Braun. Ins Fettnäpfchen getreten

Anekdote zum Thema Farben

von  EkkehartMittelberg

Ich war noch Schüler und sehr grün hinter den Ohren. Auf einem Ball des Lehrerkollegiums meines Vaters lernte ich eine junge Kollegin von ihm kennen und es hatte Zoom gemacht. Wir hatten denselben Rhythmus im Blut und so floss auch der easy talk leicht dahin. Das machte mir Mut, sie zu einem nächsten Tanzfest einzuladen.

Als ich sie abholte, erschien sie von Kopf bis Fuß in einem aparten Braun. Damals in den 50er Jahren besaß nicht einmal sie als Mitglied des Establishments einen Wagen, und so hatten wir einen weiten Weg vor uns, Gelegenheit also zu einem intensiven Gespräch, das schnell Fahrt aufnahm, weil wir neugierig aufeinander waren, bis wir auf das Thema Farben kamen.

Ich stand damals auf blau und faselte von Enzian und Kornblumen, bis ich mit einem Blick auf ihr dezent braunes Kostüm, von keiner Diplomatie gehemmt, frank und frei bemerkte, dass diese Farbe langweilig sei. Sie fragte nach einer Begründung, aber ich war nur in der Lage, meine Behauptung bockig zu wiederholen.

Kein Wunder, dass unser Gespräch ins Stocken geriet, und auch die Tanzmusik konnte den Bruch nicht überspielen. Ich schmollte und wir verloren uns aus den Augen.

Doch ich trauerte ihr eine Weile nach, und das war der Anlass, mich intensiver mit Farbpsychologie zu beschäftigen. Ich begriff, dass Farben in der Gefühlsskala jedes Menschen eine wichtige Rolle spielen. Mehr noch, ich gewann ein Verhältnis zu allen Farben und ihren Nuancen, sodass ich heute gar nicht mehr sagen kann, welche meine Lieblingsfarbe ist.
Aber eine mag ich nicht: Schwefelgelb. Wie warfen sie soeben richtig ein? „Nicht schön, aber höllisch interessant“. Das stimmt, allein schon wegen des Schwefels (Lesen Sie doch mal „Schwefelgelb“ von mir).

Ich kam vom Thema ab: Also braun und seine Schattierungen sind apart. Sie widersprechen schon wieder, weil Sie historisch denken. Ja, Sie haben Recht. Aber  vergessen sie nicht. Diese Anekdote ist unpolitisch.

© Ekkehart Mittelberg, September 2014


Anmerkung von EkkehartMittelberg:

„Braun. Ins Fettnäpfchen getreten“ gehört zu meinem Zyklus von Texten über Farben: Die Farbe rot, Zwei Gesichter von gelb, Schwefelgelb, Nonsens zur Farbe grün, Schwarz, Weiß, Der Graue, Blue Piano und Das scharlachrote Kleid.

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Kommentare zu diesem Text

Nimbus (41)
(04.09.14)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 04.09.14:
Heike, ich weiß nicht, ob das mit dem Gesamttext so eine gute Idee ist. Ich fürchte, dass es schon lesetechnisch Schwierigkeiten gäbe.
Aber dein Hinweis auf die vermeintliche Kleinigkeit in diesem Text trifft ins Schwarze.
Danke
Ekki
Nimbus (41) antwortete darauf am 04.09.14:
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 EkkehartMittelberg schrieb daraufhin am 04.09.14:
Das hatte ich auch so verstanden, Heike.

 TrekanBelluvitsh (04.09.14)
Sie widersprechen schon wieder, weil Sie historisch denken.
Hahaha... habe verstanden.

ch begriff, dass Farben in der Gefühlsskala jedes Menschen eine wichtige Rolle spielen.
Vielleicht solltest du hier noch etwas zu der Bedeutung von Braun sagen.

Inhaltlich: Langsamkeit hat ihre Vorteile!

