Afrikareise - Ruanda - Kigali VII

Erzählung zum Thema Abenteuer

von  pentz

7. September 2015 Montag
9 Uhr

Bunamwaya/Kampala – die letzte Woche beginnt, früh wachgewesen, um 8 Uhr aufgestanden, auf einem Sessel in gebeugter Haltung und gebückter Stellung mangels Ständer bügle ich. Dann gefrühstückt, noch geduscht, eine Kopie von Kambalas Stadtplan gemacht, schließlich wollte ich nicht mein schweres Touristenbuch mitschleppen.
Andrew arbeitet, Achy geht mittlerweile in die Schule, Fred kocht im Hotel, nur Joanita ist da. Sie kränkelt längere Zeit schon.
„Heute wollen wir Mal zum Doktor gehen!“
„Fühlst Du Dich krank?“
„Ja!“
Seit dem ersten Tag meiner Ankunft müsste sie schon krank gewesen sein, hat doch Andrew gesagt, sie arbeite gerade nicht, da sie sich unwohl fühle. Einmal ist es sie, das andere Mal ihre Tochter, die krank zu sein scheint. In Wahrheit fühlt sie sich in ihrer Lebenslage nicht wohl. Außerdem dürfte der Laden in der Ausfallstraße der Großstadt auch nicht der große Renner sein.
„Ist es nicht Cloe?“
„Nein, dieses Mal ich.“
Wir machen uns auf den Weg, die Kleine natürlich mit dabei, welche sich gut an mich gewöhnt hat. Sie lächelt mich manchmal an.
Meistens spricht Joanita darüber, ein eigenes Geschäft zu eröffnen. Ihr Opa würde ihr dabei helfen. Von der medizinischen Stelle oder Einrichtung, zu der wir gehen, sei dieser Grundstücksinhaber.
„Ich glaube, Malaria zu haben. Deswegen müssen wir zu einer medizinischen Einrichtung gehen.“
„Aha!“
Eigenartig, als die Sprache auf Malaria kam, verneinte sie diese für ihren ganzen Clan. Nun soll sie selbst welches haben. Was anderes steckte dahinter.
Unterwegs träumt sie von ihrem Laden in der Innenstadt, welche Dinge sie verkaufen würde, wie sie ihre Tochter einer Gouvernante, Kindermädchen oder Erzieherin überantworten würde, während sie...
Wir irren lange durch die weitläufige Stadt Kampala. Nach einer langen Wegstrecke und Ankunft, muss ich austreten.
Als ich gerade aus dem Klo komme, sitzt doch unter anderem eine Frau am Boden, die lässig ihre Hand über das Knie gelegt hat, so dass die Handfläche offen nach außen steht, wie dies Bettler oft tun. Ich lege ihr eine Münze rein, da ich denke, ich sei angehalten, der Klo-Putzfrau und Reinigungskraft einen Obolus zu entrichten.
Gelächter erschallt. Was habe ich falsch gemacht?
Glücklicherweise steht Joanita nahebei, die die Peinlichkeit klären kann, weil ich mit meiner Mildtätigkeit auch Entwürdigung hervorgerufen habe: diejenige mit offener Bluse und herausstehenden Busen ist unter anderen eine Patientin. Nun sehe ich es, einige tragen einen Verband.
Man lacht allenthalben, ich meine, damit sei das Fettnäpfchen wieder zur Ruhe gekommen, in das ich getreten bin.

