Kein Ausweg, also bleibe ich noch

Text zum Thema Fremde/ Fremdheit

von  Jericho

Nach 20 Metern knips ich meinen Ipod aus, nach 100 werfe ich ihn in den Müll. Der europäische Traum baut auch nur Babylon und ja, genau darum habe ich die Uni geschmissen. Und natürlich wegen Tocotronic. Wenn es überflüssige Musik gibt dann diese. Ein Graffiti: „Stell dir vor es ist Krieg und keiner geht hin:“ Das sowas heute noch gesprüht wird...Ich stell mir vor es ist Krieg und alle machen mit, dann ist es wenigstens schneller vorbei.
Zeitungskiosk, Spiegel, Hitlertitelbild. Der einzige deutsche Superstar. Neben Beckenbauer. Krieg und Fußball, Deutschlands Geschenke an die Welt im 20. Jahrhundert. Meine Oma hat den noch Live gesehen. Beckenbauer mochte sie nicht. Mich auch nicht. Keine Zucht, keine Ordnung, degenerierte Musik undsoweiter. Irgendwie wars auch cool so eine Oma gehabt zu haben, aus der Distanz betrachtet. Von der Sorte werdens ja immer weniger und die anderen hatten so langweilige tolerante verständnisvolle Omas. Genau wie die langweiligen, toleranten, verständnisvollen Lehrer.

Kurz ein Gedicht für meine langweiligen, toleranten, verständnisvollen Lehrer in den 90ern:

Im Herzen
seid ihr Revoluzzer geblieben
vor allem jetzt im Staatsdienst
Langweilig: eure Drogengeschichten
Bedenklich: eure Utopien
Lächerlich: eure Klamotten
Bewundernswert: wie ihr den Widerspruch zwischen euren Träumen und eurem Leben schönredet

Ein Aufkleber am Laternenpfahl: „Boykottiert Israel!“ Die politisch korrekte Variante von „Kauft nicht bei Juden“. Politik ist immer ein Verbrechen. Zwischen den Stühlen zu stehen heißt einfach nur, sich nicht setzen zu wollen.

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Kommentare zu diesem Text


 Dieter_Rotmund (27.03.15)
Hier und da mir persönlich zu schnoddrig ("werdens") und moralinsauer (die Lehrerschelte), aber gerne gelesen.

 autoralexanderschwarz meinte dazu am 31.03.15:
Ich mag die moralinsaure Passage.
Gruß
AlX

 Judas (28.04.15)
Ich hab jetzt ein paar deiner Texte gelesen. Ich find deinen Schreibstil voll jut.

Ach ja Tocotronic. Weißt, bei uns auf'm Campus schreiben die Leute, die sich für den StuRa bewerben, immer noch Tocotronic-Zitate auf die Brust.
Eigentlich mag ich Tocotronic oder mochte sie, so mt 14 habe ich mir eingebildet, dass die genau das sagen, was ich nicht in Worte formulieren kann und blabla aber naja als ich eben den zehnten Slogan "Im Zweifel für den Zweifel" eines 21-jährigen StuRa-Bewerbers aus der Philosophischen Fakultät gelesen habe, fand ich mich plötzlich blöd, ihre Lieder zu mögen.


Manchmal klau ich trotzdem noch von ihnen.

 Jericho antwortete darauf am 28.04.15:
Ich hab eigentlich auch nix gegen die...aber ist musikalisch komplett nix für mich und auf die Texte hab ich darum auch nie so achten können. auf dem campus hatte ich diese Sicht aber exclusiv...
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