Die emotionale Pest und das Wurmloch - Interstellar von Christopher Nolan

Kritik zum Thema Mond/ Sterne

von  toltec-head

Das geschlossene Leben in seiner Faulheit denkt sich gern in so etwas wie 4. Dimensionen hinein und statt zu leben, rettet es die Welt. Warum, wenn die Umwelt zerstört ist, nicht unter Einsatz des eigenen Lebens durch Reise zu einem fremden Planeten? Lebt man doch, so das Film-Mantra, ab dem Moment, wo man Vati oder Mutti ist, doch nur noch dafür, eine Erinnerung in dem Gedächtnis seiner Kinder zu sein. Die der Umwelt auf diese Weise auf´s Schönste mit der Verschmutzung des Geistes ergänzen. Ein heimlicher Hass auf die offene Umwelt (diese Holes-all-open-Party) treibt das geschlossene Leben zu immer neuen Kapriolen. Wenn es nach ihm ginge, müsste die emotionale Pest auch noch die n-te Dimension und sämtliche Paralleluniversen durchdringen. Der Urknall, die Singularität: ein frisch gebackenes Magister-Frisuren-Fräulein, das Ich liebe dich flüstert. Verdacht gegen Einstein & Co (der Physiker Kip Thorne beriet Nolan bei den Dreharbeiten). Die schlausten Gleichungen sind Wissen des nicht Wissenswerten, wenn sie einen nicht doch auch ein bisschen freier machen. Schriebe ein Stephen Hawkings Gedichte, käme sicherlich die allerübelste Menstruationslyrik dabei heraus. Wofür also die ganze Mathematik? Die emotionale Pest überwindet man nicht dadurch, dass man von Berufs wegen von ihr abstrahiert. Man muss schon auch Zuhause den Stecker ziehen und die Stimuli, die uns sentimental und faul werden lassen, kappen.

Interviewer: Welchen Effekt wird die Raumfahrt ihrer Meinung nach auf Astronauten haben? Werden sie sich dadurch vollkommen von der Erde lösen können, physisch wie mental?

Antwort: Keine Konditionierung kann ihre Kraft behalten, wenn die sie produzierenden Stimuli gekappt werden. Die Erde auch nur für einen kleinen Moment zu verlassen, ändert den gesamten Gesichtspunkt einfach deswegen, weil der gesamte Kontext, der unseren gegenwärtigen Gesichtspunkt hervorbringt, einen nicht mehr gefangen hält.

Interviewer: Nicht sehr viele Astronauten scheinen diesen Effekt bemerkt zu haben.

Antwort: Das liegt daran, dass sie Leute mit einem sehr beengten Gesichtskreis dort hoch senden. Ich denke, das geschieht mit Absicht. Sie wollen nicht, dass irgendjemand dort hoch kommt, dem wirklich bewusst wird, was da passiert. Sie suchen deshalb ausschließlich sehr normale, sehr konventionelle menschliche Wesen für die Raumfahrt aus.

Es gibt in den Briefen von Poussin keinerlei Spur des Empfindens der geringsten Verpflichtung gegenüber seinen Eltern. Auch in den späteren äußert er niemals Bedauern, sich von ihnen entfernt zu haben. Ab dem Moment in seinem Leben, in dem er sich durch einen Kraftakt nach Rom transplantiert hatte, verlor er jegliches Begehren nach einem Zuhause, man sollte meinen sogar jede Erinnerung daran. Gide in den Falschmünzern Desjardins Poussin Biographie zitierend.

1968, Kubricks 2001: Odyssee im Weltraum war doch mit der Musik von Ligeti und nicht den impotenten Heldenleben-Klängen von Zimmer im Hintergrund noch so etwas wie ein Poussin im Weltraum.

Die Schließung scheint indes 2014 vollendet.


Anmerkung von toltec-head:

Interstellare-blumige-Begrüßungskarte:

http://www.newyorker.com/culture/richard-brody/interstellar-flowery-greeting-card

Dietmar Dath, schließlich verfilmt Nolan vielleicht auch mal einen seiner Mit-Internet-hätte-die-DDR-funktioniert-SciFi-Schinken, wird´s auch ganz blumig:

http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/kino/christopher-nolans-film-interstellar-13245869.html

In allen von mir bislang gelesenen Kritiken fehlt die Feststellung, dass der als verbrecherisch dargestellte Dr. Mann der einzige den Verblendungszusammenhang durchbrechende Mensch des Films zu sein scheint.

Möchtest Du einen Kommentar abgeben?
Diesen Text kommentieren

Kommentare zu diesem Text

oK0 (37)
(02.01.15)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 toltec-head meinte dazu am 02.01.15:
Pat ist back, Hurra.
parkfüralteprofs (57)
(02.01.15)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 toltec-head antwortete darauf am 02.01.15:
Who is the tranquil gentleman who won’t salute the State
Or serve Nebuchadnezzar or proletariat
But thinks that every son of man has quite enough to do
To paddle down the stream of life his personal canoe?

