Schnee

Skizze

von  Zeder

Als ob etwas passieren würde. K schaut abwechselnd auf seine Füße und auf die Kreuzung, auf Dinge, die verbinden. Wir wünschen uns beide hinüber, vielleicht ins Geschehen und irgendwie auch zusammen, aber so, dass uns nichts davon berührt, wir dunstig in unseren Mänteln über die Steine stolzieren, ohne etwas aussprechen zu müssen. Könnte K mit seinen Händen Dinge kreieren, wären wir umringt von Sachen, säßen in einem alten Auto und hörten Postpunk, tränken Schnaps dabei und lackierten uns die Fingernägel. Wir müssten nicht reden. Ein Mann stolpert und flucht in sein Handy, wir lachen dankbar. Wir drehen wieder Zigaretten und rauchen in die Spannung. Irgendwann haben sich unsere Hände ertastet und wir sind aufgestanden, drehen wirre Runden durch den Park. Zwischendurch fällt etwas Schnee und wir sagen: Schön so. Wischen unsere Flocken durcheinander. Ich habe Schnee gezeichnet, sagt K. Linkisch kramt er die Bilder aus seiner Tasche. Ich sehe mir perfekte geometrische Figuren an. Die sehen ja aus wie Blumen. Ja, sagt er. Aber eigentlich sind die meisten Flocken gar nicht symmetrisch.
Eine Frau fotografiert. Wir stehen an einem Brunnen und schauen den Staren auf den Bäumen zu. Ob sie nur der Kälte ausharren, frage ich. Ich glaube nicht, dass Staren kalt werden kann. Ist dir kalt?, fragt er. Ich lüge.
Minuten ohne Worte. Ich stell mir vor, wie wir in einem Karussell stehen, Zirkusfarben, wie wir in unseren Mänteln in Kreisen durch die Welt gewirbelt werden wie geometrische Muster, Kreise in Kreisen in Kreisen.  Wir haben den Brunnen umrundet, stehen eine Weile vor der pompösen Statue des Meergottes und betrachten Kelche und Nymphen. Ich sehe in blasse Gesichter mit Pathos und Schneehauben. Wir wollen einfach nicht nach Hause gehen.

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Kommentare zu diesem Text


 Skala (07.03.16)
Ja, sagt er. Aber eigentlich sind die meisten Flocken gar nicht symmetrisch.
Weil ich nicht wusste, ob ich das wörtlich oder nur im übertragenen Sinne nehmen soll, hab ich's gegoogelt, und siehe da, auch diverse Online-Lexika sind der Meinung, dass
] [w]eit häufiger als schöne, symmetrische Schneeflocken [...] jedoch asymmetrische und unförmige [sind]. Die regelmäßig erscheinenden Formen werden allerdings häufiger fotografiert und abgebildet. (Zitat Wikipedia, "Schnee")
Erstens, wieder was gelernt, und zweitens habe ich selten ein so schönes Bild für den menschlichen Perfektionswahn gelesen. Arme, unsymmetrische Schneeflocken.
Schön finde ich auch, wie sich die scheinbare Perfektion, die Symmetrie, zum Ende hin im Karussell wiederholt.
Der Rest des Textes gefällt mir auch sehr gut, aber die Schneeflocken blieben irgendwie hängen.

Liebe Grüße,
Skala
(Kommentar korrigiert am 07.03.2016)

 Zeder meinte dazu am 07.03.16:
ja, ich habe gerade mal versucht ein richtig schön asymmetrisches beispiel im internet zu finden, aber leider finde ich nur hübsche malvorlagen ;) vielleicht muss ich im nächsten winter selbst mal fotografieren.
übrigens wachsen schneeflocken dendrisch. habe ich bisher auch noch nicht gewusst.
danke dir!

 idioma (09.10.17)
Wirklich SEHR SCHÖN geschrieben !
Ganz wunderbar poetisch, gleichzeitig ganz unkitschig !
Wirklich sehr gern gelesen !
Die blassen Gesichter mit Pathos und Schneehauben
und dann der kurze Schluss - Satz : Genial ! Weil es kein Schluss ist ! Weil auch der Leser einfach nicht nach Hause geht, sondern bei den beiden im Park bleibt und weiterphantasiert.......
Einziger Zweifel bei diesem Satz :
"Ob sie nur der Kälte ausharren, ......"
- - - ist da nicht ein kleines Wort vergessen worden ?
z.B. "... nur wegen der Kälte....."
idi

PS : Soeben lese ich im Gedicht "Gipfel" :
"bewegungslos harren wir der Kälte aus."
Das ist ebenso formuliert >>> also ist das absichtlich so !?!
Nicht "....in der Kälte......" ?

Kommentar geändert am 09.10.2017 um 02:14 Uhr

 Zeder antwortete darauf am 09.10.17:
Hey idi, lieben Dank dir und freut mich, dass der Text dich so erreicht!
Ja - das ist mit Absicht so formuliert. Auch das marin in der neuen Skizze ist Absicht. Vielleicht etwas skurril, aber gewinnt ja auch eine etwas andere Bedeutung.. Viele Grüße
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