Versprochen ist versprochen!

Erzählung zum Thema Glaube

von  Bluebird

Illustration zum Text
(von Bluebird)
Es mochten vielleicht zwei Monate seit meiner Bekehrung vergangen sein, als im Jesus-Haus eine große Glaubenskonferenz stattfand. Sie ging, ähnlich wie der Kirchentag, über mehrere Tage und  Gläubige aus der ganzen Umgebung nahmen daran teil.
  Ich hatte für diese Zeit meine Diplomarbeit beiseite gelegt, um an so viele Veranstaltungen wie möglich teilnehmen zu können. Trotz wöchentlicher Bibelstunden, Hauskreis und der normalen Gottesdienste am Wochenende war mein Wissenshunger noch keineswegs gestillt. Ich wollte einfach „alles“ wissen und so schnell wie möglich Fortschritte im Glauben machen. 
  Außerdem fühlte ich mich in Gemeinschaft mit anderen Christen wohl. Es war gut mit Menschen zusammen zu sein, die ähnliche Erfahrungen wie ich gemacht hatten.

Ich hatte gerade am Samstag, dem vorletzten Tag der Konferenz, nachmittags ein Seminar verlassen und war auf dem Weg zum Ausgang, als  mich Klaus-Dieter, der Zweitpastor des Jesus-Hauses, ansprach: „Sag mal, Heiner, hast du eigentlich schon öffentlich Zeugnis von deiner Bekehrung gegeben?“
    Leicht irritiert schaute ich ihn an: „Nein, warum fragst du?“ „Nun,“ entgegnete er, „ich dachte, dass vielleicht heute Abend im Gottesdienst dazu eine günstige Gelegenheit wäre.“ Mir stockte der Atem.
   „Also, ich weiß nicht so so recht,“ entgegnete ich, „ vor so vielen Leuten zu reden, das ist eigentlich nicht so mein Ding!“ „Ach, das schaffst du schon“, unterbrach er mich. „Du hast ja noch etwas Zeit dich vorzubereiten. Also abgemacht?“   
   So herausgefordert, wollte ich jetzt nicht kneifen: „Äh, ja … abgemacht!“ „Prima! Der Herr sei mit dir!“ entgegnete er, drehte sich um und verschwand aus meinem Blickfeld. Langsam ging ich die restliche Stufen herunter und dachte erschrocken: Auf was habe ich mich da eingelassen!?

Etwa zwei Stunden später saß ich in der Straßenbahn auf dem Weg zurück zum Jesus-Haus. Ich hatte mich zuhause etwas auf mein Zeugnis vorzubereiten versucht, aber es dann abgebrochen und mich lieber etwas hingelegt. Jetzt aber stieg langsam die Panik in mir hoch. Im Geiste sah ich mich oben hilflos auf der Bühne stehen, Hunderte von erwartungsvollen Augenpaaren auf mich gerichtet.
    Ich versuchte mich damit zu beruhigen, dass ich ja schon Schachunterrichte und Referate vor Leuten gehalten hatte. Aber auch das half nicht. Das waren maximal 30 Personen in beschützter Umgebung gewesen. Nein, dachte ich, es hat keinen Sinn. Ich werde Klaus-Dieter gleich sagen, dass es nicht geht!

   Just in dem Moment schaute ich aus dem Fenster und mein Blick fiel auf ein riesiges Plakat: Versprochen ist versprochen! stand darauf geschrieben. Ok, dachte ich, ich zieh die Sache durch.

Der Saal Im Jesus-Haus war noch voller als eh schon befürchtet. Hinten in der Nähe des Ausgangs standen noch Leute, die keinen Platz gefunden hatten. Ich saß in einer vorderen Reihe und wartete schicksalergeben auf meinen Auftritt.
  Dann vernahm ich plötzlich die Stimme von Jochen S., den Versammlungsleiter: „Vor einigen Wochen hat sich jemand hier im Jesus-Haus bekehrt und möchte jetzt  ein kleines Zeugnis geben. Heiner, komm doch bitte hoch auf die Bühne!“
    Zwanzig Sekunden später stand ich oben alleine am Rednerpult und blickte ins Halbdunkel des Saales. Alle Nervosität war wie weggeblasen, in mir war eine geradezu überirdische Stille und Klarheit. Ich öffnete den Mund und begann meine Bekehrungsgeschichte zu erzählen.
   
Es ging spielend leicht. Eingehüllt in ein unbeschreibliches Kraftfeld wusste ich nach jedem gesagten Satz sofort den nächsten Satz, als wenn er mir souffliert worden wäre. Ich brauchte ihn nur noch auszusprechen. Wie es in der Bibel ja auch zugesagt wird:

so sorgt euch vorher nicht, was ihr reden sollt, sondern was euch in jener Stunde gegeben wird, das redet! Denn nicht ihr seid die Redenden, sondern der Heilige Geist.  1

Als ich nach etwa zehn Minuten die Bühne wieder verließ, brandete im Publikum tosender Beifall auf, begleitet von Preis den Herrn und Halleluja-Rufen. Da wusste ich, dass ich diese Prüfung bestanden hatte.
    Man ist in solchen Momenten tatsächlich das Werkzeug einer höheren Macht. Ein Sprachrohr Gottes! Ein geisterfüllter Zeuge Jesu!
   
Wie  gesalbt der Auftritt aber wirklich gewesen war, erfuhr ich später von Silke, der Leiterin meines Hauskreises: „Ich kannte deine Geschichte ja schon und so habe ich mal die Leute um mich herum beobachtet. Sie saßen wie gebannt, teilweise mit offenen Mündern da. Man hätte eine Stecknadel fallen hören können. Ich habe so etwas noch nie zuvor im Jesus-Haus erlebt.“
    Und ein Ältester der Gemeinde erzählte mir ein paar Tage später: „Ich bin am Ende deines Zeugnisses in Tränen ausgebrochen - wegen der rettenden Gnade Gottes!“
   
Natürlich beglückte mich das sehr, aber ich verschwendete keinen weiteren Gedanken daran. Ich war einfach nur froh die Sache so gut überstanden zu haben.


Anmerkung von Bluebird:

Folge 11 meiner autobiografischen Kurzgeschichten-Sammlung und Fortsetzung von meiner autobiografischen Bekehrungsgeschichte  hier aus dem Jahre 1985

1  Lukas 12,11

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Frühere bzw. ältere Kommentare zu diesem Text


 Soshura (02.09.17)
Ähm, ich habe mir vorhin "Schuh des Manitu angeschaut", und dann Deinen Text hier laut gelesen. Ehrlich, es wirkt, wie im Film die Hauptfiguren ihre Lebensrückblicke schildern. Ich bin baff.

Du hast das aber nicht abgekupfert, oder?
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