Ich war nicht da

Kurzgeschichte

von  Watsche

Ich war nicht da. An der Tür hing ein Schild, das auf meine Abwesenheit hinwies. Meine Behausung schlief nur scheinbar, nicht lauernd, aber wartend. Der klumpfüßige Tisch war etwas unscharf, ganz im Gegensatz zu der gestochenen Kontur des hageren Stuhles. Die große Truhe in der Ecke harrte und ihr immenses Schlüsselloch blickte wachsamer als je zuvor. Der kleine Ofen schien verschüchtert von der zudringlichen Fülle des Schrankes daneben.

Am ersten Tag sammelte sich Staub, der in leicht abgeschrägten Bahnen mitten aus der Luft fiel, zu unregelmäßig, aber nicht zufällig verteilten Häufchen, die auf den horizontalen Flächen ruhten, danach abflachten, zueinander krochen, sich, nicht ganz mittig, auf dem Boden zu einer schwarzen, erst matten, aber im weiteren Verlauf der Verfestigung immer stärker glänzenden Kugel verbanden, die anfangs verunsichert hin- und her rollte, sich dann aber wohl doch entschieden hatte und mit einem kurzen elektrischen Summen verschwand. Nur ein länglicher, an einen Pfeil erinnernder Fleck, blieb an der Stelle zurück.

Am zweiten Tag resublimierte an der Spitze des Pfeils eine nicht geometrische Form aus einem beunruhigenden, offensichtlich lebendigen, aber ebenso offensichtlich anorganischen Material, die nach Abschluss des Phasenübergangs begann um den Tisch zu stolzieren oder zu krabbeln oder zu fahren, auf kaum, oder zumindest nur kurz, vorhandenen Beinchen oder Ärmchen oder Rädchen, neugierig mit hier und da wachsenden und schnell wieder verkümmernden Sinnesorganen umherblickend oder hörend oder tastend, mehrmals den Stuhl verschiebend, dessen Position Unbehagen auszulösen schien, dann auf ihn kletterte oder floss oder flog, von da aus auf den Tisch sprang oder rollte oder stieg, auf ihm dann schließlich geometrisch wurde, zylindrisch nämlich, und als weiße, poröse Säule von der Größe eines Brotlaibes erstarrte.

Am dritten Tag entstiegen dem Schrank drei Gestalten und positionierten sich um den Tisch, nachdenklich auf das Objekt in dessen Mitte blickend. Die Dame, körperlich ein Zickzack, instabil und überhängend, das Gesicht von Euphorie entstellt, entnahm einem Etui, dass an einer Schnur um ihren Hals hing, ein kleines Messer, betrachtete es wohlwollend, länger als notwendig gewesen wäre, und schnitt dann mit einer durchgehenden, unendlich komplexen Bewegung in den weißen Zylinder, der unerklärlicherweise in mehrere kleine, absolut regelmäßige und gleichartige Würfel zerfiel. Der Herr, breiter als hoch, quaderförmig, doch an den Ecken und Kanten leicht abgerundet, die Mimik schwärmerische Langeweile verratend, legte diese dann auf einen Teller, den er irgendwo hinter seinem Rücken hervorgeholt zu haben schien. Das Kind, von ungewissem Geschlecht, insgesamt ungewiss, ungefähr, unfertig, fragte erst sie, dann ihn, mit einem Blick um Erlaubnis, atmete stoßweise, lange, zu lange für solch einen kleinen Körper, aus und verspeiste die Mahlzeit dann, methodisch, lautlos, furchterregend, wonach alle drei wieder in den Schrank zurückkehrten und nur den leeren Teller und einen metallischen Duft hinterließen.

Nach einer gewissen Zeit kletterte ich dann aus meiner Truhe, blinzelte, zum ersten Mal seit drei Tagen, streckte meine Arme, schüttelte meine Beine, machte einige ungelenke Schritte, stand lange am Tisch, legte meine Hand auf den Teller, spürte seine kalte, glatte Oberfläche, verstand, dass ich immer noch nicht da war und nie wieder da sein würde.

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Kommentare zu diesem Text


 Dieter_Rotmund (05.07.20)
Keine Ahnung, um was es in diesem Text gehen soll.

 Dieter_Rotmund meinte dazu am 27.05.22 um 09:27:
Nochmals gelesen.
Macht einen sehr manierierten Eindruck, hat aber gute Stellen.

 AngelWings antwortete darauf am 03.02.23 um 23:04:
Es geht um jungen der Schrank lebte, und nie andere Sicht bekam, war auch blind, sein Augen hell das die Leute von ihn Angst hatten.

 Dieter_Rotmund (29.11.20)
Immer noch keine Ahnung, um was es in diesem Text gehen soll.

 FrankReich (29.11.20)
Nee, ist klar, der Wahnsinn hat Methode, und zwar keine. 😇

 FrankReich (29.11.20)
Nee, ist klar, der Wahnsinn hat Methode, und zwar keine. 😇

 FrankReich (29.11.20)
Nee, ist klar, der Wahnsinn hat Methode, und zwar keine. 😇

 Dieter_Rotmund (20.02.22, 17:45)
Meine Behausung ist weggezogen, ohne mir eine Nachricht zu hinterlassen. Nur der Alibert ist geblieben, weil ich ein Zahnbürsten-Abo abgeschlossen habe. Im Flachland gibt es keine Jugendher-Berge. Ich vermisse meine Hautknochen. Du bist knusprig.

 Dieter_Rotmund schrieb daraufhin am 27.05.22 um 09:31:
Dreiecke umschwirren mich. Das Beistelltischchen sagt, ich wäre geronnen. Die Nachbarn klingeln, die Autobahn sei verspätet. Meines Wissens sind Fenster gelb, wenn sie schwimmen. Wer ist?

 B_B (03.02.23, 22:26)
"zu unregelmäßig, aber nicht zufällig verteilten Häufchen, die auf den horizontalen Flächen ruhten"

Ist Staubfall nicht eine Art deterministischen Chaos?

 B_B (03.02.23, 22:29)
Das liest sich wie ein Songtext von Käptn Peng, in den man so reinfällt und eingesogen wird, es gefällt mir.
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