 EkkehartMittelberg äußerte darauf am 04.09.14:
Merci, Trekan. Es freut mich, dass die Anspielung auf das historische Denken gefunkt hat.
O ja, Langsamkeit hat wirklich Vorteile.
Was die Bedeutung von Braun angeht, so möchte ich das diesmal gern dem Leser überlassen.
BellisParennis (49)
(04.09.14)
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 EkkehartMittelberg ergänzte dazu am 04.09.14:
Danke, Carsten. Das freut mich.

LG
Ekki

 Regina (04.09.14)
Hast du an den Unterschied zwischen Erdfarben, die aus Pigmenten hergestellt sind, und Lichtfarben, die durch das Zusammenspiel der Elemente mit der Sonne entstehen, gedacht? Die ersteren kann man im Farbtopf alle zum Umbra zusammenrühren. Bei den Lichtfarben ergibt die Kombination aller weißes Licht. Die Farben gibt es, seit Sonne und Erde existieren. Fruchtbarer Humus ist auch braun, aber nicht in Braunau geboren. Weißes Licht, in das der Mensch nicht mit bloßem Auge hineinsehen kann, steht für höchste Erleuchtung. Wie immer schaffst du es, mit einem Text die Gedanken der Leserin in Fahrt zu bringen.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 04.09.14:
Grazie für den sachlich bereichernden Kommentar, Regina. Es war wohl die Assoziation an Erdfarben, die mich die ungeschickte Bemerkung hat machen lassen. Wie gesagt: Heute sehe ich das anders. So vermitteln mir Brauntöne das Gefühl von Entspannung und Ruhe.

 modernwoman (04.09.14)
Ich musste mir diesen Text einfach ansehen, nachdem die Überschrift in der Tat etwas implizierte, was nicht nur die Farbe betraf ;)

Da kommen Erinnerungen an Goethes Farbenlehre, aber auch der psychologische Faktor ins Spiel. Was sagen uns bestimmte Farben und bei welchen fühlen wir uns besonders wohl. Bei Dir führte das Braun wohl eher zu einer sowohl physischen, als auch psychischen Distanz zu Deiner Tanzpartnerin :D

Der Text als Gesamtwerk liest sich nicht nur gut und flüssig, er lässt dem Leser auch eigene Deutungen und vermittelt recht gut, dass Farbe nicht gleich Farbe ist.

Lieben Gruss
Conny

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 04.09.14:
Ja, Conny, um die vom Unterbewusstsein gesteuerte Distanz oder Nähe, die Farben schaffen können, geht es mir bei diesem Text. Ich denke inzwischen, dass man durch die Bereitschaft, sich auf das einzulassen, was Distanz schafft, gegensteuern kann. Wie anders könnte ich die warmen Brauntöne des Herbsts heute so schön finden.
Merci und liebe Grüße
Ekki

 HerrSonnenschein (04.09.14)
Kein farbloser Text! Und ich kenne das, diese Ungeschicklichkeit, dieses Fettnäpfchengetrampel. Und möchte Picasso zitieren: Ich suche nicht.Ich finde. LG Jörg

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 04.09.14:
Vielen Dank, Jörg. Das Picasso-Zitat sitzt. Wenn ich damals mit mehr Gefühl gesucht hätte, hätten wir uns vielleicht gefunden.

LG
Ekki

 AZU20 (04.09.14)
Das Fettnäpfchen war tief. Hätte eine spannende Affäre werden können trotz des vermutlichen Altersunterschieds, wenn auch...damals vielleicht nicht so einfach: Schüler und Lehrerin. Aber jetzt denke ich auch historisch. LG

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 04.09.14:
Ja, der Altersunterschied war beträchtlich, und so ein junger Spund redet, wie ihm der Grünschnabel gewachsen ist.
Vieln Dank und LG
Ekki

 Irma (04.09.14)
Für mich hat sich sofort die Frage nach der Augenfarbe deiner Tanzpartnerin aufgedrängt: Braun? Blau? In meinen Augen könnte das einiges erklären ... LG Irma
(Kommentar korrigiert am 04.09.2014)

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 04.09.14:
Merci, Irma, sie war braunäugig und ich bin noch immer blauäugig. Ich weiß, dass auch die Augenfarbe bei der Partnerwahl eine Rolle spielt, aber nichts Genaues darüber, warum und wie.
Denkst du, dass sich eher Menschen mit unterschiedlichen Augenfarben anziehen oder meinst du , dass sich gleich und gleich gern und öfter gesellt?

LG
Ekki

 Irma meinte dazu am 04.09.14:
Nun, wenn du ihr - nachdem ihr beide euch ganz tief in die Augen geschaut habt - immer noch von Blau vorgeschwärmt und Braun als langweilig betitelt hast, dann hast du sie damit vielleicht viel tiefer getroffen als durch die Tatsache, dass auch ihr Kostüm an diesem Tage (zufällig) ein braunes war. LG Irma
(Antwort korrigiert am 04.09.2014)

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 04.09.14:
Soweit ist es nicht gekommen. Ich hätte ihr besser tief in die Augen schauen, lächeln und die Klappe halten sollen. ))

 Lluviagata (04.09.14)
Leider ist diese schöne Farbe, die Farbe der Erde, zu Unrecht in Verruf geraten.

Mich würde nur mal interessieren, ob du damals auch in englischen Floskeln gesprochen und gedacht hast ... ;)

Sehr gern gelesen, Ekki.

Liebe Grüße
Llu ♥

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 04.09.14:
Grazie, Andrea, die Farbe der Erde ist so schön. Wie konnten sie Menschen nur so missbrauchen?
Zu den englischen Floskeln: Ich hasse dieses Denglisch und glaube, dass es in seiner Wirkung verniedlicht wird. Es gibt sicher einen Sprachimperialismus im Sinne des American way of life.
Aber sparsam eingesetzt können die Anglizismen eine leise Ironie vermitteln, hoffentlich.

Liebe Grüße
Ekki

 Jorge (04.09.14)
Da schüttelt der alte Ekki an seinem Kaleidoskop und es blinzelt und funkelt in allen Farben.
Dann hebt er noch ab zu einer Erinnerung im braunen Gewand.
Er ist und bleibt einer farbigsten und vielseitigsten Autoren.
Liebe Grüße
Jorge

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 04.09.14:
Gracias, dein schönes Kompliment ist mir Ansporn, Jorge.
Colores traen vida!

Liebe Grüße
Ekki

 susidie (04.09.14)
In allen Farben fühle ich.....sofortige Assoziation eines gewaltigen Spektrums.
Liebe Grüße von Su :)

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 04.09.14:
Grazie, Su, so, wie ich dich lese, kann ich mir nicht vorstellen, dass dir eine Farbe fremd bleibt. Das geschieht eben dann nicht, wenn man sie im Spektrum sieht und fühlt.

Liebe Grüße
Ekki

 Didi.Costaire (04.09.14)
Hallo Ekki,
gab es den Ausspruch "Es hat Zoom gemacht" tatsächlich schon, bevor Klaus Lage davon gesungen hat?
Der Schlussgedanke ist mir auch geläufig. Braun ist nach meinem Empfinden eine angenehme, warme Farbe, doch sie wird häufig mit politischen Verbrechern (wie auch rektalen Ausscheidungen) in Verbindung gebracht.
Liebe Grüße, Dirk
(Kommentar korrigiert am 04.09.2014)

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 04.09.14:
Nein, Didi, gab es vor Klaus Lage nicht. Es hat mir einfach mal Spaß gemacht, dieses Denglisch zu benutzen, obwohl ich grundsätzlich kein Freund davon bin. Ich hoffe aber, es nicht übertrieben zu haben.
Danke und liebe Grüße
Ekki

 TassoTuwas (05.09.14)
Hallo Ekki,
ob in ein Fettnäpfchen oder in Braunes treten, beides taugt nicht!
Als Farbe ist braun unspektakulär mir aber sehr sympathisch, weil weich und warm.
Herzliche Grüße
TT

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 05.09.14:
Merci. Ja, Tasso. Braun ist eine weiche und warme Farbe. Die richtigen Einsichten kommen oft zu spät.

Herzliche Grüße
Ekki
Graeculus (69)
(13.09.14)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 14.09.14:
Merci, Graeculus, die Armen, die diesen Vornamen noch tragen müssen, helfen sich oft durch die Abänderung zu Dolf.
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