Schokolade

Kurzgeschichte zum Thema Loslassen

von  StillerHeld

Ich esse gerne Schokolade. In meiner linken Hand halte ich ein Eckchen davon. Bitterschokolade. Die werde ich am Ende meines Weges essen.

Beide Hände stecken in den Manteltaschen. Die rechte Manteltasche ist leer. Fast leer. Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand spielen selbstvergessen mit einem gelben Haarband. Ein Haarband meiner Freundin. Sie ist gegangen, das Haarband ist geblieben.

Es ist kalt. Vom grauen Winterhimmel rieselt Schnee. Ich gehe durch den Schnee. Der Schnee lässt sich nicht übergehen. Er umschließt meine Knöchel und drängt sich mir eiskalt ins Bewusstsein. Ich gehe unbeirrt weiter. Wohin, weiß ich schon lange nicht mehr. Ich sehe ohnehin nur ein paar Meter weit.

Mein Herz sieht klar und ist trotzdem nicht zufriedener. Es sitzt inmitten eines neonkalten Raumes und versucht, Botschaften zu entziffern, die Fremde mit ihren scharfen Messern in die Wände geritzt haben.

Ich denke an nichts, während es noch immer schneit.

Die Kahlheit der Bäume schreit mich an: Dekorier mich mit deiner Phantasie! Aber heute will ich Schwarz und Weiß sehen, harte Kontraste, zwischen die kein Mitleid passt. Still ist es. Tausend Antworten und keine Frage!

Die weiche Schneedecke, die die kantigen Oberflächen der Landschaft erobert hat, tröstet schließlich. Lass los. Schick deine Erinnerungen schlafen! Meine Finger lösen sich von dem Haarband. Es fällt in die Manteltasche. Vielleicht schenk ich es dir einmal, Schnee - später. Da fällt mir ein, dass noch die Schokolade auf mich wartet.

Erschrocken ziehe ich meine linke Hand aus der Manteltasche. Die Schokolade ist schon ganz weich geworden. Ich wollte sie ja am Ende des Weges essen! Bevor sie aber meinen Mund erreicht hat, setzt sich noch keck eine Schneeflocke drauf. Vergiss nicht!

Meine Zunge schmeckt nur süß. Die Bitterkeit muss irgendwo am Weg verloren gegangen sein.

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Kommentare zu diesem Text

Graeculus (69)
(31.01.17)
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 StillerHeld meinte dazu am 31.01.17:
Die Schokolade fungiert in dieser Geschichte einfach nur als Geschmacksträger. Wahrscheinlich könnte man ihre Rolle einsparen.
Graeculus (69) antwortete darauf am 31.01.17:
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 Dieter_Rotmund (01.02.17)
Der Mittelteil ist mir wieder mal zu wolkig-vage. Bis dahin gefällt mir der Text jedoch aber sehr gut und einiges wird ja zum Schluss wieder aufgegriffen.

Wozu die Trennungen? ("ge-ritzt", "schließ-lich")

 StillerHeld schrieb daraufhin am 05.02.17:
Danke für die (diesmal teilweise positive) Rückmeldung!

Der Stil, den Sie als wolkig-vage beschreiben, ist der Tatsache geschuldet, dass meinen Texten am Höhepunkt ihres Spannungsbogens manchmal das letzte Sich-Einlassen des Autors fehlt. Das ist frustrierend und fällt vor allem Lesern auf, die sich auf seine Texte einlassen wollen. Ich vertraue aber auf die Reifung und Weiterentwicklung des Autors. Möglicherweise werden diese Prozesse auch beschleunigt, wenn er immer wieder mit derartigen Rückmeldungen konfrontiert wird.

Die störenden Trennstriche haben sich bei der Übertragung des Textes ins Webformular eingeschlichen (letzte Grüße von der automatischen Silbentrennung der Textverarbeitung) - ich habe sie nun entfernt.
Sweet_Intuition (34)
(10.02.17)
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