Wehemir und Zerfahrenheit Schwere Gedanken.

Geschichte zum Thema Abenteuer

von  franky

„Entsetzlichkeit überkommt mich, wenn ich dem ratlosen Auge gegenüberstehe.“


Wehemir lehnt an der tausendjährigen Eiche und kritzelt mit seinem Dolch geheime Runen in ihre Rinde.
Bexl, Bixl und Buxl bauen sich mit Steinen und Erde eine riesige Kinderburg.
Mit der Zeit verliert sich die Begeisterung und die Kinder verwickeln sich in kleine Zwistigkeiten.
Wehemir sieht anfangs dem Treiben ganz unbewegt zu. Dann aber fährt er plötzlich mit seinem Messer in die von seinen Kindern erbaute Burg und sticht eine Bresche in den Verteidigungswall.
„Das ist aber ganz schwach gebaut! Da wird der Feind leichtes Spiel haben und beim ersten Ansturm euch mit Leichtigkeit überrennen.“
Bexl: „Dann zeig uns, lieber Vater, wie wir es besser machen können!“

Die schlaue Krähe hat ihr Büro auf der Spitze der riesigen Eiche eingerichtet. Von hier aus kann sie einen beträchtlichen Teil des Waldes einsehen. Mit einer Kralle dreht sie am sensiblen Sucher des Fernrohrs. „Da unten zwischen wilden Hecken Richtung Einuhr hat sich was verändert.“ Die Krähe legt ihre Stirn in Falten und knabbert nachdenklich an dem Holzlineal. Sie schießt vorsichtshalber ein Foto und schiebt es unter die zehntausendfache Vergrößerungslinse. „Das sieht ja aus wie eine glattpolierte Speerspitze! Da steckt bestimmt noch mehr dahinter. Anscheinend will ein Schuft dem Wehemir mit Familie etwas Böses zufügen.“

Weheline hatte die Hausarbeit beendet und machte sich auf die Suche nach würzigen Kräutern, die sie für die Zubereitung des Mittagessens benötigte.
Auf ihrem ausgedehnten Suchweg kam sie dem Menschen mit der polierten Speerspitze gefährlich nahe. Bevor Weheline wusste wie ihr geschah, löste sich eine Gestalt aus dem Dickicht und zerrte die sich heftig wehrende Weheline mit sich ins Gebüsch.
Die Krähe sah dies und sandte sofort einen Spähtrupp zu der Stelle, an der Weheline verschwunden war. Von den Baumwipfeln aus konnten interessante Neuigkeiten vom Waldboden berichtet werden. „ Es ist nicht nur eine Speerspitze zu sehen, es sind derer zwanzig und mehr.“
Die wollen die Burg von Wehemir stürmen und einnehmen. Einen wichtigen Teil hatten sie ja schon in ihren Besitz gebracht.
„Wie kann ich dieses Wissen dem Wehemir beibringen?“, dachte die besorgte Krähe.
Weheline wand und krümmte sich, doch aus den groben Fesseln gab es kein Entkommen.
Als das Sonnenlicht die Mittagsstunde anzeigte, rief Wehemir seine fünf Kinder zusammen. „Mama Weheline wird zuhause bestimmt was Gutes gekocht haben!“
Das schwere Eingangstor hinter sich schließend, rief Wehemir nach seiner Frau. Doch da war keine Weheline aufzufinden. Im Herd loderte keine Flamme, auch Mittagessen stand keines auf dem Tisch.
Baxl, Bexl, Bixl, Boxl und Buxl riefen durcheinander: „Wo ist unsere Mama?“
„Meine lieben Kinder, jetzt müsst ihr ganz brav sein. Ich gehe Mama draußen vor der Burg suchen. Ihr lasst außer mir keinen, aber gar keinen, durch das Burgtor.“
Wehemir schulterte seine Axt und schlüpfte durch einen Nebenausgang ins Freie. Mit wachsamen Auge suchte er die Erde nach Spuren ab. “Hier war doch tatsächlich Weheline durch das hohe Gras gestapft; Wehemir verfolgte die Fährte bis zum Waldrand. Die nervöse Krähe flog ihm aus geringer Höhe hinterher. Wehemir drehte sich abrupt um und wollte das Tier verscheuchen. Die Krähe flatterte mit lautem Geschrei über seinen Kopf hinweg zum Waldrand und schien dort etwas Gefährliches entdeckt zu haben. Wehemir sah dort eine blanke Speerspitze, die auf das Krähentier einstechen wollte.

