Lichtgeburt

Essay zum Thema Gott

von  Regina

Der Mensch ist mehr als der stoffliche Körper, der am Ende als Leiche im Grab liegt. Über die Nahrungskette, den Atem, das Wasser und die Fortpflanzung ist er mit Systemen verbunden, die über seine Persönlichkeit hinausragen. Auch in seinen Worten und Werken überlebt der Mensch energetisch seinen Körper. Gerade ist ein bekannter Komponist und Sänger gestorben und man wird fortan die Stimme eines Toten von Tonträgern hören können. Seine schöpferische Tätigkeit hielt er als 80-jähriger für das Wichtigste, was seine Persönlichkeit transzendiert. Jedes Wesen, das einen Körper hat, der sich von seinem Ursprungsort fortbewegen kann, erleidet einen physischen Tod. Todesangst hat in dieser Organisation ihren Sinn, sie hilft, das einmal erschaffene System möglichst lange zu erhalten. Die Pflanze aber, könnte sie sich artikulieren, würde nicht vom Tod, sondern nur vom Rückzug ihrer Energien sprechen, sobald Lichtmangel ihr das Streben nach Wachstum nimmt. Alle Lebewesen sind miteinander verbunden. Beim Tod aber gibt der Sterbende Energie frei. Den Raum, den der Körper einnahm, können andere zur Wohnstatt nehmen, die Nahrungsmenge, die der Gestorbene nicht mehr isst, können andere aufnehmen. Selbst Wasser und Sauerstoffmenge, die nicht mehr gebraucht werden, entlasten die Natur minimal. Die Leiche selbst vermehrt die Erdenmasse. Ein Partner, der mit dem Verstorbenen in einer gegenseitigen Spannung lebte, wird auf sich alleine zurückgeworfen. Diese Veränderungen der Energiearten  nennt man Transformation. Energie offenbart sich als Materie, Wärme, Licht und Bewegung. Sprache ist Bewegung. Bildhaftes Imaginieren korrespondiert mit dem Licht.

Wer aber hier in dieser Welt, wo nichts Bestand hat, keinen Gott findet, könnte es mit den Katharern halten, die der Ansicht waren, dass der Demiurg, nicht Gott, diese Stoffwelt erschaffen habe. Der Demiurg ist ein gefallener Engel, der zusammen mit einigen anderen Wesen über ihm, gegen Gott rebellierte, aus dem Lichtreich herabgestürzt und dadurch zum Dämon geworden ist. Gott wird also nicht in der Zeit nach dem individuellen Tod angesiedelt, sondern er steht vor der Erscheinung jeglicher Offenbarung. Hier in der demiurgischen Welt ist alles vergänglich. Was lebt, kann das nur auf Kosten des anderen. Es gilt das Prinzip des Fressens und Gefressen-Werdens. Darum sei es nicht erstrebenswert, in dieser Welt bleiben zu wollen, weshalb man ihr, will man die Religio, die Rückverbindung bewerkstelligen, am besten jegliche Aufmerksamkeit entzieht. Durch strengste Askese wanderten die katharischen Geweihten in ihrem Bewusstsein bis zu dem Punkt, wo sie in das ursprüngliche, göttliche Lichtreich wieder aufgenommen wurden. Der Cherub, der Hüter der Schwelle, gibt den Weg zum Garten Eden wieder frei. Das sind Vorgänge in der Psyche und im Bewusstsein. Für den Papst brachten diese Häretiker wenig Verständnis auf. Er galt ihnen gar als Antichrist. Die Antwort kam prompt und die Inquisition wütete so lange, bis 1244 die letzte Katharerfestung Montségur besiegt wurde und die verfolgten Sektenangehörigen den Flammentod auf dem Scheiterhaufen erlitten, Männer, Frauen und Kinder. Troubadoure aber sangen noch eine Weile ihre Lieder von der hohen Minne, einer platonischen Liebe, die eine zweigeschlechtliche Gottheit nahelegt, was wiederum an das indische Bhakti-Shakti-Motiv erinnert. „Auf die Knie, Kinder, Gott ist Liebe“, soll der letzte Katharerbischof seinen Bonhommes zugerufen haben, die sich in das Höhlensystem im Sabarthez, einer Region in den Pyrenäen, zurückgezogen hatten und sich des Alkohols, des Tabaks, des Fleischgenusses und der Sexualität enthielten. Religion war bei ihnen laut Überlieferung ein innerer Weg der Rückverbindung mit dem ursprünglichen Licht, und sie war mit dem Erlernen einer Heilkunst verbunden. Keinen anderen Beruf sollten die Parfaits, die diese Schulung durchgearbeitet hatten, ausführen. Nicht jeder beliebige Weltmensch war zu diesem Weg in der Lage. Die Katharer und ihre Unterstützer waren Andersgläubige, die sich dem damaligen Mainstream des mächtigen mittelalterlichen Katholizismus widersetzten.