Fred, der Bruder von Joanita ist ca. 22 Jahre alt und hat schon einen 1 ½ alten Sohn, deren Mutter er aber nicht mag, worüber er jedoch kein Wort verlieren will und er hat eine ugandische Freundin, die zwar Peace heißt, ihm aber nicht Frieden verschafft, da er noch eine weitere Frau braucht, am liebsten eine weiße, deren Hautfarbe ihn so sehr anspricht, dass er von einer solchen gerne noch ein Kind haben würde: alles dreht sich hier ums Kinderkriegen.
Auch eine Ruanderin könnte ich ihm gerne mit nach Uganda bringen. Zuerst sein gegen Homosexualität, dann gegen nichtgleichaltrige Pärchen. Die Frau älter, eine Weiße und der junge Mann, schwarz, welcher nur es wegen der Geldgier sich mit jener einlässt. „Igitt, mir kommt...“, sagt er in seiner hohen, quietschenden, hochpubertären Falsettstimme und wendet sich entsetzt von dem Bild in der Zeitung ab.
Obwohl Koch hat er derartig durchtrainierte Muskeln, dass er es mit jedem aufnehmen kann, der ihm blöd komme, bewiesen an mehr als 10 solcher, die alle unterlegen waren.
Ragä und Politik ist ihm gleichermaßen zuwider.
Ersteres sei es untypische Ostafrikanische Musik, Westafrikanisch ja stark der englischen, japanischen und europäischen ähnlich, wie auch ein Musikmoderator bei der offenen Bühne im National Museum in Kampala behauptete. Ragä komme eher von kanarischen Inseln.
Bevor die offene Musikbühne beginnt, schauen wir den Tänzern im Opernhaus zu.
Der Regisseur tanzt am besten, schlabbert aber schon mit einem ziemlichen Bauch.
Es sind viele Pausen.
Fred äußert seine Bewunderung über Idi Amin, einen vormaligen Diktator Ugandas. Jede x-beliebige Frau aus der Bevölkerung habe er sich herausgepicken können. Er hat seine Frau mit einem anderen im Bett erwischt, so dass er diese wie ein Hähnchen seziert hat und die Teile ihren Verwandten geschickt und überlassen hat. Den Nebenbuhler soll er wie ein Hühnchen links und rechts in die Brust Haken gestoßen und aufgehängt haben, bis er erbärmlich krepiert sei.
Danach besuchen wir die Jam-Session im National Theater in Kampala. Ein mongoloider Tänzer begeistert, wenigstens hat es den Anschein, verbeugt er sich doch nach jedem Stück der Brass-Band aus dem Kongo hingebungsvoll vor seinem Publikum. Ein anderer Tänzer, der beim freien Vorsingen zweier Sänger über das ein Mikrophon mitsingt, nervt den Moderator, der immer wieder nach der Polizei ruft.
Als wir uns auf den Weg machen, verlangt der maschinengewehr-bewehrte Türsteher noch einen Beitrag für das an seine Seite Stellen meines Gepäcks. „Das ist Korruption!“ „Aber nein!“, lacht er dazu.
Wir machen uns auf den Weg zu einem Imbissladen, wo Freds Freundin Peace sein soll, aber nicht ist, wonach wir den Weg zum Busbahnhof nach Kikali, Ruanda antreten..
In der Dunkelheit der Nacht der Großstadt wird mir der Unterschied zwischen der Bevölkerungsgruppe der Hutu und Tutzi in Ruanda erklärt. Sie unterschieden sich, welch Binsenwahrheit, durch den Grad ihrer Dunkelhäutigkeit, welch epochale und geistreiche Erkenntnis, na wunderbar! Ich erinnere mich, dass er als einziger, als ich im Wohn-Lebenszimmer der Familie diese gezeichnet habe, misstrauisch, argwöhnisch und ängstlich geguckt hatte.
„Bring mir eine Ruanderin mit, bitte!“, fleht Fred mich an.
Mein offener Mund ist in der Dunkelheit nicht unterscheidbar.
Die finanziellen Auslagen gehen alle auf mich, versteht sich.
Wir erinnern uns, er schläft bei der Familie Andrews, da er sich noch auf der Suche nach einer passenden Wohnung befindet. Ich soll ihm am liebsten überall mit hinnehmen, wenn ich eine Reise mache. Habe ich einen Kuchen für Cloe gekauft, ist er sofort zur Stelle, wenn dieser zwischen Mutter und Kind geteilt wird.
„You are a parasite“. “Du bist ein Parasit!“, bezeichne ich ihn und er stimmt erfreut lachend dazu ein: „Ja, ein Parasit. Darin sind Afrikaner sehr gut.“ Gierig schiebt er sich ein Schokoladenteilchen in den Mund.
Nun, Afrika ist groß, sehr groß! Mal sehen, wie es in einem anderen Land zugeht...

9 Uhr 30
Ruandas Grenze überschritten, ziemlich wohl gedöst während der Fahrt. Eingelulltes Gefühl habe ich hier in Afrika der Wärme wegen. Ich fühle mich leicht schläfrig.
Als ich ankam, wollte ich wieder zurück, so verloren kam ich mir vor und so wenig wusste ich, was ich hier sollte. Dann bin ich die steilen Hügel hinaufgelaufen, mich verirrt, mich wieder einmal den teureren Hilfsangeboten erwehren müssen, bis ich schließlich von jemanden viertelstundenlang zur betreffenden Bushaltestelle geführt worden bin. Freundliches Ade, Tschüss, Mach’s-Gut, sprich bye,bye, salut, tschau...
Ich bin auch durch die ärmeren Regionen gekommen und gelaufen. Im Land der Tausend Hügeln ist Kigali imposant. Wenn man einem Hügel heruntergeht, kann man auf die anderen mit seinen vielen braunen, ärmlichen Häuseransammlungen sehen, die sich ein stückweit den Berg hochziehen. Die Bergspitze ist nicht besiedelt.

