Ich heiße Madame Chanel und bin Dienstbotin bei Gaby und ihrem Mann Marcel. Nach meiner Arbeit bestelle ich im Internet. Das Bestellen im Katalog reicht nicht mehr. Ich verschulde mich bereits. Die Kartons stehen ungeöffnet in der Garage. Ich komme nicht zum Auspacken und will auch gar nicht auspacken. Ich will nur meine Gier nach Liebe stillen.
Gleich kommt Susanne, die ich praktisch groß gezogen habe, und ich kann sie mit meiner Liebe überschütten. Wie früher. Wie früher? Früher war ich für die Kinder die geliebte Madame Chanel, der Mutterersatz, die Mutter.
Heute komme ich mir vor wie Madame Kamel, ich darf mir nur noch die Streitigkeiten anhören, Streitereien schlichten und den Wahnsinnshaushalt aufrecht erhalten. Die gute Chanel. Das gute Kamel.
An mein eigenes Kind denke ich schon gar nicht mehr. Er wäre jetzt 25 Jahre, der Junge, doch er ist tot. Was von ihm noch übrig ist? Ich musste ihn begraben, nachdem sein Vater ihn zu Tode geschüttelt hat. Bewährung hat er damals bekommen, mildernde Umstände. Was ist mild am Tod eines Kindes? Ich musste damals in einen Haushalt mit kleinen Kindern, damit ich Abwechslung hatte und darüber hinweg kam. Ich wäre sonst verrückt geworden. Auf der Skala der Verrücktheit wäre ich vermutlich ziemlich oben anzusiedeln, doch da ich hier von lauter Verrückten umgeben bin, die es noch stärker erwischt hat, Augustine und Mamie und Gaby eigentlich auch - die sich nur cool gibt, aber eiskalt und unberechenbar ist - und natürlich Pierrette, bin ich in diesem Rahmen normal. Marcel ebenfalls. Doch das wird sich ändern.
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