S-O-S

Text zum Thema Hoffnung/Hoffnungslosigkeit

von  BLACKHEART

Du siehst sie schon von weitem, und denkst dir: "Nein, dieses Mal nicht. Mein Schiff und ich sind stärker. Wir werden widerstehen."
Und dann hörst du sie und ihre Stimme, engelsgleich und süß wie Nektar, zieht dich sofort in ihren Bann. Du bist nicht mehr in der Lage den Kurs zu ändern und krachst brutal auf dieses riesige herzförmige Riff, von dem du eigentlich genau weißt, wo es liegt. Trotzdem kannst du den Einschlag nicht verhindern.
Du blickst herunter auf dein Schiff, dass du gerade erst in mühevoller langer Kleinarbeit wieder geflickt hast. Du hattest ihm den Namen "Hoffnung 28" gegeben und bist nun gezwungen zuzusehen, wie es sich wieder einmal mit einer klaren salzigen Flüssigkeit füllt, von der du noch immer nicht 100%ig sicher bist, ob es sich um Meerwasser oder doch um Tränen handelt.
Du spürst, wie du selbst in dieser Flüssigkeit versinkst, wie sie langsam aber sicher deinen Mund, deine Nase und schließlich deine Ohren füllt, bis du langsam beginnst hinabzusinken in das kalte Meer des Verdrängens.
Und doch, selbst hier hörst du noch ihren Sirenengesang, der langsam immer schwächer wird. An die Stelle des Gesangs tritt der Klang deines Herzens, das inzwischen unregelmäßig, aber dennoch in einem bestimmten Takt schlägt: Drei mal kurz, drei mal lang, drei mal kurz.

Niemand hört es, außer dir. Oder hört sie es? Und selbst wenn, wird sie es nicht verstehen. Sie versteht ja nicht einmal, dass sie eine Sirene ist. Dass sie deine Sirene ist, die dich ein ums andere Mal auf dieses verfluchte Riff lotst. Die nicht weiß, wie viele Schiffe deiner Hoffnungsflotte, die im Grunde nur aus dem einen besteht, das du immer wieder reparierst, sie bereits versenkt hat. "Schiffe versenken" ist eigentlich ein Spiel für 2, aber solange sie trifft und versenkt, ist sie weiter am Zug.
Und sie zieht. Zieht sich zurück und lässt dir Zeit wieder aufzutauchen. Lässt dich die Trümmer wieder zusammen suchen und daraus ein neues Schiff bauen. Neue Teile, die du in der Brandung des Lebens findest, werden ebenfalls verbaut. Hoffnung entsteht aufs neue. "Hoffnung 29".
Gut sieht sie aus. Stolz. Majestätisch. Du hisst deine Flagge, schwarzes Herz auf schwarzem Grund, und stichst erneut in See.
Rau ist sie, wie immer. Haushohe Wellen meisterst du, ebenso wie tiefe Täler. Der Wind steht nicht immer günstig, aber du kommst voran. Vorankommen ist gut. Eine Flaute wäre fatal. Aber für den Fall hast du auch Ruder an Bord. Vorankommen ist gut. Stillstand ist Tod. Also ruderst du. Unregelmäßig, weil du es nicht gewöhnt bist, aber doch in einem bestimmten Takt: Drei mal kurz, drei mal lang, drei mal kurz.

Und wieder gerätst du in jene verfluchten Gewässer, gegen die das Bermuda-Dreieck ein Plantschbecken ist. Doch gibt es gerade hier die größten Schätze zu finden. Schon viele fanden einen Schatz, von dem sie ein Leben lang zehren konnten. Andere hatten ihre Schätze nach einigen Monaten oder Jahren aufgebraucht. Und natürlich gibt es auch Piraten, die anderen die Schätze abnehmen und deren Schiffe versenken. Manche Wracks sieht man heute noch. Die meisten aber wurden von einer Sirene auf das Riff gelockt, wie es auch dir schon etliche Male erging.
Wenn du es nur schaffen könntest, diesen Felsen zu erreichen, auf dem sie sitzt. Aber sie lässt keinerlei Annäherung zu. Reagiert nicht auf Funksprüche oder Leuchtsignale. Es ist ihr Felsen und es scheint, dass es dort keinen Platz für einen weiteren Menschen geben würde. Soweit du das durch dein Fernrohr überblicken kannst, mit dem du in deinem Krähennest sitzt.
Du siehst sie schon von weitem, und denkst dir: "Nein, dieses Mal nicht. Mein Schiff und ich sind stärker. Wir werden widerstehen."
Und dann hörst du ihre Stimme. Sie singt. Die Tonfolge ist unregelmäßig, aber doch in einem bestimmten Takt: Drei mal kurz, drei mal lang, drei mal kurz.


Anmerkung von BLACKHEART:

Mein erster "richtiger" Poetry Slam-Text.

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Pagina (61)
(23.10.16)
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