Auch asiatische Traditionen sprechen von Geweihten, die von einem Meister in ihrem Bewusstsein geschult werden müssen und stellen immer wieder Gott als eine transzendente wie immanente Geistigkeit dar, die mit einem gütigen Großvater auf einem himmlischen Richterstuhl nichts zu tun hat. Der „merciful father“ ist vielmehr einer astrologischen Beschreibung der Wirkung der Jupiterenergien entnommen. Als unkennbar wird der transzendentale Aspekt Gottes beschrieben. Der immanente aber kann erfahren werden. Voraussetzung dafür ist die Versenkung, also das Tauchen nach den Urgründen der eigenen Psyche, letzten Endes Selbsterkenntnis jenseits der Selbstwahrnehmung als Ich-Persönlichkeit. In allen Versenkungsreligionen führt die religiöse Lehre in die Nähe der Psychoanalyse, ist bei näherem Betrachten meistens kompatibel mit den Arbeiten Carl Gustav Jungs. Die Religio als Rückverbindung führt dorthin, wo sich die Bilder der Archetypen befinden, von denen wir in unserem Tagesbewusstsein keine Ahnung haben. Gott, der Erlöser, das heilige Kind, die Jungfrauengeburt, die Engel und die Dämonen, das sind archetypische Bilder, die sich in vielen Kulturen auf ähnliche Weise finden lassen. Wer da oberflächlich von Einbildungen spricht, hat keine Ahnung von der Kraft solcher Imaginationen. Der Materialist, der atheistische Nihilist unserer Tage zeigt dabei gerne mit dem Finger auf Täuschungen, womit er nicht einmal grundsätzlich Unrecht hat, denn wo das Bewusstsein nicht mehr an die Materie gekoppelt ist, beginnt oft die Irrlichterei. Der Verstandesmensch tut aber so, als ob der sich nüchtern aufgeklärt gebenden Wissenschaft keine blinden Flecken nachgewiesen werden könnten. Es heißt aber auch, dass jede Seele um Erkenntnis ringen muss. Sie wird nicht im Fernkurs als Religionslehrerqualifikation angeliefert.


Anmerkung von Regina:

Das Wort "Essay" ist hier sehr wörtlich zu übersetzen. Es handelt sich um einen Versuch, sich dem Thema zu nähern.

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Kommentare zu diesem Text

Nimbus (41)
(23.12.14)
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 Regina meinte dazu am 23.12.14:
" Das alles miteinander verbunden ist stelle ich außer Frage. Es ist total gleich, jeder Windzug ist direkt und indirekt mit einer Meersströmung im Einklang. Das der Mensch wissenschaftliches heute zu Tage in den Fordergrund stellt, hilft wenigstens gegen Verbrennungen."
Danke für deinen Kommentar. Weil alles mit allem verbunden ist, von diesem Standpunkt aus gesehen, muss man z.B. Krieg ablehnen, weshalb ich hin und wieder auch Anti-Kriegsliteratur schreibe. Menschenverbrennungen gibt es zwar in Europa zur Zeit nicht, aber sind Massenmordinstrumente wie die modernen Kriegswaffen grundsätzlich was anderes? Ansonsten freue ich mich, dass dich mein Text zum Nachdenken anregt.
LottaManguetti (59)
(23.12.14)
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 Regina antwortete darauf am 23.12.14:
Ich danke dir, Lotta, und freue mich, dass dir der Text was sagt. Missionieren, nein, das ist nicht mein Ding. Schöne Mittwinternacht. Regina
(Antwort korrigiert am 23.12.2014)

 Dieter Wal (23.12.14)
Mir hat das Streiflicht auf die Katharer am besten gefallen. Ansonsten wirkt der Text etwas konfus in seine Zusammenhängen. Frohe Weihnachten!

 Regina schrieb daraufhin am 23.12.14:
Schön, dass dir wenigstens der Mittelteil gefallen hat. Auch FW. Regina
Graeculus (69)
(23.12.14)
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 Regina äußerte darauf am 23.12.14:
Deine Kenntnisse dieser Begrifflichkeiten, lieber Graeculus, sind sicherlich viel größer als meine. Da muss ich mich allerdings wundern, warum du manchen deiner Anti-Gott-Schriften eine so kindliche Vorstellung von einer Gottesperson zugrunde legst, die z.B. eine Frau sucht oder irgendein anderes Problemchen hat.
Graeculus (69) ergänzte dazu am 23.12.14:
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 LotharAtzert (23.12.14)
Für die Katharer spricht einiges, jedoch nicht alles. (wie auch für die anderen vom Papst verfolgten: Albigenser, Templer, Hugenotten usw. - ist ja unglaublich, wieviel "Abtrünnige" es gab.)
Es ist immer dieses ungesunde Regeln bei allem Christlichen, was mich abstößt - das "heilig" sein wollen.
Wie stehts doch im Siddhartha so treffend: "Auch die Sünde ist ein Weg zur Heiligkeit."
In diesem Sinne: FF. L.

 Regina meinte dazu am 23.12.14:
Nun ja, wahrscheinlich ist der Spruch "ex oriente lux" nicht unbegründet. Allerdings habe ich auch schon viel euroasiatischen Krampf gesehen, dann nämlich, wenn sich das westlich sozialisierte Ego dann doch wieder im Namen der neu aufgenommenen Religion aufbläht und neues Bewusstsein kaum aufkommen lässt.
(Antwort korrigiert am 23.12.2014)
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