14 Uhr

In einem sogenannten Ruandaner Youth-Hotel [Entdeckungs-Jugend-Hotel], nachdem ich mich mühselig durch Kigali vom Busbahnhof aus durchgefragt habe. Sie scheinen wenig Englisch und Französisch zu können hier oder wollen nicht reden. Im Vergleich zu Kampala ist alles nummeriert und ausgeschildert, sauber, sogar das Leitungswasser ist zum Zähneputzen benutzbar. Heiße Getränke sind so teuer wie bei uns. Die nächtliche Busfahrt habe ich gut überstanden, ich bin ziemlich frisch und munter.
Mit jedem, mit dem ich es zu tun habe, Rezeptionistin, Barmann und Bedienung rückt das Wechselgeld nicht heraus. Ich bestehe darauf, sprich insistiere. Bei der Anmeldefrau unterlasse ich es.
Ich stelle fest, gestrandet zu sein, festzusitzen, wie ein Hippo auf einer Sandbank und von meiner Odyssee durch die steilen Serpentinen erschöpft, so dass es einer Erholungstour gleicht, hier auf den flachen Sitzbänken geplatzt zu sein. Sich hier zu erholen, ist jetzt besser, als in der Stadt herumzuirren, für irgendwelche Nachtschwärmerei und Abklappern von Szene-Kneipen, sprich nächtlichen Eskapaden schon zu spät.
Ich rechne meine Geldbeträge in den verschiedenen Währungen um, vergleiche sie und begreife sie kaum, ohne sie auf Papier niedergeschrieben zu haben.
Dreie davon sind es, für jede müssen die Möglichkeiten eingeschätzt werden: Dollar, Schilling und France und letztlich ist der Euro mein Maßstab. Erst nach mehrmaligem Lesens in unterbrochener Reihenfolge geht mir ein Licht auf, wie viel Perspektiven und Möglichkeiten sich bieten und auftun.
Ich habe nicht mehr viel angesichts der Preise für die angebotenen Unternehmungen, sprich Aktivitäten. Was bietet sich schließlich noch an nach meinen bisherigen Besuchen? Alle Tiere gesehen außer Tiger, Panther und Gorilla.
Außer des Erinnerungszentrums, sprich Memorial-Center, stoße ich auf nichts Sehenswertes mehr.

21 Uhr Abends

Vorm Tor steht eine bewaffnete Wache, wie im Film und Kino.
Eigentlich gefällt mir das durch und durch nicht, aber ich will nicht wegrennen.
Einheimische gesellen sich zu mir, der heute nicht raus will und hier verloren und alleine herumsitzt. Sie sprechen vorerst Ruandisch. Zunächst schüchtert mich diese Sprache mit ihrer klirrenden, knackenden und metallenen Härte.
Schließlich sprechen sie Englisch, eine Person sogar Französisch.
Zuerst komme ich mit einem Jungen in Kontakt, der meint, er besitze Freunde in Deutschland, in Berlin. Weitere Nachfragen blockt er jedoch ab, er muss gehen.
Die anderen weiblichen Jugendlichen babbeln nun drauf los über Studium, eigenen Friseursalon, familiäre Bindungen... Sie rauchen ungewöhnlicherweise auch, sind offensichtlich westlich-„zivilisiert“ und ich kann mir eine Zigarette schnorren.
Sie lachen drauf los, kichern und bewegen sich tänzelnd, während sie sitzen und reden.
Aber eine klagt über Langeweile und so will sie nach ihrer Ausbildung schnell raus, raus hier. An einem anderen Ort wird sie sich auch bald anöden.
`Mensch, Mädchen!´, denke ich, `Die Welt ist ein Ghetto.´

9 September 2015 Mittwoch

Unvergessen ist der Ruandische Völkermord, sprich Genozid.
Sie wurden in ein Fußballfeld getrieben und eingekesselt. Zuerst warfen die Häscher ein paar Granaten in die Menge, dann kamen sie mit ihren Macheten und meuchelten einer nach dem anderen ab. Sie wurden einzeln gequält. Männer, Frauen und Kinder. Von 8 Uhr bis 16 Uhr, wie bei einem 8 Stundentag. Die Zehntausende brauchten Zeit auf diese Weise umgebraucht zu werden.
Am nächsten Morgen kamen sie wieder. Dieses Mal hatten die Militärs noch etliche Freiwillige mitgebracht, die die Wehrlosen furchtlos vergewaltigten, quälten und was-immer-ihnen-einfiel machen konnten. Das Geschrei der Furcht war groß, viele wehrten sich und versuchten in der Menge unterzutauchen. Ich hoffe, die anderen und es sollen viele gewesen sein, flohen in der Nacht in andere Länder.
Plötzlich herrschte jedoch absolute Stille über den Köpfen der Menge. Frauen umarmten ihre Kinder und hießen sie schweigen. Man betete still. Devot, sprich alles über sich ergehen lassend, duldsam und huldvoll ließen sich die dichtgedrängten Menschen in dem Fußballfeld einer nach dem anderen vergewaltigen, malträtieren und abschlachten.
Das erinnert an die jüdischen Menschen, von denen sich die allermeisten nicht gewehrt haben, außer beim Warschauer Aufstand. Man hatte den Glauben, bildete sich ein, es werde so schlimm nicht werden, wohingegen in Ruanda die Menschen genau wussten, was auf sie zukam. Schier unfassbar...
Wie war es bei den Christen in Rom? Diese wurden auch niedergemetzelt. Aber freudig erregt sind sie bald in die Arenen hineinstolziert und wollten als Märtyrer sterben und möglichst bald in den Himmel kommen. Die Römer verloren den Geschmack daran, wehrlose Menschen niederzumachen. Ein paar Jahre später wurde das Christentum sogar Staatsreligion.

