Die Katze im heißen Sand IV

Text zum Thema Fiktion

von  Ana Riba

Natürlich bin ich nicht neidisch, aber ehrlich verwundert. Bisher zeigte dieser Kater keinerlei Anzeichen sich einem Menschen mehr als nötig zu nähern. Sein Schnurren, das beinahe augenblicklich eingesetzt hat, als er sich auf der Schulter meines Besuchers niedergelassen hat, ist so laut, dass ich es sogar bis zu mir höre. Es ist schön zu sehen, dass meine Katze doch kein Autist ist. Ich schenke uns Tee ein, schiebe Roter sein Schälchen mit Sahne hin, doch er ignoriert es. Er fühlt sich sichtlich wohl und auch bei Dylan kann ich keinerlei Belästigungserscheinungen erkennen. Aber weil ich in den letzten Jahren gelernt habe, dass ein schönes Gefühl nicht von Dauer ist, bin ich zurückhaltend, denn ich spüre, wie sich der Grund für Mr Arthurs wieder in den Vordergrund schieben will. Ich setze mich, will dieses Schöne noch ein wenig genießen und sehe meinem Gegenüber dabei zu, wie er sich mit meinem Kater beschäftigt. Mein Gesicht verschwindet hinter meiner Tasse und ich bin froh, denn mein glückseliges Lächeln ist – so weit ich mich daran erinnern kann – hart an der Grenze zur Degeneration. Aber es ist lange her, dass ich so lächelte, deshalb fällt es mir schwer, mich daran zu erinnern.
Endlich, nach gefühlten Stunden, trennt sich Roter von Dylan, nippt gelangweilt an der Sahne und setzt sich auf den Tisch. Er sieht mich intensiv an und ich muss lächeln. Das ist nichts Neues für mich, aber nun hat der Blick etwas Besonderes, etwas, dass ich nicht beim Namen nennen kann, aber es ist einfach … so einfach herrlich. Er schließt die Augen, setzt sich in eine bequemere Position, und ich weiß, dass er es tut, damit ich mich sicherer fühle. «Interessante kleine Seele», sagt Dylan und lächelt. Scheint, dass er der Fellnase innerhalb weniger Minuten hoffnungslos verfallen ist. Dann wird er plötzlich sehr ernst. «Ich bin kein Anwalt, falls Sie das glauben», sagte er sehr vorsichtig. Ich sehe auf. «Nicht?»
«Nein», sagt er und zieht eine Grimasse. «Dazu hat’s dann doch nicht gereicht.» Es wirkt ehrlich und es bringt mich zum Lachen. «Gut, was sind Sie dann?» Dylan richtet sich auf, rückt einige Dokumente zurecht, sieht nach, dann reicht er mir eines aus dem Stapel. «Scotland Yard.» Ich ziehe eine Grimasse. «Meine letzte Handlung als Brokerin ist mehr als fünf Jahre her. Habt Ihr wirklich so lange gebraucht, dem Betrug auf die Spur zu kommen?» Er wirkt plötzlich sehr interessiert, aber ahnungslos. «Ups», sage ich, «dann hat die Reignforce International wohl die Bankenaufsicht davon überzeugen können, dass wir damals legalen Handel betrieben haben.» Dylan stützt sein Kinn auf seine Hand, seine linke findet Halt n seiner Hüfte. «Interessant», gibt er zu, in seiner Stimme höre ich ein unterdrücktes Lachen, «aber darauf kommen wir später zurück. Nein: Ich bin nicht wegen Insiderhandel hier.» Ich atme hörbar erleichtert aus, was ihn nun zu einem wirklichen Lachen bringt. «Also?», frage ich. Trotz der recht gelösten Stimmung schwitze ich stark. Ich kann den Schweiß an meinem Hals und zwischen meinen Brüsten spüren, wie er dort meinen Körper hinunterläuft. Und ich hoffe, dass er den Schweißfilm auf meiner Stirn nicht sieht. Der ist schließlich verräterisch, aber ich bin schon in die Falle eines anscheinend erfahrenen Ermittlers getappt. «Ich würde Ihnen gerne sagen, dass Sie keine Angst zu haben brauchen, aber das kann ich nicht», sage er besorgt. Seine blauen Augen schimmern in den letzten Strahlen der untergehenden Sonne. Ist es wirklich schon so spät? Um mich abzulenken, stehe ich auf, gehe zum Küchenbuffet, auf dem die Fernbedienung für die komplette Lichtanlage im Haus liegt. Ich greife danach, betätige den Schalter und das späte Licht der Sonne, das durchs Fenster fiel, vermischt sich mit dem sanften Gelb der Küchenbeleuchtung. Als ich das Haus renovieren ließ, hatte ich viel Wert auf Licht gelegt. Unverständlich für den Elektriker, der ein waschechter Franzose war, und der es als seine Pflicht als Patriot ansah, überall dort, wo er arbeitete, Neonleuchten in all ihren Formen, zu platzieren. Mein Wunsch nach warmen Licht quittierte er auch dementsprechend Französisch: Mit einer abfälligen Grimasse.
