Hape Kerkeling und der verhexte Wald

Essay zum Thema Geister

von  Bluebird

In seinem durchaus spannenden (Tage-) Buch über seinen Pilgerweg nach Santiago de Compostela („Ich bin dann mal weg!“) im Jahre 2001 berichtet Hape Kerkeling von einer seltsamen Begebenheit, die  sich auf dem Weg nach Portomarin ereignete.
 
Er durchquerte gerade einen dichten Wald mit seltsam verkrüppelten Kiefern, als er auf einmal Sheelagh, eine seiner beiden sonstigen Pilgergefährtinnen, völlig ratlos an einer Weggabelung stehen sieht: „Hans, I´m lost!“ Sie, eine selbstbewusste und zielstrebige Neuseeländerin, hatte sich komplett verlaufen und völlig die Orientierung verloren. Sie irrte schon seit Stunden in dem Wäld umher.
      Sie wandern nun gemeinsam – wie Hänsel und Gretel – weiter durch diesen häßlichen und recht unheimlichen Wald. Plötzlich horcht Hape auf und fragt: „Hörst du das? Ein Martinshorn!“ Irritiert schaut Sheelagh ihn an: „Ich höre nichts!“ Aber Hape vernimmt es weiterhin ganz deutlich. Fange ich jetzt auch schon an zu spinnen, fragt er sich beklommen.
  Der Wald wird noch düsterer, der bislang blaue Himmel beginnt sich plötzlich zuzuziehen. Sie wandern durch eine kleines steiniges, aber leicht morastiges Flußbett. Plötzlich rutscht Sheelagh aus. Sie prallt mit dem Kopf auf einen Findling und landet voll im Matsch. Sie hat mehere Platzwunden und Abschürfungen, blutet und ihr ist schwindelig.
      In diesem Moment taucht wie aus dem Nichts ein Jeep auf, will genau an der Stelle vorbei, wo Sheelagh liegt und hupt wie ein Irrer. Hape schafft die lädierte Sheelagh beiseite, und mit durchdrehenden Rädern – mit einer Schlammdusche für Hape und Sheelagh – rast der Jeep weiter. Erst jetzt kommt Hape in den Sinn, dass das ja eigentlich eine unterlassene Hilfeleistung ist.
      Nachdem er Sheelagh halbwegs verarztet hat, nehmen sie die Wanderung wieder auf. Sie hat sich bei ihm untergehakt und humpelt tapfer neben ihm her. Irgendwann beginnt sie zu lachen und wiederholt immer wieder: „Was für ein verhexter Tag!“
    Irgendwann endet der Wald und sie machen in einer Schänke Rast. Er bettet das Bein von Sheelagh auf einen Stuhl und bestellt zwei Milchkaffee bei einer Kellnerin. Wenig später stürzt die Chefin des Hauses herein und schreit: „Oh, Gott! Ist schon wieder etwas passiert! Was ist es denn heute?“ Hape klärt sie über den Sturz auf.
    Aufgeregt sagt die Besitzerin: „Wissen Sie, dieses Tal aus dem sie kommen, ist verhext … ! Das ist das valle de la brujas (Tal der Hexen). Solche Dinge passieren hier ständig. Leute stürzen, kriegen Panikattacken oder irren über Stunden durch den Wald!“
  Wenig später taucht Anne, die andere Weggefährtin auf, die an diesem Tag auch alleine gewandert war. Und auch sie hatte sich in dem Wäldchen äußerst unwohl ( „wahnsinnig nervös und aufgekratzt“) gefühlt. ( Zusammenfassung von S. 317 – 327)

An dieser Stelle möchte ich noch eine eigene Begebenheit hinzufügen. Ich machte vor einer Reihe von Jahren in Bremen einen längeren Spaziergang mit einem problembeladenen Freund. Wir befanden uns gerade im Stadtwald, den er recht gut und ich halbwegs gut kannte. Plötzlich fing er in einer Weise zu klagen und mit Gott zu hadern, die ich hier nicht wieder geben möchte.
    Ich versuchte ihn zu beruhigen, was ihn aber zu noch größerer Wut anstachelte. Schließlich schrie er in maßloser Wut  gen Himmel: „Ich will später (von Dir) über jede Sekunde meines  Lebens Rechenschaft abgeliefert bekommen“
      Ich war angesichts dieses Ausbruchs wie benommen. Gewiß, seine Probleme waren wirklich enorm, aber dass er es wagte, so mit Gott zu reden!? „Komm“, sagte ich,“ lass uns nach Hause  gehen.“  Und dann passierte das  Unglaubliche. Wir fanden, obwohl wir uns doch auskannten und der Wald jetzt auch nicht so groß ist, einfach nicht heraus.
    Wie in einem Labyrinth irrten wir umher und ich hatte das  Gefühl als wenn meine Gedanken regelrecht aus meinem Gehirn  abgesaugt würden. Es war richtig unheimlich. Schließlich, nach längerer Zeit des Herumirrens, sah ich auf einmal einen kleinen Pfad, … und wir waren draußen.

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