Der Porschetraum eines Südafrikaners

Erzählung zum Thema Glaube

von  Bluebird

Ich hatte mich gerade in die Bibel vertieft, als John mich in seinem Kauder-Englisch fragte: "Heiner, what means: Wollten Sie immer schon mal einen Porsche fahren?" Ich blickte von der Bibel auf griff nach der Zeitung: "Zeig mal!" Nach einigen Sekunden reichte ich sie ihm zurück: "Forget it!"
  Aber John ließ nicht locker, auch nicht als ihn darauf hinwies, dass dies eine typische Bauernfängerei sei: "Auf jeden Fall nicht Gescheites!"  
"Würdest du bitte dort für mich anrufen und nachfragen?" fragte er mit unschuldigster Miene. Ich blickte ihn entgeistert an. "No! Das ist sinnlos! Zeitverschwendung!" Er gab nicht nach. "Kann ich dann dein Telefon benutzen?" Ich resignierte seufzend: "Bitte, wenn es dich glücklich macht. Aber es ist sinnlos!"
Wenig später hörte ich ihn sagen: "Hello, here is John S. ..., ich möchte gerne Porsche fahren!" Als er wenig später den Hörer auflegte, grinste er mich an: " Ich habe für morgen einen Termin!"

Ich hatte mich schon etwas gewundert, dass John tatsächlich einen Gesprächstermin bekommen hatte. Aber ehrlich gesagt nicht wirklich an einen Erfolg geglaubt, schon alleine wegen der fehlenden (deutschen) Sprachkenntnisse.
        Aber ich hatte mich geirrt. Denn am nächsten Tag kam er freudestrahlend zurück in die Wohnung und verkündete mit einem breiten Lachen: "I´ve got the job! You will not believe, what has happened."

In der Tat war die Geschichte, die er mir erzählte, recht erstaunlich. Denn er hatte sich für das Gespräch so richtig in Schale geworfen. Blauer Anzug, weißes Hemd, dunkle Krawatte und schwarze Schuhe, aber viel mehr hatte er eh nicht anzuziehen.
  So war er also in das Büro des Personalleiters eingetreten und hatte dann abrupt gestoppt. Beide hatten sich erstaunt angestarrt und waren dann beide in ein schallendes Gelächter ausgebrochen. Sie waren exakt gleich gekleidet. Da war natürlich das Eis sofort gebrochen und und die Anstellung nur noch Formsache.

Nun gut, hatte er nun also einen schlecht bezahlten Callcenterjob, so what!?  So aber war es nicht! Er hatte nämlich dem Personalchef ein wenig über seine internationalen Kontakte erzählt. Woraufhin der ihm nach drei Tagen ein eigenes Büro zuteilte.
  Eine Woche später hatte John mehrere Millionendeals abgewickelt und zog recht bald in eine teure Wohnung in der Nähe des Jesushaus. Ich kam gar nicht aus dem Staunen heraus. 

In Rekordgeschwindigkeit vom armen Obdachlosen zum Top-Manager. Nicht schlecht! Und der Porsche war wahrscheinlich auch nur der Frage von kurzer Zeit.

Das letzte Mal sah ich John dann, als ich ihn in seiner Wohnung besuchte. Er hatte schon einige richtig gute Möbel kommen lassen, aber war noch nicht vollständig eingerichtet. Wir saßen in der Küche, als er sagte: "It´s unbelievable. Vor zwei Wochen wohnte ich noch bei dir und wir haben uns von Kartoffeln und Spiegelei ernährt ... so, ist´s Gods work ... aber ich werde auch nie vergessen, was du für mich getan hast! Mir in meiner Not geholfen hast. Listen, I want to do now something for you!" Und dann bot er mir an meine komplette Bibelschulausbildung zu bezahlen.
    Ich bedankte mich für dieses großzügige Angebot, lehnte es aber ab. Denn es wurde ja schon vom Staat übernommen und außerdem hätte ich auch kein gutes Gefühl bei diesem Deal gehabt. Es war mir lieber, dass er die Sache wirklich so, wie sie gewesen war, in Erinnerung behielt. Als eine uneigennützige Hilfe in der Not! Als ein Wirken Gottes!

 


Anmerkung von Bluebird:

Folge 67 meiner autobiografischen Erzählung (1985 - ...)

Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram