Eine schulische Sternstunde

Anekdote

von  Bluebird

Ich hatte gerade mein Referat geendet und in der Klasse herrschte Schweigen. Nanu, dachte ich, was ist los? Plötzlich erhob sich Wolfgang,  unser Klassensprecher, und sagte: "Das hier war das Beste was ich während meiner ganzen Schulzeit hier gehört habe. Es hat mich wirklich getroffen, für mich die Dinge auf den Punkt gebracht." Er setzte sich wieder und es brandete ohrenbetäubender Applaus auf. Ich blickte rüber zu Herrn B., unserem Deutschlehrer, der mit steinerner Miene vorne am Pult saß und keinen Finger rührte.
 
Als ich etwa eine Woche zuvor mich für ein Referat zu einem Text über den Verlust der kindlich-glücklichen Naivität und der daraus folgenden erwachsen-unglücklichen Sinnsuche meldete, war dies eine spontane Aktion gewesen.
    Für viele sicherlich überraschend, weil ich ansonsten aus meinem Desinteresse an schulischen Dingen wenig Hehl machte und als rebellisch galt. Weshalb mich auch Herr B. schon oft seine Ablehnung/Missbilligung hatte spüren lassen. Obwohl ich ausgerechnet ihn  immer mit einem gewissen Respekt behandelt hatte.
  In der Vorbereitung des Referates erlebte ich dann, dass der Text mich innerlich tief berührte. Ich fand hier - zumindest empfand ich es damals so - die Antwort auf eine Frage, die mich seit Jahren beschäftigte:  Wohin war das Glück meiner Kindheit entschwunden? Die Antwort lautete: Höre auf diesen vergangenen Glückzustand  zu suchen. Er ist unwiederbringlich fort. Blick nach vorne und versuche das Beste aus deinem Leben zu machen!
   
Als ich das Referat hielt, stellte ich diesen Punkt in besonderer Weise heraus, meine persönliche Betroffenheit nicht verbergend.
  Und die Reaktion der Klasse zeigte, dass offensichtlich nicht nur ich unter dem Verlust des kindlichen Glücks litt, sondern dieses Gefühl auch den Anderen vertraut war.
    In diesem Sinne hatte ich dann auch für sie - wie Wolfgang es formulierte - die Dinge auf den Punkt gebracht und uns allen - bis auf Herrn B. - eine schulische Sternstunde beschert.

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Frühere bzw. ältere Kommentare zu diesem Text

Sätzer (77)
(25.04.17)
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 Dieter_Rotmund (25.04.17)
Für meinen Geschmack etwas arg viel Selbstbeweihräucherung des Ich-Erzählers...

 LotharAtzert meinte dazu am 25.04.17:
Ja und? Soll er sich Asche auf’s Haupt schmeißen, um Dir zu gefallen, Dieter?

 Dieter_Rotmund antwortete darauf am 25.04.17:
Hallo Lothar, warum gleich so stutenbissig?

Ist bloß meine kleine Meinungsäußerung. Ansonsten gerne gelesen; man fragt sich ja: Was wohl Inhalt des Referats gewesen ist? Blauvogel bleibt da ja vage, was gut passt und die Spannung hoch hält.
Gefällt Dir etwa die Figur des achso dollen Referenten?
Stelzie (55) schrieb daraufhin am 25.04.17:
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 niemand äußerte darauf am 25.04.17:
@ Dieter_Rotmund
diesmal muss ich Dir voll recht geben, denn auch ich empfinde
beim Lesen ein zuviel an Selbstbeweihräucherung.
Jeder Mensch kommt an den Punkt, an welchem er die Unbefangenheit und Glücksseligkeit der Kindheit vermisst und die Erkenntnis gewinnt, dass diese Zeit nicht wiederkehrt.
Dass sich darüber plötzlich alle einig waren ist somit nichts Ungewöhnliches.
@ Lothar
warum denn gleich so hengst-mäulig? Weil es um Glaubensdinge geht und man Gläubigen mit allem kommen darf, nur nicht mit Kritik an ihrer Gläubigkeit? LG niemand

 LotharAtzert ergänzte dazu am 25.04.17:
Nein Irene. Was Du mir aber auch immer unterstellst!
Weil ich mich jedem verbunden fühle, der an eine über den Menschen hinaus weisende Rückbindung an den Ursprung glaubt, respektive darum weiß. Auch wenn Bluebird allen Ernstes glaubt, ich huldigte einem Dämonenkult, so denke ich im Zusammenhang mit ihm doch voller Milde an die Christusworte "Lasset die Kindlein zu mir kommen, denn ihrer ist das Reich Gottes".(oder Himmelreich?)
(Antwort korrigiert am 25.04.2017)

 Bluebird meinte dazu am 25.06.21:
Was wäre dasw Leben ohne Sternstunden?
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