Die fünf Kinder übten in ihrer Burg Verteidigung. Alle Möbel, die sie mit ihren kindlichen Kräften bewegen konnten, wurden an das große Tor gerückt, sodass keiner so leicht einen Überfall wagen konnte.

Wehemir schwang die Axt über seinem Haupt und schlug die scharfe Keule inmitten des Kopfes des Angreifers. Dem getroffenen Räuber entwich kein Schrei, so blitzschnell schlug ihm die tödliche Axt den Schädel entzwei.
Im Gebüsch nahe der Auseinandersetzung vernahm Wehemir ein verzweifeltes Keuchen und Jammern wahr. „Da braucht jemand Hilfe!“ Die Krähe hockte einige Schritte weiter auf einem Ast, sie wollte die Stelle markieren, an der eine Person gefesselt und geknebelt am Boden lag.
Wehemir schlug mit der Axt das Gebüsch zu Seite, um den Weg frei zu machen.
„Nein das ist nicht möglich! Da liegt meine arme Weheline am Boden. Hände und Füße mit Stricken gefesselt, den Mund mit Stroh geknebelt!“

Die Kinder in der Burg nahmen den schönsten Suppentopf von Mama und machten darin Pech heiß, um es dann den heranstürmenden Feinden über die Köpfe schütten zu können.
Das alles wurde in den kindlichen Phantasien abgespielt, ohne zu überlegen, dass es mal ernst werden könnte.
Baxl hob Buxl auf die Fenstersimse, um durch die Gitterstäbe auf dem Burghof nach Vater und Mama Ausschau zu halten.

Wehemir schnitt mit seinem Messer die Stricke durch und befreite Weheline vom grässlichem Strohknebel.
„Wehemir, mein liebster Mensch auf Erden, wir schweben in großer Gefahr. Es lauern Duzende von Räubern im Wald!“ Kaum hatte Wehemir seine Weheline umarmt und geküsst, wimmelte es von dunklen Gestalten, die sie bedrohlich umringten.
Wehemir hatte seine drei Fäuste geballt, die blutige Axt lag noch am Boden, viel zu weit weg, um sie mit einem raschen Griff erreichen zu können.

Baxl rief von der Fenstersimse zu Boxl: „Zieh bitte mit Vorsicht das kochende Pech von der Feuerstelle, es könnte gefährlich überkochen.“
Boxl lag am Boden und spielte verträumt mit Kieselsteinen. Der Befehl von Baxl streifte nur halblaut sein Ohr, das Interesse war rasch wieder durch den Kamin davon geflogen.
Das Pech im Topf brodelte ziemlich heftig, es war nur mehr fingerbreit vom oberen Topfrand entfernt. Einzelne Spritzer blubberten über dem Rand ins offene Feuer.

Wehemir überlegte hastig, wie er Weheline aus dieser Gefahrenzone bringen könnte;
Blitzschnell packte er Weheline und stürmte mit ihr auf den Armen zwischen zwei Gestalten hindurch in den Wald. Mit den hektischen Schritten konnte er auch seine verlorene Axt mit sich nehmen. Mit Weheline auf den Armen und der Axt in seiner dritten Hand setzte er den gefährlichen Fluchtweg fort. Mächtige Pferde und ein halbes Dutzend Speerspitzen versperrten Wehemir ein Weiterkommen. Wehemir rannen Tränen der Verzweiflung über das braun gebrannte Gesicht.

© by F. J. Puschnik


Anmerkung von franky:

Wehemir wurde vom Teufel strafweise um zweihundert Jahre zurückversetzt. Eine Rückkehr ist bislang ungewiss.

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Kommentare zu diesem Text

noname (36)
(01.05.17)
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 AZU20 (01.05.17)
Ich bin gespannt. LG
Hilde (62)
(01.05.17)
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