Ich hatte es so verstanden, dass Dr. Mann das ist, der es sich besser überlegt, sich nicht für die Menschheit opfern lassen und zur Erde zurückkehren will. Blöd, dass er wie Ripley dafür über Leichen gehen muss. Wie man mit den vielen busybodies um einen herum umgehen soll, ist aber eben schon eine existentielle Frage. A propos Ripley. Den einst so talentierten Damon hoffnungslos middle-aged durch´s Eis stapfen zu sehen, war für mich der eigentliche Schock des Filmes. Wollte es erst nicht wahr haben und hab extra den Abspann abgewartet. Sic transit.
parkfüralteprofs (57) schrieb daraufhin am 02.01.15:
Diese Antwort ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 toltec-head äußerte darauf am 03.01.15:
Klar hab ich nicht alles verstanden. Die Filme von Nolan sind ja alle so gemacht, dass du sie mehrmals sehen müsstest, um alles zu verstehen. Als wenn es Joyce oder Nabokov wäre. Wozu ich aber nicht bereit bin, denn: Es ist letztlich eben doch nur Popcorn-Kino! Ist auch was gefährliches, dass Pocorn-Kino große Literatur spielt. Hier sind letztlich die gleichen Mechanismen am Werk, die aus der Independent-Musik Mainstream gemacht haben. Nimm die Sache mit der Selbstbezüglichkeit, also das, was du bei Nolan Leben-kehrt-in-sich-selbst-zurück-Film oder besser noch Film-kehrt-in-sich-selbst-zurück-Film genannt hast. Das kommt eigentlich direkt aus Nabokov und wird in der Literatur selbst seit Jahrzehnten von Leuten wie Kehlmann oder Krausser (um nur 2 Deutsche und nicht Legionen von Amis zu nennen) auf Kleinformat gebracht. Nun, Kehlmann und Krasser können da nicht viel Unheil anrichten, sind halt wie die Legionen Amis Abklatsch. Die Abnutzungseffekte, die das Popcorn-Kino hervorbringt sind aber ganz anderer Art. Das hat tatsächlich was vom Kannibalismus schwarzer Löcher. Die Selbstbezüglichkeits-Effekte wurden von Nabokov eingesetzt, um genau das zerstören, was das Popcorn-Kino zelebrieren will: konventionelle Moral, Familienwerte, Sentimentalität. Wenn sich das Kino nun seinerseits dieser Effekte bedient, ist das wie eine Rache. Und das schlimme ist: sie funktioniert. Krausser und Kehlmann wirken dann nicht nur wie schwacher Abklatsch. Sondern: Die Techniken des modernen Romans wirken dann à la longue einfach nicht mehr, verpuffen, es ist wie mit der Indiemusik, deren Sound vom Mainstream imitiert wurde, sie wird zu etwas lächerlichem.
(Antwort korrigiert am 03.01.2015)
parkfüralteprofs (57) ergänzte dazu am 04.01.15:
Diese Antwort ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 toltec-head meinte dazu am 05.01.15:
Bleibt zu hoffen, dass es auf dem neuen Planeten für die nächsten 3.000 Jahre keine lispelnden Physik-Professoren geben wird, die gut stalinistisch die Gattung über das einzelnen Exemplar stellen.

Und dass die deutsche Filmkritik dort dann vielleicht besser wird. Gleiches Spiel, Cloud Atlas.

The New Yorker:

http://www.newyorker.com/the-front-row/synchronized-banality-cloud-atlas

Herr Dath aber findet´s mal wieder toll:

http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/kino/video-filmkritiken/video-filmkritik-cloud-atlas-die-tanzenden-scherben-der-zeit-11955860-p3.html

Und wo andere eben die synchronisierte Banalität sehen, die es in Wirklichkeit auch ist, wittert er große Literatur:

http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/tom-tykwer-verfilmt-cloud-atlas-im-sturmwind-der-unwirklichkeit-11944125.html
parkfüralteprofs (57) meinte dazu am 05.01.15:
Diese Antwort ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.
AbrakadabrA (45)
(03.01.15)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 toltec-head meinte dazu am 03.01.15:
Ich glaub, du gehst gar nicht ins Kino. Warum immer nur Lyrik? Du bist doch erwachsen.
AbrakadabrA (45) meinte dazu am 03.01.15:
Diese Antwort ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 toltec-head meinte dazu am 03.01.15:
So was wie die Martina Navratilova der Lyrik also, du bist, will sagen, verwechselst da was ganz grundsätzlich mit einem Tennisschläger, aber könn man ruhig weiter, juckt eh niemand.
parkfüralteprofs (57) meinte dazu am 04.01.15:
Diese Antwort ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.
parkfüralteprofs (57)
(05.01.15)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 toltec-head meinte dazu am 15.01.15:
Einem Film, der einen einen kurzen Blick auf den Arsch von Ben Wishaw erhaschen lässt, verzeiht man indes so einiges.
parkfüralteprofs (57) meinte dazu am 15.01.15:
Diese Antwort ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.
Möchtest Du einen Kommentar abgeben?
Diesen Text kommentieren
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram