Gespräch mit einem Brandstifter

Dialog zum Thema Freiheit/ Unfreiheit

von  fritz

»Wer bist Du?« fragst Du.
Ich drehe mich Dir zu, aber sage nichts. Dich scheint das nicht zu wundern und das wiederum überrascht mich. Ich hätte damit gerechnet, dass Du irritiert bist, aber es wirkt vielmehr so, als hättest Du genau das erwartet. Ich denke schon wieder zu viel darüber nach, da fällt mir ein, wie merkwürdig es doch ist, zu sagen, man wische einen Gedanken weg. Ein wahrlich verständlicher Wunschtraum, aber es würde doch in der Realität beim Wegwischen etwas vom Gedanken am der wegwischenden Hand hängen bleiben. Wenn Gedanken verschwinden, dann doch eher, als seien sie wie Seifenblasen zerplatzt. Aber an diesem Bild nun stimmt wieder nicht, dass die Seifenblase sehr berechenbar zerplatzt, dagegen ja das Sichauflösen des Gedankens ein plötzliches ist.
»Welches Bild würdest Du verwenden, um auszudrücken, dass ein Gedanke plötzlich verschwunden ist.« frage ich Dich. Du guckst jetzt geradezu so, als hätte es die Frage, wer ich sei, nie gegeben. Ich schwanke, weil mich das einerseits enttäuscht stimmt und ich mir andererseits klar bin darüber, dass es dafür keinen vernünftigen, weder einen berechtigten noch überhaupt einen sinnvollen Grund gibt.
»Ich würde sagen, dass der Gedanke plötzlich verschwand.«
»Wie, so ganz ohne Bild?«
»Ja, das Bild würde viel zu viel aufbauen und damit die Plötzlichkeit überwachsen. Die aber eben ist ja nackt, also bleibt, dass sie plötzlich verschwand. Jedes Bild wäre an irgendeiner Stelle falsch, und dies auch, weil es überhaupt irgendwie richtig sein kann. Dass es plötzlich verschwand, ist jenseits von richtig und falsch. Es lässt genug Fragen, die jeder Antwort trotzen. Und das will man ja sagen, oder nicht? Im Bild sagst Du, Du wüsstest, was passiert sei. Beziehungsweise drückst Du die Verlegenheit aus, dass Du es nicht weißt. Aber das Subjekt ist ja eben tot, seit der Gedanke plötzlich verschwand. Das Bild leugnet das Subjekt, vielleicht holt es sogar zu töten aus. Aber als der Gedanke verschwand, plötzlich, da war es eben schon tot. Nein, mehr noch, weg. Es gibt keinen Leichnam zu betrauern.«
»Gut gut, ich habe schon verstanden. Aber wenn es doch etwas mit mir macht, dass der Gedanke plötzlich verschwand. Wo hätte das seinen Ort?«
»Hat es nicht genau mit Dir gemacht, dass es keinen hat? – Und eben genau nicht, dass der Ort nicht mehr da war, sondern wie nie da gewesen? Das Neue, wo es auch hinsieht, erspäht nichts vom Alten. Es kann Bildertafeln um sich bauen, auf denen das Alte, künstlich beatmet, konserviert vegetiert, bis die Farbe verblasst, und das ängstliche Ich sich an die verbleibenden, also später verblassenden, Konturen wie an Turnstangen hängt. Aber zu greifen gibt es hier nichts, keine Drehung noch Sprung. Besser nimmst Du, was uns die Natur einst gab, das Feuer und machst Schluss mit dem Ganzen.«
»Nicht so schnell. Du meinst, ich soll die Bilder verbrennen?«
»Die Bilder und die Texte und die Briefe, Fotos und alles, was das Herz begehrt, um langsamer schlagen zu können. Ich aber sage Dir: die Zahl der Schläge macht, irgendwann, den Unterschied. Nach vorn leben ist schneller schlagen als zu kannst, mein Herz. Nicht mehr und nichts weniger.«
