Zuhause

Text zum Thema Ende

von  Erdbeerkeks

Niemals werden wir dieses Refugium bauen können.

Mein Kater streicht mir um die Beine, als ich mich langsam entwirre und versuche meine Lungen mit Luft zu füllen. Mit einem dumpfen weichen Geräusch lässt er sich vor mir auf das lila Gummi fallen und reckt mir seinen gefleckten Bauch entgegen, während seine gepolsterten Pfoten sich über seinen Kopf erstrecken, als wollte er meine Dehnübungen imitieren.
Ich sitze auf meiner Yogamatte  - eine Hand in dem weichen Fell, die andere um eine Tasse Erdbeertee geschlossen, den ich mir gestern gekauft habe und spüre beim Schlucken immer noch deine Hand, die sich kräftig um meinen Hals legt und mich unsanft zurückdrängt – vielleicht nicht länger als eine Sekunde, doch zu gewollt um es ein Versehen zu nennen.
Immer noch spüre ich den Türrahmen, der sich unangenehm kalt zwischen meine Schulterblätter drückt und ein schweres Atmen auf meinen Wangen. Sehe immer noch aus den Augenwinkeln, wie dämmerndes Licht durch das Schrägfenster im Badezimmerfenster fällt und rieche den Rauch, der in der Luft steht.
Wenn du nicht so betrunken gewesen wärst hättest du gleichzeitig vielleicht mit deinen Fingerspitzen den Kloß in meinem Hals ertasten können.
Vielleicht hätten deine Augen, die ganz nass und glasig waren (und irgendwie meistens die gleiche Farbe wie meine hatten), sehen können, wie viel Angst in mir lag, hättest du etwas genauer hingesehen, als ich mit beiden Händen deinen weichen und plötzlich fremden Körper von mir schob und fast zeitgleich in Tränen der Bestürzung ausbrach.  Weil du dich anfühltest wie ein Eindringling, obwohl sich alles wie immer in deiner Wohnung abspielte, eine Bedrohung oder Gefahr, als jemand, der mir lebenslangen Schutz versprach. Als ich dir später diese Angst schilderte verleugnestest du sie mit der Stimme, die mich öfter im Dreitagestakt verlogene Fotze oder Hure nannte, als dass sie sagte, dass du mich liebst.
“Jetzt übertreib mal nicht.”

Ich schrecke um 4:36 morgens aus einem Traum auf, in dem du mir mit einem gezielten Tritt meine Kniescheibe zertrümmerst. Die Panik wütet in meiner Brust wie ein tollwütiges Tier und während mich deine Hand auf meiner Schulter aus dem Schlaf rüttelt wiederholst du nur immer wieder „Hey, das war ein Traum. Alles okay. Es ist alles okay.“

“Aber steig bloß nicht in fremde Autos, ja? Wer weiß wer da drin sitzt.”, sagtest du manchmal.
Ein kleines schützenswertes Wesen. Ich hab das fast vergessen, aber ich glaube, du nanntest mich mal so, als deine Arme noch den Hafen meiner Welt und das Ende einer Odyssee bedeuteten. Als du mit Tränen im Augenwinkel nach unserem ersten Kuss feststelltest, wer ich bin und ich beim Frühstücken in Tränen über meinem Marmeladenbrot ausbrach, als ich dachte, ich hätte einen Anker gesetzt.
Wenn du deinen Kopf in meinen Schoß gelegt und geschlafen hast, habe ich manchmal vergessen, dass ich gleichzeitig in deinen Augen zu etwas abstrakten und gefährlichem herangewachsen bin, je näher ich kam.
Oft, wenn mich diese Gedanken nachts nicht schlafen ließen, bin ich aufgestanden, hab mir eine Zigarette angezündet und mich vor das Bett gekniet, um den regelmäßigen Atemzügen zu lauschen und zu beobachten, wie du lächelst, sobald meine Hand dein Gesicht berührt. Wenn du geschlafen hast, mochte ich dich am liebsten.

Ich glaube alles andere ist nichtig. Jedes kleine Detail, das mir wie Säure auf der Zunge liegt, jede Einzelheit deiner Mimik oder das Gefühl deiner Haare.
Du bist nicht mehr hier um zuzudrücken.

Ich trinke noch einen Schluck Erdbeertee, mein Kater schnurrt, während das Dämmerlicht durch das Fenster auf meine Beine fällt und ich kann endlich atmen.

Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram