Marienplatz

Anekdote zum Thema Urlaub/ Ferien

von  AZU20

Schwerin, Marienplatz.  Von Straßenbahnschienen durchfurcht. Moderne Gebäude ohne Namen.  Ich habe Sehnsucht nach der Altstadt, auch wegen der Geruhsamkeit der Menschen dort. Auf dem Marienplatz herrscht eher aufgeregte Geschäftigkeit. Das Schlossparkcenter, natürlich ein einziger Einkaufswust, als magischer Anziehungspunkt. Hier, wo sonst kauft der Schweriner ein. Meine Frau gestattet mir, auf einer Bank draußen Platz zu nehmen, während sie zum Center geht. Ich bummle mal durch, sagt sie. Kauf dir was, sage ich.
Ich sitze nicht lange alleine da. Ein Mann nimmt unmittelbar neben mir Platz, obwohl auf der Bank viel Platz ist. Er steckt sich eine Zigarette an. Ich bin begeistert. Auf der Bank nebenan nimmt eine ganze Familie Platz, die dickliche Tochter schreit immer wieder: Mama, ich bin doch kein Monster.  Der Mann beendet seine Zigarette, steht auf und geht ohne ein Wort. Eine Mutter mit Tochter steuert auf mich zu. Beide nehmen neben mir Platz und packen ihre Zigaretten aus. Die Tochter sitzt direkt neben mir. Asche fällt auf mein linkes Knie. Entschuldigung. Immerhin. Mama, ich bin doch kein Monster. Ein junger Mann geht vorbei, spricht ins Handy: Wo bist du?- Ich auch. Eine Fahrradklingel hinter mir. Die Freundin, nehme ich mal an, hat ihr Handy noch am Ohr.  Mama, ich bin doch kein Monster. Mutter und Tochter neben mir brechen auf ins Center. Die Radlerin stellt ihr Fahrrad ab. Die jungen Leute gesellen sich zu mir. Guten Tag. Immerhin. Neben mir nehmen drei eislutschende Jugendliche Platz. Jetzt ist die Bank voll.  Das Mädchen kleckert auf mein rechtes Knie. Entschuldigung. Immerhin. Ich bin doch kein Monster, Mama. Die drei Jugendlichen lutschen im Gehen weiter. Neben mir nimmt ein älterer Herr mit Schnurrbart Platz und packt seine Zigaretten aus. Ich bin begeistert. Die Radlerin steht auf und holt sich und ihrem Freund ein Eis.  Ich rücke leicht zur Seite und stoße den Schnurrbärtigen an. Entschuldigung. Ich bin doch kein Monster, Mama. 
Dann, als hätten sie sich abgesprochen, stehen alle auf und gehen. Ich bin wieder allein.  Ein Herr mit schwarzer Hose und weißem Jackett geht vorbei, packt seine Zigaretten aus, stutzt und geht weiter. Ich bin begeistert. Eine völlig ausgemergelte Frau nähert sich, setzt sich auf die Bank nebenan und … packt ihre Schnapsflasche aus. Sie schaut zu mir herüber. Bevor die Situation eskaliert, kommt meine Frau mit einem Brot unterm Arm aus dem Center. Neben ihr eine untersetzte Frau. Sie hat Garnknäuel in Pink, rot, grün, blau und grau auf dem Kopf, bunt gemischt. Unterschenkel und Unterarme dicht dunkel tätowiert. Ich eile zu meiner Frau und ziehe sie Richtung Altstadt davon. Die Frau neben ihr beachtet uns nicht und geht in eine andere Richtung. Ich schaue auf die Uhr. In einer halben Stunde hast du nur ein Brot gekauft? Sei doch froh, Wurst und Schinken haben wir ja noch im Wohnwagen, aber kein Brot.

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Kommentare zu diesem Text

Lena (58)
(18.09.16)
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 AZU20 meinte dazu am 18.09.16:
Ich hätte nicht gedacht, dass es so ablaufen könnte. Aber es war genauso. Danke und lG
Lena (58) antwortete darauf am 18.09.16:
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Graeculus (69)
(18.09.16)
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 AZU20 schrieb daraufhin am 18.09.16:
Was für ein Kommentar, eines Graeculus würdig. Als Schmerzensmann habe ich mich nicht so richtig empfunden, aber gelitten habe ich, auch als Nichtraucher, schon. LG und danke

 AZU20 äußerte darauf am 18.09.16:
Die ursprüngliche Antwort wurde am 18.09.2016 von AZU20 wieder zurückgenommen.

 unangepasste (18.09.16)
Kommt mir sehr bekannt vor.

 AZU20 ergänzte dazu am 18.09.16:
Danke dafür und lG
Janna (66)
(18.09.16)
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 AZU20 meinte dazu am 18.09.16:
Danke, Janna, und lG
Overwolf (37) meinte dazu am 18.09.16:
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 AZU20 meinte dazu am 18.09.16:
Die Häufung war es und ich bevorzuge eine andere Art von Geschäftigkeit wie etwa in der schönen Altstadt oder am Schloss. LG
Overwolf (37) meinte dazu am 18.09.16:
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Sätzer (77)
(18.09.16)
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 AZU20 meinte dazu am 18.09.16:
Danke, Uwe, ist wohl so. Gut, dass nicht alle meine Nähe gesucht haben. Danke und lG

 Jorge (18.09.16)
Was man nicht alles erleben kann.
Das schlichte Leben um einen herum ist schon der Nährboden spannender Geschichten.
Solche Urlaubsanekdoten mag ich.
LG
Jorge