»Aber wir kommen doch daher. Kindisch wär es, dies zu leugnen. Kein Ich, das nicht gewesen. Dich führt der Überdruss in die Dürre, wo kein einzig Herz mehr schlägt.«
»Und wenn Du die Wahl hast, vergangenheitsschwanger oder zukunftshungrig zu sein, was wirst Du wählen?«
»Die Mitte nicht?«
»Fauler nichts als die Mitte, auch wenn sie sich nicht als solche vernimmt. Ihr fehlt der Riecher, weil ihr überhaupt jede Richtung fehlt. Sie ist so dumpf wie ein Stück Holz, das nicht einmal danken kann für das wellende Wasser, auf dem es treibt. Willst Du sein wie ein Stück Holz, für das es keinen Unterschied macht, ob es treibt oder von Dir weggenommen wird, geworfen in den Wald oder zu Feuerholz gemacht? Willst Du nicht leiden unter der Hitze des Gemüts und aus der Entsagung Kälte schreien um nichts? – Daher kommt, wer glaubt, noch anzukommen. Ich sage Dir, Dich trifft der Blitz und es ist vorbei. Wer glaubst Du, wird es Dir danken, sonntäglich die Bilderrahmen geputzt zu haben? Wer liest die Briefe, die in Deinem Kästchen liegen, sodass es Dir graut, würde einer sie stehlen? Bücher willst Du schreiben – was kümmert’s Dich, ob sich einer erinnert? Schuldest Du jemandem außer Dir?«
»Ich komme nicht von mir, von mir bin ich nicht genommen. Ich bin mir nicht einmal gegeben. –«
»Wie kommst Du darauf?«
»Es ist offenbar!«
»Und nicht auch, dass man Dich nicht gefragt? Und dass Du suchst, was Du alleine finden kannst?«
»Ich allein, aber nicht allein.«
»Du spaltest Worte, doch nicht für’s Feuer! Nichts spricht aus Dir als die Angst. Ich aber frage Dich: Wer bist Du?«
»Und Du, hast Du nicht vor der Angst die Angst?«
»Was kümmert mich die Angst? Sollte die Luft mich kümmern? Sie ist so weit, dass nichts ihr auf die Schliche kommt. Soll ich, bevor ich sterbe, nichts erkannt haben als dass ich ängstlich bin?«
»Du bist zu drollig, um zu fragen, wer ich sei.«
»Zu ängstlich bist Du, eine Antwort zu wagen. – Da ich nichts zu gewinnen glaube, kann ich nichts verlieren.«
»Armut höchster Trumpf, nichts zu verlieren. Wer keine Tränen mehr hat für die brennenden Bilder, der wagt nicht einmal, sie löschen zu wollen. – Ja, ich sage Dir: sie löschen zu wollen, zu wollen, zu wollen. Nichts aber willst Du, Du kannst gar nichts wollen.«
»Weit gefehlt, ich weiß nur nicht, was. Ich bin ja selbst ein Wille geworden, mal dies mal das mir zu wählen.«
»In nichts und niemandem wirst Du je Dich erkennen.«
»Bin ich, zu erkennen, geboren?«
»Wenn schon, warum nicht?«
»Weil es nichts zu erkennen gibt. Es gibt kein Fest zu bereiten, weil keiner kommt. Das einzige Fest ist der Tag. Wenn die Sonne, mal weniger, mal mehr, doch immerzu ganz oben steht.«
»Und was gibt‘s zu feiern?«
»Zu feiern gilt’s.«
»Du willst nicht wissen, wer ich bin.«
»Nur darum konnte ich fragen.«

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Kommentare zu diesem Text


 Augustus (28.06.17)
Gut den oder die Gedanken ins Bild gesetzt.

Ave

 fritz meinte dazu am 01.07.17:
Vielen lieben Dank!
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