Einsam im Abendland, Teil 2

Essay zum Thema Diesseits/ Jenseits

von  LotharAtzert

"Wissenschaft ist nur Austausch unserer Unwissenheit gegen Unwissenheit von neuer Art."
Gordon Lord Byron (22.01.1788 - 19.04.1824)

Das ist eine etwas andere Art der Fügung, die Byron so hat sprechen lassen.
Das waren einmal Gefüge der alten Welt, die Antike mit ihren rohen und feinen Gestalten. Poseidon, Uranos, Aphrodite, Kronos mit der Sichel - edel Gesinnte gegen Brutalos ... Klare Bilder waren das, von klärenden Menschen aufgefangen. ...
Und von da ab gings bergab mit Fügung und Gefüge ... zur Renaissance (frz: Wiedergeburt, 1400 - 1600) wo jenes Altertum das erste mal wiederaufbereitet wurde, das Christentum warf seinen Kreuzkümmel dazu - bis zum Auftritt Savonarolas und seines Nachfolgers Luther - der stechende Schmerz, bis im Barock Lebensfreude und Üppigkeit der Privilegierten zum Unfug eines stetig gestelzteren Eigendünkels der Aufklärung reifte.
"Wissenschaft ist nur Austausch unserer Unwissenheit gegen Unwissenheit von neuer Art."
Das Neue war: Behauptetes objektiv im Experiment beweisen bzw. wiederholen zu können. Da war der Sokrates (470 - 399 v. Chr.- "Ich weiß, daß ich nichts weiß") - noch von anderem Schrot und Korn.
Der Eigendünkel - was ich dunkel weiß, weiß auch die Dunkelheit von mir, um den bekannten Nietzsche-Spruch vom Abgrund einmal abzuwandeln. Der Eigendünkel gipfelt im Glaube an ein nicht weiter beweisbares, substantiell aufgefasstes Ich: "Ich denke, also bin ich!" (Rene Descartes 31.03. 1596 - 11.02. 1650)

Wo um alles in der Welt, sollte unsereiner da noch eine gefügte Heimat finden?
Einsam ist mein Schreiben, aus zahllosen Wunden blutend. ALLEIN MIT DER TINTE, ohne Aussicht, das Fässchen pathetisch an die Wand zu schmeißen, weil ein Teufel mir dort ... nein, den Songe Vert schmeiß ich auf keinen Fall. ...
Wo um alles in der Welt sind die heimatlichen Gefüge geblieben - wo ein Hölderlin, ein Byron, Lermontow, wo sind diese flüchtigen Hundessöhne, wo Mary Shelley, Sapho, Dido und und und ...

Kein Baum mehr, aus dem Paradiesvögel lieblich sängen. Die Jahreszeiten - durch Menschenwillkür verdorben; kein augenentzückendes Liebchen kommt tanzend-scherzend über den Regenbogen; Brunnen spenden längst kein "frei zugängliches" Wasser mehr;  - weils von der Quellenmafia "vermarktet" wird. Freund Mattes gestorben und erst nach Monaten gefunden - der Musikant litt zuletzt an Hartz 4 und so weiter und so fort. Da fügt sich nicht mehr viel.
Die deutsche, einst von Dichtern wie Hölderlin (20.03. 1770 - 07.06. 1843) und Denker, wie Schopenhauer (22.02. 1788 - 21.09. 1860)  zur Blüte gebrachte Muttersprache verfällt in großindustriell gemanagte Ausübungszeichen ... Jetzt stelle ich mir lieber nicht vor, was ein staatsdienernder Psychiater mir "dia-gnosti-zieren" würde.

Es war vor allem Schopenhauers Verdienst, den Deutschen den Buddhismus in ersten Ansätzen nahe gebracht zu haben, auch wenn er das pessimistische Element für den Geschmack der Meisten überbetonte.
Jener Gautama Buddha (ca. 544 - 483 v.Chr.) lehrt eine andere, unchristlichere Sicht der Dinge: Extreme vermeiden. Das hatte vielleicht auch Kant ursprünglich im Sinn mit der Vernunft. Aber dann stürzte er sich Hals über Kopf in diese Verabsolutierung des kategorischen Imperativs und die "geistige Elite" des Abendlandes hinterher.
Buddha lehrt differenzierter, nämlich auf drei verschiedenen Ebenen, je nach dem, welche Verblendung im Menschen die Vorherrschaft hat.

- Den Einfachen lehrt er das HINAYANA - Die vier edlen Wahrheiten: Leid, Leidentstehung, Leidüberwindung und den Weg, der dahin führt - nämlich Gutes tun und Böses vermeiden.

- Für die Denker, die das Vereinfachen eher skeptisch sehen, offenbart Er das MAHAYANA - die Sutras, Schriften zum fortschreitenden Klären des eigenen Geistes - bis Leerheit und Klarheit im Nichtselbst gipfeln.

