Ein früher Graffiti vom Kerameikos

Glosse zum Thema Wirklichkeit

von  toltec-head

In seinem Buch "Phrasikleia: Anthropologie des Lesens im alten Griechenland" berichtet Jesper Svenbro von dem Fund eines frühen Grafitti auf dem Kerameikos-Friedhof in Athen, der lautet: "Der Leser wird in den Arsch gefickt." Nach Svenbro ist es eines der ältesten griechischen Schriftstücke überhaupt.

Es scheint als seien diese drei Dinge von Anfang an mit einander verknüpft gewesen zu sein: Die Schrift, der Tod und die Perversion. Aufgrund unserer andersartigen Kulturation sind wir daran gewöhnt, von der Schrift als von etwas Verehrungswürdigem, etwas Hochstehendem zu denken und schauen mit Grausen auf grenzüberschreitende analphabetische Horden aus Afghanistan herab. Nun, für die (frühen) Griechen lagen die Dinge anders. Die Schrift war für sie ein Notbehelf. Die ersten Schriftstücke stammen ausschließlich von Totendenkmälern. Warum sollte ein Lebender - ein wirklich Lebender - eigentlich schreiben? Und vor allem: Warum sollte er eine derart herabwürdigende, den Glanz seines Körpers vollkommen außer Acht lassende Tätigkeit wie dem Lesen nachkommen? Es gab im alten Griechenland keinerlei Notwendigkeit Steuererklärungen oder andere Formulare auszufüllen. Aber gab es etwas ähnliches: den Tod. Daher Totendenkmäler, daher - der Tote konnte ja nicht mehr im Glanz seines Körpers sprechen - die Schrift.

Der Lesende aber wird in den Arsch gefickt. Wir sind von unseren sexuellen Identitäten besessen, die Griechen waren es von Unterscheidung nach aktiv und passiv. Das Graffiti überträgt diese Differenz auf die Schrift und das Lesen. Der Schreiber ist wie jemand, der in einem Sexualakt die aktive Rollen einnimmt, der Leser die passive. Ein großer Leser = eine große Schwuchtel, das ist ganz klassisches Gedankengut. Die Vorstellung sich durch Lesen zu bilden ähnlich absurd wie die Bildung durch Analverkehr. Man(n) bildet sich selbst durch schöne Taten, den klea andron, nicht dadurch dass man Fremdzeugnisse oder Schwänze in sich aufnimmt.

Klar auch, dass die Griechen bei Schrift nicht an Scheiden- sondern Analverkehr dachten. Die Schrift steht außerhalb der Ordnung des schön Lebendigen, sie ist nicht nur des Todes, sie ist pervers. Schreiben und Lesen sind perverse Tätigkeiten, Formen vampiristischer Fortpflanzung, die neben der Fortpflanzung der Lebendigen tritt.

Von den obszönen Graffiti des Kerameikos bis zur Menstruationslyrik und den Rentnerweisheiten auf LitForen ist es ein weiter Weg. Und trotzdem ist es so: jeder der schreibt, jeder der liest und sei es nur auf LitForen, tritt in ein Zwischenreich ein. Er ist beinah schon so etwas wie schwul. Er ist beinah schon so etwas wie - tot.


Anmerkung von toltec-head:

Jesper Svenbro, Phrasikleia, Anthropologie des Lesens im alten Griechenland, Wilhelm Fink Verlag, 2005

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Kommentare zu diesem Text

penny_puffreis (25)
(01.11.15)
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 toltec-head meinte dazu am 01.11.15:
Nachtigall ick hör dir trappsen:)
penny_puffreis (25) antwortete darauf am 01.11.15:
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 toltec-head schrieb daraufhin am 01.11.15:
Der übt noch im Bonnie Tyler Drag mit Mikro vorm Spiegel seine Songs. Nietzsche sollte man hier aber nicht zitieren.
oK0 (37) äußerte darauf am 01.11.15:
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penny_puffreis (25) ergänzte dazu am 01.11.15:
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 toltec-head meinte dazu am 02.11.15:
Ich glaube, in Wahrheit würdest du nur allzu gerne mit mir Shades of Grey spielen.
Stelzie (55)
(01.11.15)
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 toltec-head meinte dazu am 01.11.15:
So stellt sich Frau Aktivsein vor. Passive Aggressivität des Weibs, da hat man es mal wieder. Wie Schokolade.
SirGalahad (51) meinte dazu am 01.11.15:
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Graeculus (69)
(01.11.15)
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 toltec-head meinte dazu am 02.11.15:
Singular wie Plural geht auch. Mein Omphalos ist nicht deiner!