Jetzt bin ich froh darum, mich durchgesetzt zu haben. Meine Küche wird nur an strategisch günstigen Stellen ausgeleuchtet. An meinen Arbeitsplätzen schalten sich bei Bedarf einige LED’s ein, die das Lichtkonzept im Ganzen nicht stören, sondern unterstützten. Welche Wirkung meine Ideen haben, kann ich in Dylans Gesicht sehen. Er ist beeindruckt. «Noch Tee», frage ich, damit ich das Unvermeidliche hinausschieben kann. Dylan nickt, schiebt mir seine Tasse herüber.
«Wann haben Sie das letzte Mal etwas von Ihrem Ex-Verlobten gehört?», fragt er, bedankt sich artig mit einem Nicken für den Tee, fügt Zucker und Milch hinzu, und wartet auf meine Antwort. Ich kann sie ihm nicht geben, denn da liegt ein Fehler im Informationsfluss vor. Deshalb ist meine erste Reaktion eher Unverständnis. «Ich … wir waren nie verlobt. Unter Brokern ist das verpönt.» Dylan sieht mich zweifelnd an. «Eine Verlobung», so versuche ich ihm zu erklären, «würde so etwas wie Liebe oder wenigstens Zuneigung voraussetzen. Den Entschluss nicht nur das Bett miteinander zu teilen. Unter Brokern funktioniert das nicht.» Ich sehe ihm an, dass er das nicht versteht. Und ich muss die Äußerungen, die mein Erfahrungsschatz so mit sich bringt, auf ein Minimum reduzieren, so, dass er mich versteht. «Broker stehen in ständiger Konkurrenz zueinander», beginne ich meinen, ziemlich verzweifelten Versuch, meine äußerst seltsame Beziehung zu diesem Mann zu erklären. «Auch im Bett und mehr war es nicht, dass ich mit Lewis Hunter hatte. Oder was uns vereinte, wie immer Sie das auch nennen wollen.» Dylan nimmt einen Schluck Tee. «Möchten Sie einen Keks oder so was?» Diese Frage ist ein Hilfeschrei meinerseits. Die Erinnerung an Lewis und wie er auf mein Erbe, zu dem ich ja nun wirklich nichts konnte und zu dem ich wie die Jungfrau zum Kinde kam, schnürt mir die Kehle zu.
«Ich habe heute noch nicht viel gegessen», gibt Dylan zu, «sollen wir uns was bestellen?» Ich lache und er sieht mich verständnislos an.
«Wie sind Sie hier hergekommen?»
«Mit dem Taxi», sagt er zweifelnd.
«Und wo hat der Taxifahrer Sie aussteigen lassen?»
«Oben an der Straße?» Ich nicke.
«Weiter wäre dieses abergläubische Pack auch nicht gekommen», sage ich lachend. «Egal, ob Lieferdienst, Handwerker oder nur Taxifahrer … Die halten mich für die Reinkarnation des Bösen oder zumindest irgendwas Üblem … Hier kommt keiner runter. Sie werden mit meinen Kochkünsten vorliebnehmen müssen.»
«Also auf mich machen Sie nicht den Eindruck, den Teufel im Blut zu haben», beteuert Dylan, doch mein Lachen steckt ihn an.
«Habe ich auch nicht, aber das hält die Leute nicht davon ab, mich als komisch und seltsam einzustufen und horrende Preise für Dienstleistungen – quasi als Entschädigung - dafür zu verlangen, dass sie sich in meine Nähe gewagt haben.»
Während unserem kleinen Geplänkel bin ich am Kühlschrank angelangt, um eine kleine Inventur durchzuführen. Sicher: Ich war heute einkaufen, aber nur für mich und ich fürchte, dass ich sämtliche meiner – zugestandener Maßen – geringen Fähigkeiten für mehr als eine Person, ein einigermaßen essbares Mahl zu zaubern, aktivieren muss. In meinen Beständen finden sich ein wenig Hühnchen, vorportioniert, Crème fraîche, ein paar Pilze, Tomaten und eine Flasche Weißwein. Damit sollte ich etwas zaubern können, dass einen Londoner Polizisten sattmachen kann.

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Kommentare zu diesem Text


 unangepasste (08.01.17)
Habe gestern unterwegs mit Teil III angefangen und war erfreut, heute gleich weiterlesen zu können.
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