- Und die Furchtlosen lehrt Er den kurzen Pfad, das VAJRAYANA, dh. die direkte Sicht in das Sein, wie es ist -  Mitgefühl und Weisheit, so wie es sich manifestiert in Körper, Sprache und Geist.

Der Buddhismus ist im Mutterland Indien so gut wie ausgestorben. Schon als die Engländer das Riesenreich 1858 okkupierten und westliche Einflüsse das Land überschwemmten, waren seine Praktizierenden in der Minderheit. Dafür sind sie andernorts integriert, über China, Japan, Tibet, bis nach Amerika und Europa erstreckt sich heute sein Einfluß. Dieser Baum wird Früchte tragen ...
Die streng vegetarischen Jainas sind dagegen auch zahlenmäßig nicht weit gekommen, aber dafür bis in die oberste Etage der deutschen Bank hinauf. (Anshuman Jain, Co-Vorstandsvorsitzender der DB seit 2012, geb. am 07.01. 1973 in Rajasthan ) Das verrät viel über die Gegenwart Indiens, - den Zwang durch die Engländer, zur Abkehr von der eigenen Herkunft, zugunsten des westlichen Materialismus, zum Atomstaat, den auch Mahatma Gandhi (02.10.1869 - 30.01. 1948)  mit seiner Rückbesinnung auf die eigenen Wurzeln nicht verhindern konnte.
In der Vergangenheit Verursachtes ist in seiner Auswirkung nicht mehr verhinderbar. Die Zeit wirft immer in Rhythmen das Zeitgemäße in den Raum; ein Fluß auf seinem Weg zum Meer. ...

Es liegt dem Verfasser fern, die Antike zu verklären oder zu verabsolutieren und dem Vergangenen mehr als drei Tränen nachzuweinen. Alles fließt und was vorbei ist, ist vorbei. Und wer sein Haupt beugt, sieht durch das klare Wasser den Grund, wo immer Wasser - das Unbewußte - geklärt ist.
Was immer geschieht - möge es genau so geschehen. Diese einfache Lehre des Maha-Ati (Nondualismus) wird von den Moralisten mit Verächtlichkeit bedacht. Weil jeder Anständige edel, gut und hilfreich zu sein hat. - das als Symptom der Krankheit des Abendlandes.

Das Leben ist ein endloser Fluß. Nicht jeder Tropfen findet den direkten Weg zum Meer. Einige verdunsten, einige werden als glänzender Tau wiedergeboren. Andere gehen durch Schweißdrüsen, stillen Durst und transportieren Mineralien. Oder gelangen durch Därme ins Freie zurück. Wieder andere dürfen in Trauben Zucker binden ... ich zucke, du zuckst, er sie es sind entzückt, wie auch immer: das Wasserprinzip ist ein fließendes Mysterium. Ohne Anfang, ohne Ende, weder Mitte, noch Rand ...

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Kommentare zu diesem Text


 Regina (14.01.15)
Wann war die gute alte Zeit nochmal genau? Allen standen die edel Gesinnten sicherlich auch in der Antike nicht zur Verfügung? Und Indiens Blütezeit ist noch länger vergangen.Und China müsste sich erst wieder rückbesinnen, nachdem es sich westliche Theorien wie den Kommunismus und die Globalwirtschaftspolitik zur Maxime gemacht hat. Nun, Euro- und Americanobuddhismus müssen die Welt retten und das versuchst du hier.

 LotharAtzert meinte dazu am 14.01.15:
Sag mir nicht, was ich versuche. Das macht fuchsiberlin (auch ein Widder - langsam, langsam, Leute ....) schon seit geraumer Zeit auf seine unübertrefflich naiv-verdrehte Art.
Punkt 1: Ich will niemand retten, weil sowieso alle gerettet SIND.
Punkt 2: Mein Favorit unter den antiken Philosophen ist Heraklit - und von dem der Satz: "Einer gilt mir Zehntausend." Das hab ich öfters schon so geschrieben, also nix neues. Das meint unter anderem, daß es nur auf diese wenigen, eben diese Zehntausendertypen ankommt. Die lenken den Fortgang der Welt, nicht die meinenden "Wählerinnen und Wähler, nicht die Menge, die bestenfalls Kanonenfutter für Wahnsinnige ist.
Euro-Amerikanobuddhismus und die Chinesen - da stimmen wir vollkommen überein, keine Frage, aber darum geht es mir nur am Rande.
Trotzdem Danke, es ist ja gut, diese Dinge Schritt für Schritt zu klären. Ich bin ja bereit, beharre nicht auf Allgemeinheiten - nur am Himmelsprinzip werd' ich als Dienender weiterhin festhalten!
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