Ich sitze in einer Ecke mit dem Rücken zu den anderen, will nur unbeobachtet sein und nichts tun müssen. Ich möchte mich irgendwohin verkriechen. Warum habe ich das Gefühl, ich muss mich verstecken?

10. September 2015 Dienstag

12 Uhr 30
Bunamwaya/Kampala – zurück von Kigali, im Bus kaum geschlafen. Ich saß neben einer schwangernen, ohnehin schon breitknochigen Frau.
Am frühen Morgen heuere ich einen Boda-Boda-Fahrer an, der sich etliche Male verfährt. Am Schluß, in Bunamwaya/Kampala angekommen, verlangt er mehr als ausgemacht. Eine Besitzerin eines Ladens neben dem von Cloe vermittelt und übersetzt. Wir einigen uns auf die Hälfte des Draufschlags.

18 Uhr

Vor Erschöpfung habe ich bis Mitternacht geschlafen.
Immer wieder fällt die Stromverbindung aus. Ich bin beim Einkaufen gewesen und habe die Kinder der Nachbarschaft mit Eis und Kuchen versorgt. Ganz satt sind die Jüngsten nicht, denn kleine Jungs haben versucht, mir das Essen aus der Hand zu reißen. Aber das ältere Nachbar-Mädchen, das noch nicht zur Schule geht, nimmt das Essen ohne Gier an sich und verteilt es geduldig an die anderen.
Das Eis schmilzt schnell.
Der Abend ist frisch heute.
Obwohl Morgens die Sonne sehr stark scheint und schnell die Luft aufheizt, ist die Hitze besser zu ertragen als beim Kontinentalklima. Wärme oder Wetterverhältnisse körperlich „wegzustecken“. muss mit dem Feuchtigkeitsgehalt in der Luft zusammenhängen. In Afrika ist sie in dieser Jahreszeit sehr trocken.
Am letzten Abend lässt es sich Joanita nicht nehmen, erneut meine Wäsche zu waschen. Ich sage ihr, sie braucht sie nicht gründlich zu waschen, weil ich ja übermorgen zurückreise.
„Ich stehle Dir Deinen Pass. Du gehst nicht!“


Handwerker/Builder


Er wird als Muselmane vorgestellt, der sogenannte Builder, sprich „der Erbauer“, Handwerker, wohl Mauerer. Er ist aber offenbar unwillig. Klar, er arbeitet nur nach Maßgabe des vorhandenen Materials, und, wie gesagt wird, auch Handwerkzeugs, aber manche Erledigungen sind unaufschiebbar, soll nicht Schaden entstehen – so wie bei den nur halb verlegten Kacheln, die, wenn man durch den Flur geht, an den Rändern ausbrechen und beschädigt sind. Das ist das eine. Aber gestern, als er die aus den Angeln gesprungene Badtür reparieren sollte, brach diese inmitten entzwei, er lief davon, war telefonisch nicht mehr erreichbar.
Andrew, der Haus- und Bauherr, ist dennoch scheinbar unentschlossen, sich einen anderen Handwerker zu suchen. Allerdings den zum Bauen eines neuen Hauses übliche Vertrages will er nun nicht mehr mit ihm eingehen. Warum er allerdings überhaupt noch Kontakt pflegt und nicht schon längst einen anderen verpflichtet hat, kontert er so: „Er ist der Nachbar“, will heißen, mit diesen pflegt man Freundschaft [übrigens im Gegenteil dort, woher ich komme: Feindschaft um einen herum] und ist schnell erreichbar. Die gleiche Überlegung steckt hinter der Tatsache, dass sie die Bauziegeln aus dem hier herum stammenden Staub und roter Erde fertigen, ungeachtet deren Güte und Qualität. Diese verursachen auch die Feuchtigkeit in den Räumen.

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