Donnerstags ein Sternenlicht, bitte.

Schundroman zum Thema Augenblick

von  Anifarap

Eines Tages: Er spricht sie an. Sie sitzt immer Donnerstags zwischen zwanzig und einundzwanzig Uhr in der ’Tigerhöhle’ und nippt ausdauernd an einem Weinglas mit goldbrauner Flüssigkeit, die aussieht wie Bier.
Um diese Zeit finden sich wenig Leute in dieser Spelunke, und so ist sie noch behaglich, die Luft durchsichtig und Parfüme bleiben zuordenbar.
Sie antwortet einsilbig auf die charmanten Versuche des Bar-Tenders, sie in die Flirtfalle tappen zu lassen. Sie sieht ihn nie an, nicht mal aus den Winkeln ihrer Augen, die Ernsthaftigkeit golden glänzen lässt.
Jas, Neins und die leichten, wie vom Sommerwind aufgescheuchten Kopfbewegungen verbinden sich mit der tönenden Tiefe ihrer Stimme zu einem Elixier, das Jimmy seit Tagen nicht mehr ruhen lässt. Das ihn verändert.
Er geht auf sie zu, bleibt im respektvollen Abstand von einem Atemstoß stehen. Blickt sie direkt an. Stanzt ihr Profil in sein Leben.
Obwohl er sie in seinen Gedanken nicht pimpern kann, gerät sein feingestricktes Kopf Muster nicht durcheinander.
Es ist das erste Mal, das er das nicht kann.
Sie ist überhaupt nicht sein Typ.
Nicht zierlich, nicht klein.
Keine Schwäche perlt aus ihr. Sie ist eine Mauer, aus der Sternenlicht pulsiert, wie ein Schlachtruf ins jüngste Gericht.
An manchen Donnerstagen hat sie einen Schmollmund, als wäre sie noch in der Pubertät.

Er steht, schon zu lang dort, trinkt ihr Abbild und verdurstet nur noch mehr an ihr.
Sie verbirgt sich unter einem Vorhang kastanienbraunen Haars und wendet langsam ihre Nase auf seinen Weg.
Sie schaut ihn an. Er tritt einen Schritt zurück, ein wenig schwankend. Ihr Blick ist bohrend, verrät alles, und nichts, wieder nichts, wie ein Tunnel durch das Meer gefurcht.
Sie wartet.
Ihre Art zu fragen.

"Hast Du vielleicht ein Skelett von einem Wellensittich? Ich möchte mein Ziervogelmobile vervollständigen."
Sie schüttelt leicht den Kopf, ganz leicht. Leiht sich den Charme des Barkeepers für einen kurzen Blitzmoment, schmunzelt etwas und blickt verdutzt in seine nachtblauen Irisvorhänge, die drohen, wie Großmächte einander im Kalten Krieg.
Sie sucht darin.
Fiebernd und unruhig wühlt sie in seinem Gesicht nach Anzeichen für einen Ausweg aus ihrer Unsicherheit.
Sie senkt den Blick, pinselt ihre Wangen rot und sagt fest:

"Nein."

Dann fesselt sie sich an die Theke, verschwimmt mit ihrem Glas und verliert sich hinter seinen Vorhängen. Er zögert, vermeidet ihren Blick und erkennt den Faden, der die Zeit um sie gespannt hat.

Jimmy setzt sich nieder vor seinem Bier und fühlt wie sie seinen Blick nicht verliert.


Anmerkung von Anifarap:

(Aus alt mach neu.)

Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Kommentare zu diesem Text


 drmdswrt (30.05.16)
(Aus alt mach neu.)
Gelungen.

 Anifarap meinte dazu am 30.05.16:
Danke.

 Dieter_Rotmund (30.05.16)
Wieso machst Du nach jedem Satz ein Absatz?

 Anifarap antwortete darauf am 30.05.16:
Weil es beim Vorlesen in meinem Kopf gebrochen klingt. Zu viel?

 Dieter_Rotmund schrieb daraufhin am 30.05.16:
Ja, finde ich in der Tat zu viel. Liest sich ein wenig wie Gehen über ein Stoppelacker!
Das Problem ist: So wird jeder Satz überhöht dargestellt. Das ist natürlich inflationär. Und, wenn ich das noch sagen darf, "nachtblaue Irisvorhänge" als Synonym für Augen - das ist doch zu kitschig...

 Anifarap äußerte darauf am 31.05.16:
Zu kitschig? Mag sein. Es ist jedoch nicht mehr oder weniger ein Schund.;-) Und ist Schund nicht inflationär?
Ich werde den Text nochmal beschauen, aber mir persönlich gefällt er so.
Absinth (62)
(30.05.16)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 Anifarap ergänzte dazu am 31.05.16:
Danke sehr!
Das mit den Absichten und Intepretationen ist immer so eine Sache, nicht wahr? ;)

Sonnige Grüsse,
es.

 EkkehartMittelberg (30.05.16)
Als Parodie eines Schundromans wegen seiner Tiefsinnigkeit und Bedeutungsschwere gelungen.
Gruß
Ekki

 Anifarap meinte dazu am 31.05.16:
Vielen Dank!
Und einen angenehmen Tag,

es.
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram