Sexismus und Sexualität. Der Orgasmus der Frau

Lebensweisheit zum Thema Aktuelles

von  Sanchina

Als ich ein junges Mädchen war, begann die öffentliche Sexismus-Debatte. Sie dauert immer noch an und ich bin inzwischen eine alte Frau. Momentan hat sie wieder einmal einen ihrer unrühmlichen Höhepunkte erreicht.

Diese Dauerdebatte legt ein trauriges Zeugnis davon ab, dass  es der Gesellschaft insgesamt an menschlicher Würde mangelt. Was daran so anwidert ist der ausschließlich negative Geschmack. Es geht ja nicht nur um – vergleichsweise harmlose, dennoch geschmacklose und ärgerliche – Anzüglichkeiten, sondern es geht um Verbrechen, um den Penis, der als Waffe benutzt wird, um Macht und um menschliche Existenzen, geschweige denn ist Erotik das Thema.

Nur um eins geht es nicht: um Sexualität und Sinnlichkeit. Es geht nicht um das Wunder der Liebe, nicht darum, was am Sex schön und beglückend ist, und schon gar nicht um feine Empfindungen anstatt um Idealvorstellungen.

Idealvorstellungen über Sexualität sind Normen: Sexualität hat danach im Rahmen einer mehr oder weniger verbindlichen Partnerschaft stattzufinden. Als glücklich gilt diese, wenn es bei jedem Geschlechtsverkehr zum Orgasmus kommt, und zwar bei beiden Partnern und das auch noch gleichzeitig.

Wahrscheinlich kann man die Männer nicht zählen, die nie den Orgasmus einer Frau bewusst erlebt haben. Und auch nicht die, die ein Leben lang auf ein Theater hereingefallen sind, das ihnen vorgespielt worden ist, um sie glauben zu machen, was für tolle Hechte sie doch im Bett sind.

Freilich, der Orgasmus des Mannes ist klar erkennbar, da er ja mit der Ejakulation einher geht. Der weibliche Körper sendet aber ebenso untrügliche Signale aus, die den Orgasmus erkennen lassen.

Beiden Geschlechtern ist gemeinsam, dass sich in der Erregungsphase die Schwellkörper in den Genitalien prall mit Blut füllen. Wenn noch mehr nicht mehr geht, versucht der Körper, das ganze Blut wieder aus den Schwellkörpern auszustoßen. Dies löst das Gefühl aus, das wir „Orgasmus“ nennen.

Das Blut weicht natürlich nicht schlagartig aus den Schwellkörpern, sondern allmählich, im Rhythmus des Kreislaufs. In diesen kurzen Momenten sofort nach dem Orgasmus ist dieser Rhythmus, der Herzschlag, an den weiblichen Genitalien ertastbar. Dies ist im unerregten oder im in Erregung befindlichen Zustand niemals der Fall. Da sind die Genitalien nämlich schlaff oder prall, aber sie pochen nicht.

Es dauert nicht lange, vielleicht zwanzig oder dreißig Herzschläge lang – ich habe noch nie mitgezählt.

Dies ist die stille Botschaft des weiblichen Körpers, die anzeigt, dass ein Orgasmus geglückt ist. Sie ist weder hör- noch sichtbar, nur ertastbar. Aber sie ist untrüglich und nicht simulierbar.

Es war mir ein Bedürfnis, dies einmal zu schreiben, weil ich finde, es ist an uns Frauen, nicht nur zu sagen, was wir uns nicht wünschen, was uns verletzt, beleidigt, demütigt und anekelt, sondern auch, was wir uns wünschen, was wir empfinden, was wir schön finden und was uns beglückt.

Ich wünsche mir zärtliche, liebevolle sexuelle Begegnungen mit einem Partner, der meine Empfindungen bewusst erlebt. Ferner wünsche ich unserer Gesellschaft sehr dringend eine gehobene erotische Kultur.


Anmerkung von Sanchina:

Ich wünsche mir - bitte! - keine anzüglichen Kommentare zu diesem Text.

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Kommentare zu diesem Text


 LotharAtzert (16.11.17)
Ein notwendiger Text.
Aus meiner (männlichen) Sicht gesehen, möchte ich noch ergänzen, daß empfindsamere Männer dasselbe Problem in der Umkehrung erfahren: sie finden keine Partnerin mehr, wenn sie nicht "erfolgreich" im Sinne der Ellenbogen-Gesellschaft sind. Das ist dann frustrierend und schwächere Naturen vereinsamen, oder werden zu Sexualstraftäter.
Unsereins nicht! - wir bringen es zur Sprache und damit ins Bewußtsein.
Gruß
L.

 Sylvia meinte dazu am 16.11.17:
Eine gute Ergänzung zum Text aus einer männlichen Sicht.
Gerne gelesen
LG Sylvia

 Sanchina antwortete darauf am 25.11.17:
Danke euch beiden, Lothar und Sylvia. Ich hab mich immer mehr zu den schwächeren Naturen hingezogen gefühlt; natürlich nicht zu den Sexualstraftätern unter ihnen.
Gruß, Barbara
toltten_plag (42)
(16.11.17)
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 Sanchina schrieb daraufhin am 25.11.17:
Meinst du nicht vielmehr die Würde der Eichen statt menschlicher Würde?
Gruß, Barbara
Graeculus (69)
(16.11.17)
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 Sanchina äußerte darauf am 25.11.17:
Wahrscheinlich ist es gar nicht wissenswert - trotzdem: was ist eine kastrierende Frau?
Gruß, Barbara
Graeculus (69) ergänzte dazu am 25.11.17:
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 franky (16.11.17)
Hi liebe Sanchina

Selten so eindrucksvoll einen weiblichen Orgasmus beschrieben bekommen, wie von dir.
Wenn man als Mann bemerkt, dass der Höhepunkt der Partnerin nicht mit dem seinen übereinstimmt, ist feinste Fingerfertigkeit gefragt. Dann kann man auch den Pulsschlag an der Vagina ertasten, erfühlen.
Es gibt leider Frauen, die sind bei normalen Verkehr nicht Orgasmusfähig, die kann man nur
extern zum Höhepunkt führen.
Ich habe jahrelange Erfahrung in dieser Metode. Das erfordert höchste Einfühlsamkeit.

Herzliche Grüße

von Franky
Sätzer (77) meinte dazu am 16.11.17:
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 Sanchina meinte dazu am 25.11.17:
Die Rammler verstehen das freilich nie, aber sensible Männer dafür umso schneller. Frau muss halt sorgfältig auswählen.
Danke Euch beiden. Gruß, Barbara

 AZU20 (16.11.17)
Gut und richtig geschrieben. LG

 Sanchina meinte dazu am 25.11.17:
Danke, Azu. Gruß, Barbara

 GastIltis (21.11.17)
Hallo Sanchina, wenn man so wenig schreibt wie du und so viele Texte liest und empfiehlt, wie du es tust, dann ist der Text nicht nur etwas Außergewöhnliches, er ist ein Stern am KV-Himmel. Dir meine Hochachtung auszusprechen, reicht kaum aus. Ich halte das Thema und wie du damit umgehst, für mehr als überfällig. Die Würde des Menschen: wenn wir alle ein wenig mehr auf ihre Bedeutung Acht geben könnten, die Welt wäre schöner als wir es auszumalen in der Lage sind.
Viele liebe Grüße von Giltis.

 Sanchina meinte dazu am 25.11.17:
Hallo, du Lieber, da hast du mir aber schöne Komplimente gemacht. Ich danke dir.
Ich finde auch, dass die Beschäftigung mit dem Thema Würde sehr lohnenswert sein könnte. Allerdings muss man dabei das Grundgesetz weit weg legen; noch weiter die Rechtsprechung dazu (du weißt doch, dass ich Juristin bin, ja?); allenfalls Festreden geben etwas schmeichelhaftere Aspekte dazu her.
Küsschen dir. Gruß, Barbara
Leila (50)
(04.12.17)
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 Sanchina meinte dazu am 07.12.17:
Danke, Leila. Ich lese deine Texte auch sehr gerne, obwohl es noch nicht sehr viele sind.
Sag mir, wieso bist du die einzige Frau, die hier einen Kommentar abgibt? ( Sylvia hat ja im Grunde nichts zu dem Text gesagt.)
Gruß, Barbara
Leila (50) meinte dazu am 07.12.17:
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 GiraffeFolle (06.04.20)
Sehr schön. Das sollte in die Pflichtliteratur aufgenommen werden!
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