 Dieter Wal (01.11.15)
".... und die Perversion."

Könnte es sein, dass die "Homosexualität" des Nicks toltec-head so frei erfunden wie seine Ansichten über manche sexuelle Praktik spießig ist?
(Kommentar korrigiert am 01.11.2015)

 toltec-head meinte dazu am 02.11.15:
Ach Dieter, lass es. Du kriegst einfach gar nix auf die Reihe. Wie geht es deinem Kind?

 JohndeGraph (02.11.15)
Das traurige hieran ist ja vor allem, das ist noch nicht einmal Textarbeit. Das ist total kruses Zeug und höchstens Pseudowissenschaft. Da kommt also ein Laie daher und will uns Lesern aufgrund eines Fundstückes eine ganze Theorie unter jubeln, da es ihm gerade so passt.
Beweise daür keine, emphirische Datenbasis keine, genauere Daten zum Fundstück keine, Angaben zum Alter keine, Angaben zur Übersetzung keine, aber die Schlüße die der Schreiber uns hier nahe brigen will sind so ohne Grundlage, das es sich nicht lohnt es zu lesen. Es ist Theater, ausgedachtes wirres Geschreibsel das man als Trash bezeichenen kann.
Grüße J.d.G.

 Dieter Wal meinte dazu am 02.11.15:
Dieser Nick trollt in seinen Texten. Eine Kunst für sich. Ich glaube, er würde gern besser schreiben. Manchmal gelingt es ihm sogar, meistens leider nicht.

 toltec-head meinte dazu am 03.11.15:
Ich bin doch schon überglücklich, wenn ihr beiden Heten mich hier ohne ein Tugend-Komitee einzuschalten mein Unwesen treiben lässt. John ist mit seinem entsprechenden Vorschlag beim Webmaster zwar abgeblitzt, jetzt geifert er trotzdem schamlos weiter. Dabei könnte er mal wieder ein Gedicht schreiben. Und Dieter sich um sein Kind kümmern. "Akif Pirincci als Lehrmeister (3) - Warum, wenn normale, steuerzahlende Männer lyrisch werden, nur Schwachsinn rauskommt"

 JohndeGraph meinte dazu am 03.11.15:
Menschen wie du hinterlassen oft am Ende ihres Lebens ein Büchlein mit einhundertsechzig sehr dicht beschriebenen Seiten, wovon sie zwanzig Stück beim Verlag bestellen mussten, damit es überhaut gedruckt wurde. Der Inhalt sind ihre Lebensweisheiten die so abstrus sind, dass sie noch im Nachhinein zeigen, wie verdreht sie im Leben waren.
Entwirre dich mal wieder und wer giftet denn, wenn er dir unter deine Texte schreibt, was sie sind? Grüße J.d.G.

 JohndeGraph meinte dazu am 04.11.15:
Aber, aber das größte Arschloch ist doch noch immer der, der beleidigend wird, obwohl er nicht mal weiß worum es geht, aber trotzdem unbeding mitreden muss. Überflüssig dieser Kommentar, wie toltec-head´s Drohung davor und genau so sinnlos wie unnötig. Grüße J.d.G.

 toltec-head meinte dazu am 04.11.15:
Lieber J.d.G., wir wissen jetzt alle zur Genüge, dass du der J.d.G. bist. Du musst es also nicht immer wieder aufs Neue in ermüdender Weise hinter jeden deiner Kommentare klatschen. Liebe Grüße Deine Muschi
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