Spargelröllchen

Text zum Thema Kinder/ Kindheit

von  princess

Ich sitze auf dem Bett
in deinem Zimmer und

was?

Ja du, eigentlich wollte ich
bei den anderen bleiben aber

wie?

Doch, natürlich sind alle gekommen.
Oma hat ordentlich aufgetischt
weiße Damasttücher Kristallgläser
das gute Sonntagsgeschirr
von Villeroy und Boch
sieht echt toll aus das kalte Buffet
Hühnersalat gefüllte Tomaten
Frikadellen russische Eier
Parmaschinken Lachs Käsewürfel
und inmitten all der Köstlichkeiten
diese gigantische Platte voller
Spargelröllchen.

„Er isst sie doch so gerne!“

Opa trinkt einen Steinhäger 
nach dem anderen Mama
trägt ein neues Kostüm du

dein Bett riecht wunderbar
nach Papa alles wird gut nur

wann?

Morgen bist du ja immer noch tot.

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Kommentare zu diesem Text

Ecnal (50)
(22.03.15)
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Sätzer (77) meinte dazu am 22.03.15:
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 princess antwortete darauf am 22.03.15:
Das ist ein schönes Schweigen, das Ihr beide hier für mich hörbar gemacht habt. Dafür bedanke ich mich sehr herzlich! Liebe Grüße, Ira

 AZU20 schrieb daraufhin am 22.03.15:
Ich schweige auch lieber. LG

 princess äußerte darauf am 22.03.15:
Danke, dass du es mich hast wissen lassen, lieber Armin!

 larala (22.03.15)
Ich setze dem nichts entgegen, lasse mich mitreißen von einem Strudel aus Endgültigkeit, Schmerz, Verlorenheit, ohne nach etwas greifen zu wollen. Außer vielleicht nach deiner Hand.

 princess ergänzte dazu am 22.03.15:
Das mag ich sehr. Dein Mitschwingen und dabei sein. Das ist so, als hüpftest du mitten in den Text und gucktest dich von dort aus in ihm um. Es ist ein schönes Gefühl, so gelesen zu werden. Ich danke dir!
janna (66)
(22.03.15)
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 princess meinte dazu am 22.03.15:
Du bist eine prima Ahnerin, liebe Janna! Ich freue mich sehr, dass deine Spürnase dich hier glasklar durch den Text geleitet hat. Danke und herzliche Grüße, Ira

 Regina (22.03.15)
Vielleicht stehe ich ja auf der Leitung, aber die Bezüge verwirren mich. Wer wird hier mit "du" angesprochen und wer ist gestorben? Wessen Bett ist das, wenn die Mutter in der dritten Person erscheint? Und wen meint die Großmutter mit "er"?

 princess meinte dazu am 22.03.15:
Es gibt so viele Leitungen, liebe Regina, da kann man schon mal auf der einen oder anderen rumstehen. Vielleicht habe ich die Leitung hier aber auch nur verwirrend gelegt.

Ich versuche es mal anders: Du bist gestorben, Papa. Ich sitze auf deinem Bett und erzähle dir von deiner Beerdigungsfeier. Dein Tod ist so frisch wie die Spargelröllchen, die Oma extra für dich in großer Menge produziert hat. So als lebtest du noch. Sie spricht sogar unverändert im Präsens von dir. Ist es jetzt klarer?

Vielen Dank für dein Nachfragen und liebe Grüße, Ira

 Kontrastspiegelung (22.03.15)
Also, ich kenne den Unterschied zwischen den russischen und deutschen Eier nicht, aber das muss auch nicht sein, wenn die Atmosphäre stimmt ;)
Musste zugeben, den Text mehrmals zu lesen, wobei ich anfangs, die Thematik übersah und entsprechend ein anderes Sichtfeld hatte bzw. es schwieriger ist. Man muss überlegen, wer hier die Momente "was?", "wie?", „Er isst sie doch so gerne!“ und "wann?" spricht, achja und "Morgen bist du ja immer noch tot." diese Stelle. Ob es evtl. auch ein Selbstgespräch ist? Hm... aber am Ende wird es klarer, wenn man sich die Bilder noch einmal zusammen reimt.

