Nummer 3

Kurzgeschichte zum Thema Kinder/ Kindheit

von  RainerMScholz

Samstags musste ich manchmal vor unserem Haus um das Kriegerdenkmal mit dem hochaufragenden Eisernen Kreuz mit dem Besen kehren, da ging ein kleines Geländer herum und ein kopfsteingepflasterter schmaler Gang, der war dann übersät mit gelben Buchsbaumblättern und gelegentlich zerdrückten Zigarettenkippen, hin und wieder eine zerbrochene braune Bierflasche und Kronkorken. Ich spielte mit meinen Schulkameraden auf dem maroden eingeknickten Weg, der von der Pellinger Straße abging und einen Bogen um die Meierei machte, wo Hühnereier in Kisten versandt wurden und auf großen lärmenden Rollbändern aus der kleinen Halle kamen, - ich spielte, und meine Großtanten Susanne und Barbara haben rote Grablichter vor das Kreuz gestellt, wegen ihrer gefallenen Männer und Brüder und Onkel, und vielleicht auch wegen der Not, der Vergewaltigungen und der Bombennächte. Gegenüber war eine verrufene Bar, ein Puff, wie meine Oma sagte, in die gingen die Männer nur spät abends, außer die, bei denen es egal war. Die Söhne und Töchter der Nachbarn waren oft arbeitslos, hatten nicht viel zu tun und verrichteten kleine Arbeiten wie Rasenmähen und Anstreichen oder Putzen, um dann wieder herumzusitzen auf den Eingangsstufen oder an ihren kaputten Autos herumzuschrauben oder eben gar nichts zu tun. Ingrid, Krämers ihre jüngste Tochter, die rechts von uns wohnten, wenn man vor dem Haus steht, ist in eine Irrenanstalt gekommen, weil sie immer so debil war, wie man hinter vorgehaltener Hand sagte, aber ihr Bruder, der meiner Oma die Blumenrabatten weggemäht hat, war auch nicht viel besser, der Rote Harald, wegen seines roten Lockenkopfs und seiner rotgeäderten Nase. Krämers ihre ältere Tochter, Christa, die schon einen großen Busen hatte, erzählte uns nachmittagelang Grusel- und Gespenstergeschichten auf den Stufen der Eingangstüre oder auf dem Treppenabsatz zum Kartoffelkeller, dessen niedriges Sandsteindeckengewölbe unter dem schäbigen Falltor voller weißer Weberknechtskelette hing. Ich fürchtete mich immer hinunter zu gehen, weil auch kein Lichtschalter da war und ich mit einem Kerzenstummel in der Hand die Krumbeeren holen musste, die meine Oma nicht holen gehen wollte, weil sie ja gehbehindert war, und obwohl sie doch aus der Eifel herstammte, wo sie doch dunkle feuchte Keller gewohnt sein musste. Viel früher waren da auch die Kohlen für den Ofen gelagert worden, die säbelbeinige, dürre, schwarzgesichtige Männer auf einem Pritschenwagen brachten, ein Zentner je Rücken, der dann die Schütte hinabpolterte.
Der graugelockte Vater der Krämerkinder zur Rechten mit seiner fetten Frau, der ein paar Vorderzähne fehlten, fuhr immer noch seinen ersten, bar bezahlten, originalgrauen VW Käfer mit dem kleinen ovalen Guckfenster hinten. Der wurde aber nicht oft bewegt, und wenn, dann nur von ihm hochpersönlich. Der Rote Harald schraubte derweil an einem durchgerosteten Opel Admiral herum, der ein Lenkrad so groß wie ein LKW-Reifen hatte und Löcher im Bodenblech.
Mein Onkel Matthias, der sich dann später im Wald selbst vergaste, indem er einen Schlauch durch das Beifahrerfenster steckte, ist einen Opel GT gefahren, auf den er sehr stolz war, mit der nach außen gewölbten Bause in der Motorhaube und dem magischen Hebel für die versenkbaren Scheinwerfer. Grellrot mit gelben Streifen war der, und wenn seine Freundin mitfuhr, dann musste ich nach hinten auf den Notsitz quer zur Fahrtrichtung. Auf der Yamaha war es besser, vor allem wenn wir die Bitburger hochgerast sind, ich an die Lederjacke von Onkel Mätthi geklammert, den Plastikhelm von der Kirmes in Medard mit den aufgeklebten Pirellistreifen auf dem Kopf. Dann sind wir zu einem Baggersee oder einem Maar gefahren oder einer Grillfeier mit seinen Freunden, die auch alle Motorrad gefahren sind und Opel GT, und da habe ich mir beim Absteigen die Wade am heißen Auspuffrohr verbrannt, obwohl Onkel Mätthi mich noch gewarnt hatte, aber ich wollte mir nicht anmerken lassen, wie sehr es weh tat. Die Narbe ist heute noch da.

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Kommentare zu diesem Text


 Dieter_Rotmund (01.08.17)
Nicht schlecht, aber es fehlt ein wenig ein Zentrum - viele Figuren hast Du gekonnt eingeführt, aber richtig agieren willst Du kaum eine lassen...?

P.S.: "in Medard"? Was’n das?
toltten_plag (42) meinte dazu am 02.08.17:
Diese Antwort ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 RainerMScholz antwortete darauf am 02.08.17:
Ich danke.
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