Was die Köpfe der Menschen bewegt

Erörterung zum Thema Religion

von  loslosch

Tantum religio potuit suadere malorum (Lukrez, ~97 v. Chr. bis ~55 v. Chr.; De rerum natura). So viel Übles hat Glauben (Götterverehrung) anzuraten vermocht.

Schon die frühen Christen sahen sich durch Lukrez´ Hauptwerk De rerum natura herausgefordert. Das Zitat hat große Bekanntheit erlangt. Bei Kudla (Lexikon der lateinischen Zitate, Verlag Beck, Ausgabe 2007, S. 348) heißt es, beinah respektvoll: "Der berühmte Vers des Lehrgedichts wurde wiederholt mißdeutet und auch zu Propagandazwecken verwendet. - religio bedeutet hier: abergläubische Furcht." Soweit Kudla. Die Bedeutungsvielfalt von religio ist in der Tat gegeben, auch abergläubische Scheu zählt dazu. Lukrez können wir nicht mehr befragen. Wie er über das Wirken der Götter dachte, ist in seinem Hauptwerk nachzulesen. Die Frage nach der Existenz von Gottheiten lässt er offen. Sein Fazit: Mag es auch Götter geben, doch sie greifen nicht in das irdische Geschehen ein.

Gibt es einen Unterschied nun zwischen Götterverehrung und abergläubischer Furcht? Aus Lukrez´ Sicht keiner, kein messbarer. Mithin bleibt wenig Raum zum Missdeuten. Nebenbei: Albert Einstein (1879 bis 1955) war von Lukrez fasziniert und schrieb ein Vorwort zu einer Lukrez-Übersetzung.


Anmerkung von loslosch:

Einstein in einem privaten Schreiben aus dem Jahr 1954: "Ich glaube nicht an einen persönlichen Gott und ich habe dies niemals geleugnet, sondern habe es deutlich ausgesprochen. Falls es in mir etwas gibt, das man religiös nennen könnte, so ist es eine unbegrenzete Bewunderung der Struktur der Welt, so weit sie unsere Wissenschaft enthüllen kann."

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Kommentare zu diesem Text

Graeculus (69)
(09.11.16)
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 loslosch meinte dazu am 09.11.16:
mag so sein. aber kudla hab ich schon bei größeren patzern beobachtet. für mich war der fund in der anmerkung eine kleine sensation. was uns damals über einstein so alles erzählt wurde. selbst mein seliger onkel, jg. 1912, meinte noch, einstein habe an die göttliche existenz geglaubt. der onkel hatte sich mit zunehmendem alter vom glauben gelöst. das war das süße eingeimpfte g... der jugend.
(Antwort korrigiert am 09.11.2016)
heilerfeld (33)
(09.11.16)
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 loslosch antwortete darauf am 09.11.16:
ich gebe zu, die überschrift heute kann missdeutet werden!
Festil (59)
(10.11.16)
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 loslosch schrieb daraufhin am 10.11.16:
die erinnerung an die mccarthy-ära passt. einstein stand ja unter beobachtung.

die agnostiker sehen keine basis für einen gottesbeweis. ich gehöre zu ihnen. bei antoine ist mir etwas unbehaglich. wir haben den kleinen prinzen damals im original gelesen. (das ist nicht meine welt.) einstein hat das wort agnostiker, das so alt ist wie er selbst, nie benutzt, hat sich allerdings dagegen verwahrt, als atheist gesehen zu werden. a-theist klingt ja so, als wisse man exakt, dass es kein (göttliches) urprinzip geben könne. damit begibt man sich auf die argumentative ebene der "gläubigen", die das gegenteil zu wissen glauben.
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