen von Vergänglichkeit und Beständigkeit schillert. In Ehrfurcht fahre ich mittlerweile mit dem Finger die seichten Fugen zwischen den Scherben entlang und habe gelernt mich nicht mehr an den scharfen Kanten zu schneiden sondern auf diese Weise das Werk zu bewundern, das ich aus meinem eigenen Selbst schuf.
Und du, mit deinen Händen in den Taschen, lässt schwerelos deine Trümmer um deine verstummten Lippen kreisen wie mahnend erhobene Zeigefinger, die dich von dem abhalten, was du nicht sollst und dich doch nicht zu den Taten ermutigen, die du brauchst.
Vielleicht ist das deine Form von Ordnung
und
„Vielleicht gab es nie einen Plan“, vermute ich und spreche eher zu mir als zu dir. Ich lächle ein wenig und verinnerliche diese Erkenntnis, die schon seit Jahren dein Wissen ist und meine Mitte füllt sich mit Schwere.
Beruhigt setze ich das letzte Teil an seinen Platz.

Ich bin endlich vollendet.

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