Es wird vieles gut! ;)
- Ist noch was raus muss, mit einem lieben Gruß verbunden, Kathi
(Kommentar korrigiert am 22.03.2015)

 princess meinte dazu am 22.03.15:
Liebe Kathi,

[exturl= http://www.hr-online.de/servlet/de.hr.cms.servlet.IMS?enc=d3M9aHJteXNxbCZibG9iSWQ9MTg5MDE3NDEmd2lkdGg9NDIwJmlkPTUwODM3MzIx]russische Eier[/exturl] kann man durchaus auch mit deutsche Eiern machen. Sie waren in den 60er/70er Jahren ebenso wie Spargelröllchen, Käsewürfel und gefüllte Tomaten die Partyknüller schlechthin. Ich dachte, dass man von der Zusammensetzung des Buffets auf diese Jahre hätte schließen können. Aber dazu muss man sie wahrscheinlich selbst erlebt haben.

Ich freue mich über deine Gedanken zum Text! Herzlichen Dank und liebe Grüße, Ira

 EkkehartMittelberg (22.03.15)
Das Tragische braucht Zeit,
bis es Wirklichkeit geworden ist.
Wäre es nicht so,
man ginge daran zu Grunde.

Liebe Grüße
Ekki

 princess meinte dazu am 23.03.15:
Das ist ein Kommentar, der mich sehr berührt, lieber Ekki. Es ist jetzt fast 40 Jahre her. Und im Gefühl immer noch ganz nah. Hin und wieder kann ich nicht anders, als ihm ein kleines Denkmal zu setzen. So eines aus meinen Worten für ihn. Herzlichen Dank und liebe Grüße, Ira
Gringo (60)
(22.03.15)
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 princess meinte dazu am 23.03.15:
Taschentuch? Ob eins da wirklich genügt? Ich danke dir und schicke liebe Grüße, Ira

 Didi.Costaire (23.03.15)
Ja, da vergeht der Appetit.
Nichtdestotrotz lebendig geschildert.
Liebe Grüße, Dirk

 princess meinte dazu am 23.03.15:
Die Ereignisse damals und mein Gefühl darin sind bis heute für mich deutlich spürbar geblieben. Insofern freue ich mich ganz besonders über dein lebendig geschildert. Genau so fühlte es sich beim Schreiben an. Hab herzlichen Dank, Dirk. Liebe Grüße, Ira

 Corvus (26.03.15)
"...und nun stehe ich vor deinem Grab und fühle: Alleine".... eine Zeile aus einem Gedicht, welches ich irgendwo, irgendwann einmal las....

Auch mir fehlen Worte....

 princess meinte dazu am 26.03.15:
Hinter fehlenden Worten kann es manchmal recht laut sein. Ich danke dir! Liebe Grüße, Ira

 Songline (26.03.15)
Aus den Augen eines Kindes ... sehr gut erzählt. Die letzte Feststellung bleibt im Kopf und das ist unter anderem, was einen guten Text ausmacht.
Liebe Grüße
Song

 princess meinte dazu am 26.03.15:
Ja, dieses Kind. Es ist immer noch so nah. Hab herzlichen Dank, Song! Liebe Grüße, Ira
ues (34)
(18.10.15)
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 princess meinte dazu am 21.10.15:
Danke, dass du mir dein Empfinden hier gelassen hast. Ich freue mich sehr darüber! Einen lieben Gruß zurück.

 FloravonBistram (08.02.16)
Manchmal braucht es Spargelröllchen und viele Mahlzeiten mehr, um Unveränderliches begreifen und annehmen zu können.
lg Flo

 princess meinte dazu am 09.02.16:
Und manchmal kann man nie wieder auch nur an Spargelröllchen denken, ohne dabei denjenigen mitzudenken, dessen Leibspeise sie waren. Danke, Flo.

Liebe Grüße
Ira

 harzgebirgler (12.06.17)
"das fell versaufen" hat man einst genannt / den begräbnis-umtrunk, kaum noch bekannt. herzliche grüße von henning
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