 AZU20 meinte dazu am 18.09.16:
Das freut mich. Vielen Dank und lG

 Peer (18.09.16)
Schwerin ist für mich immer noch die schönste aller Landeshauptstädte, wenn man denn das vergleichen kann, und eine der schönsten Städte der BRD, einfach wegen seiner einmaligen Lage an den Seen und der inzwischen wieder gut renovierten und reichlich vorhandenen historischen Bauten. Von daher sehr gerne gelesen.
LG Peer

 AZU20 meinte dazu am 18.09.16:
Ja, so ist es. Danke und lG

 tueichler (18.09.16)
Gestern on ORF1 eine Sendung über den Sinn und die Wirkung der Wiederholung gehört. Da hätte dieser Text wunderbar reingepasst. Gefällt mir, weil die Wiederholung der Floskeln den Text bis zur Auflösung durch das Erscheinen Deiner Frau beschleunigt.
Ich hoffe, das Brot hat geschmeckt!

Gern gelesen,

Tom :)
(Kommentar korrigiert am 18.09.2016)

 AZU20 meinte dazu am 18.09.16:
Das Brot war prächtig.Danke und lG

 styraxx (18.09.16)
Geruhsamkeit stellt sich in dieser halben Stunde nicht ein. Verschiedenste Menschen versammeln sich bei der Sitzzone, die wie es scheint auch Raucherzone ist.
Ich finde das Aufeinandertreffen in diesem zeitlich und örtlich begrenzten Raum sehr gut beschrieben – eine Alltagszene, die es in sich hat.
Auf das Ende hin stelle ich mir vor wie die einzelnen Figuren im blauen Dunst verschwinden so wie sie gekommen sind. Und ganz am Schluss bleibt der Laib Brot, ohne den es besagte halbe Stunde so nicht gegeben hätte. Trotzdem wirkt die Anekdote authentisch. Gerne gelesen. LG
(Kommentar korrigiert am 18.09.2016)

 AZU20 meinte dazu am 19.09.16:
Ich danke Dir, mein Lieber. Nichts davon ist erfunden. LG
(Antwort korrigiert am 19.09.2016)

 EkkehartMittelberg (18.09.16)
Hättest du die Beteiligten auf dedn ganz normalen Wahnsinn angesprochen, sie hätten dich bestimmt entgeistert angeschaut und gedacht, dass du eine Meise hast.
LG
Ekki

 AZU20 meinte dazu am 19.09.16:
Wahrscheinlich, aber dann hätte ich nicht mehr darüber schreiben können, denke ich. Danke und lG
Nimbus (41)
(18.09.16)
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 AZU20 meinte dazu am 19.09.16:
Danke, Heike, und lG

 Martina (19.09.16)
Für mich wäre das schon wieder zuviel der Menschen,
würde ich da sitzen, hielte ich die Augen geschlossen und würde
mich gedanklich an einen ruhigen, plätschernen Bach im Wald wünschen, wo es nach Tannenboden und Moos riecht...
Dank deiner Schilderung, war ich nur kurz da im Trubel, keine halbe Stunde =)

Liebe Grüße zu dir Armin...

 AZU20 meinte dazu am 19.09.16:
Ich habe es vergeblich versucht. Dann dachte ich: Schreib es doch auf. Danke und lG
Festil (59)
(19.09.16)
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 AZU20 meinte dazu am 19.09.16:
Ja, so könnte man es nennen. Das merke ich mir. Danke und lG

 TrekanBelluvitsh (19.09.16)
Mitmenschen ... man muss sie einfach nicht lieben ...

 AZU20 meinte dazu am 19.09.16:
Dazu trifft man sie auch zu kurz. Danke und lG

 Annabell (11.10.16)
Sie hat nur ein Brot gekauft? Könntest Du in ihre Tasche schauen - ganz unten neden dem Knirps liegt zusammengefaltet eine teure Bluse. Eine Tatsache, daß Frauen ihe Männer anschwindeln, sie hätten "nichts gekauft" oder nur "ganz preiswert" (ich spreche aus Erfahrung).
Dein Text ist herrlich. Ich parke meinen Mann nicht auf der Parkbank, er geht lieber derweil in den Baumarkt und wir treffen uns pünktlich im Café.
Liebe Grüße
Annabell

 tulpenrot (22.11.16)
Ich mag diese Straßen-/Cafe-/Parkszenen, also alle Situationen, in denen man Menschen beobachten kann und ein Stimmungsbild dieser Szene entwerfen kann - mit Worten natürlich. Da spielt sich zwar oberflächlich gesehen nicht so arg viel ab, aber dennoch transportiert so ein Beobachtungstext unausgesprochen eine ganze Menge Inhalt, wirft Fragen auf, regt die Phantasie an.

Auf jeden Fall warst du für eine ganze Menge Menschen innerhalb einer halben Stunde ein Ruhepol und anziehend genug, so dass sie sich in deiner Nähe wohl fühlten.
Ist doch auch schön - oder?
Und solche Wiederholungen mag ich auch sehr (s. hier  . Du erinnerst dich?)

LG
Angelika

 AZU20 meinte dazu am 22.11.16:
Danke, Angelika, und das alles, während meine Frau zum (Nicht)-Shoppen war.
Habe Deinen Text noch einmal gern gelesen. LG in den Abend

 tulpenrot meinte dazu am 25.11.16:
Freut mich! Ja, man erlebt was, obwohl man eigentlich nur still auf einer Bank sitzt.
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